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Ende März hat die EU noch über ein 72-Stunden-Notfallpaket für den Krisenfall gesprochen – jetzt ist er mit dem großflächigen Stromausfall am Montag in Spanien und Portugal teilweise Realität geworden.
Der massive Stromausfall hat den Alltag in Spanien und Portugal schlagartig verändert. Vielerorts fielen Ampeln aus, weder Bahnen noch öffentliche Verkehrsmittel konnten fahren, das Internet funktionierte nicht. Spanier und Portugiesen wichen auf das Auto aus, was wiederum zu teils kilometerlangen Staus führte. Auch Flughäfen waren vom Stromausfall betroffen.
Menschen, die kein Bargeld mit sich führten, konnten nicht mehr per Karte bezahlen und auch keines mehr abheben. Geldautomaten und auch Telefonleitungen versagten teilweise den Dienst.
Die Stromversorgung in beiden Ländern ist laut Netzwerkbetreibern am Dienstagmorgen fast vollständig wiederhergestellt, die Ursache des Blackouts ist jedoch weiterhin unklar. EU-Kommisisonspräsidentin von der Leyen sicherte Unterstützung für die Wiederherstellung des Stromsystems zu. Sie teilte auf der Plattform X, dass „die Energiesicherheit für die EU von entscheidender Bedeutung ist“.
72-Stunden-Notfallpaket der EU: Das sollte enthalten sein
Die EU weist alle Mitgliedsstaaten an, ein 72-Stunden-Überlebenspaket für ihre Bürger zu entwickeln, um im Krisenfall gewappnet zu sein. Das ist Teil der Strategie der Union zur Krisenvorsorge, die auch einen höheren Vorrat an überlebensnotwendigen Gütern und eine bessere zivil-militärische Zusammenarbeit fordert.
Die von der Europäischen Kommission vorgestellte Strategie enthält eine Liste von 30 konkreten Maßnahmen, die die EU-Mitgliedstaaten ergreifen sollen, um ihre Bereitschaft für potenzielle Krisen zu erhöhen – von Naturkatastrophen und Industrieunfällen bis hin zu Angriffen durch feindliche Akteure im Cyber- oder Militärbereich.
„In der EU müssen wir unser Denken ändern, weil auch die Bedrohungen sich verändern, wir müssen größer denken, weil auch die Bedrohungen größer werden“, so Hadja Lahbib, EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, gegenüber Reportern.
Roxana Mînzatu, Kommissarin für Katastrophenschutz, fügte hinzu, dass die EU „nicht bei Null anfangen“ werde.
„Die COVID-Pandemie hat gezeigt, dass der Mehrwert eines gemeinsamen, solidarischen und koordinierten Handelns im Rahmen der Europäischen Union von entscheidender Bedeutung ist, dadurch werden wir effizienter und stärker“, sagte sie.
Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Bürger über eine Notfallausrüstung verfügen, mit der sie sich mindestens 72 Stunden lang selbst versorgen könnten, falls sie von der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern abgeschnitten sind.
Mehrere Mitgliedstaaten verfügen bereits über solche Leitlinien, jeweils mit unterschiedlichen Zeitrahmen. Frankreich beispielsweise empfiehlt ein 72-Stunden-Survival-Kit, das Lebensmittel, Wasser, Medikamente, ein tragbares Radio, eine Taschenlampe, Ersatzbatterien, Ladegeräte, Bargeld, Kopien wichtiger Dokumente einschließlich ärztlicher Verschreibungen, Ersatzschlüssel, warme Kleidung und Werkzeuge wie Taschenmesser enthält.
Der Plan der Kommission zielt darauf ab, die Richtlinien in den 27 Mitgliedstaaten zu harmonisieren, um sicherzustellen, dass „jeder auf verschiedenen Ebenen ein Handbuch hat, um zu wissen was zu tun ist, wenn die Sirenen losgehen würden“, so ein hoher EU-Vertreter, der anonym bleiben wollte.
„Der Grad der Bereitschaft in der Union und in den einzelnen Mitgliedstaaten ist sehr unterschiedlich. Bereitschaft wird in den verschiedenen Nationen definitiv unterschiedlich verstanden“, fügte der Vertreter hinzu.
Mehr Vorräte, mehr Bereitschaft
Ein weiterer Schwerpunkt der Strategie ist die Aufstockung der Vorräte in den Mitgliedsstaaten mit wichtigen Lebensmitteln, Impfstoffen, Medikamenten und medizinischer Ausrüstung, kritischen Rohstoffen, damit die industrielle Produktion weiterlaufen kann.
Brüssel hat in den letzten Wochen bereits Vorschläge für die Aufstockung der Vorräte an wichtigen Arzneimitteln und Mineralien unterbreitet, die in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten fallen.
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Die Bereitschafts-Strategie zielt darauf ab, „zu ermitteln, inwieweit die nationalen Vorratspakete miteinander im Einklang stehen und bei welchen gemeinsamen Erfahrungen man voneinander lernen kann“, sagte ein anderer hoher EU-Beamter, der ebenfalls anonym bleiben wollte.
Das könnte dazu führen, dass auf EU-Ebene weitere Vorräte für den Katastrophenschutz angelegt werden, die zu den bestehenden Ressourcen aus dem RescEU-Mechanismus hinzukommen würden. Einige der Vorräte könnten auf nationaler Ebene angelegt werden, andere sind „virtuell“, das heißt, sie bestehen durch Vereinbarungen mit dem Privatsektor.
„Das ist eine Diskussion, die wir führen müssen: Was ist die bestmögliche Herangehensweise, um das ultimative Ziel der Aufrechterhaltung unserer lebenswichtigen gesellschaftlichen Funktionen unter allen Umständen zu gewährleisten“, so der Vertreter weiter.
Beseitigung „blinder Flecken“ bei der Reaktion auf Krisen
Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Behörden im Falle einer Krise wird als eine der Hauptprioritäten genannt. Die Kommission erklärte, sie werde einen zivil-militärischen Bereitschaftsrahmen mit klaren Rollen und Zuständigkeiten einrichten und fordert regelmäßige Übungen, um bewährte Verfahren zu testen.
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„Wir haben leider viele Beispiele aus dem wirklichen Leben, die zeigen, auf welche Art von Bedrohungen wir vorbereitet sein müssen“, sagte einer der zitierten Vertreter. Darunter seien Sabotageakte, Desinformationskampagnen und Cyberangriffe.
Die Bestimmung der Rollen der zivilen und militärischen Behörden sei ein Prozess, der bereits begonnen habe, fügte er hinzu und verwies auf Sabotageakte in der Ostsee.
„Wir analysieren jetzt, wie wir reagieren können und wo die blinden Flecken sind, wo wir effizienter sein könnten, wo wir schneller sein könnten, was wir sonst noch tun könnten“.
All diese Aktionen werden durch ein neues EU-Krisenkoordinationszentrum und durch eine Risiko- und Bedrohungsanalyse unterstützt, deren erste Version Ende 2026 veröffentlicht werden soll.
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Auf die Frage, warum die EU-Exekutive mehr als ein Jahr für die Erstellung dieses Dokuments benötige, erwiderte einer der Vertreter, dass es sich um einen „komplexen“ Prozess handele, in den „viele Beiträge der Mitgliedstaaten“ einfließen und andere sektorale Analysen in unterschiedlichen Zeiträumen veröffentlicht werden würden.
„Um das alles erbringen, zu analysieren und ein Dokument zu erstellen, das einen Mehrwert bietet, braucht es etwas Zeit. Deshalb würden wir das nicht in ein paar Wochen erledigen wollen, denn es bestand die Gefahr, dass etwas übersehen wird (…) und einige Teile der Analyse und Informationen fehlen“, so die Funktionäre.
Die Kommission wird in der Zwischenzeit Ad-hoc-Frühwarnungen herausgeben und noch in diesem Jahr ein Krisen-Dashboard einrichten, um die Mitgliedstaaten über die bevorstehenden Risiken auf dem Laufenden zu halten und Daten zur Vorbereitung zu sammeln.