Chronische Schmerzen häufig mit Begleiterkrankungen assoziiert
Chronische Schmerzen betreffen weltweit etwa 21 % der Erwachsenen und stellen eine erhebliche medizinische Herausforderung dar. Neben der physischen Beeinträchtigung sind viele Betroffene auch psychisch stark belastet. Insbesondere Depressionen und Angststörungen treten häufig als Begleiterkrankungen auf. Diese psychischen Erkrankungen sind mit einer reduzierten Lebensqualität, erhöhten Gesundheitskosten und schlechteren Therapieerfolgen assoziiert.
Unterschiedliche Prävalenzangaben für Depressionen und Angststörungen
Bisherige Studien zeigen stark variierende Prävalenzraten für Depressionen und Angststörungen bei Menschen mit chronischen Schmerzen. Die vorliegende systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse von Dr. Rachel Aaron von der Johns Hopkins University in Baltimore analysiert die Daten aus 376 Studien mit insgesamt 347.468 Patienten aus 50 Ländern, um ein klareres Bild über das Ausmaß dieser Problematik zu gewinnen.
Die systematische Übersichtsarbeit wurde gemäß den PRISMA-Richtlinien durchgeführt. Die inkludierten Studien basierten auf validierten Diagnosemethoden zur Erfassung psychischer Komorbiditäten bei Erwachsenen mit chronischem Schmerz (ausgenommen chronische Kopfschmerzen).
Hohe Prävalenz psychischer Erkrankungen bei chronischem Schmerz
Die Analyse ergab alarmierend hohe Prävalenzraten für psychische Erkrankungen:
- Depression: 39,3 % der Betroffenen zeigten klinisch signifikante depressive Symptome; 36,7 % erfüllten die diagnostischen Kriterien einer schweren depressiven Episode.
- Angststörungen: 40,2 % der Patienten erfüllten die Kriterien für eine klinische Angststörung; 16,7 % der Betroffenen wiesen die eine generalisierte Angststörung auf.
Ein Vergleich mit Kontrollgruppen verdeutlichte das Problem: Während in der Allgemeinbevölkerung die Prävalenz von Depression bei 13,9 % lag, war sie in der Gruppe der Schmerzpatienten nahezu dreimal so hoch.
Welche Schmerzpatienten sind besonders betroffen?
Die Metaanalyse identifizierte mehrere Faktoren, die die Prävalenz psychischer Erkrankungen bei Schmerzpatienten beeinflussen:
1. Schmerzauslöser
- Fibromyalgie wies die höchste Prävalenz auf (Depression: 54,0 %, Angst: 55,5 %).
- Arthritis bzw. Arthrosen hatten dagegen die niedrigsten Werte (Depression: 29,1 %, Angst: 17,5 %).
2. Alter und Geschlecht
- Jüngere Patienten hatten ein höheres Risiko für Depression und Angst.
- Frauen waren häufiger betroffen als Männer.
3. Dauer der Schmerzen
- Eine längere Schmerzdauer war mit einer erhöhten Prävalenz von Angststörungen assoziiert.
Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass spezifische Patientengruppen ein besonders hohes Risiko für psychische Belastungen haben und gezielte Interventionen benötigen.
Notwendigkeit eines interdisziplinären Ansatzes in der Therapie chronischer Schmerzen
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass psychische Begleiterkrankungen bei chronischen Schmerzpatienten keine Seltenheit sind. Dies hat weitreichende Konsequenzen für die klinische Praxis:
- Routinemäßiges Screening: Ärzte sollten Patienten mit chronischem Schmerz systematisch auf Depression und Angststörungen untersuchen.
- Interdisziplinäre Therapieansätze: Die Kombination aus Schmerzmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie kann den Therapieerfolg verbessern.
- Barrierefreier Zugang zur psychologischen Behandlung: Viele Schmerzpatienten werden aufgrund psychischer Komorbiditäten von Schmerzkliniken abgewiesen. Ein gerechter Zugang zu adäquater Behandlung ist essenziell.
- Neue Behandlungsstrategien: Innovative psychologische Interventionen, insbesondere digitalisierte und niedrigschwellige Angebote, könnten eine effektive Ergänzung zur Schmerztherapie sein.
Psychische Komorbiditäten bei chronischen Schmerzen ernst nehmen
Die hohe Prävalenz von Depression und Angststörungen bei Menschen mit chronischem Schmerz unterstreicht die Notwendigkeit einer besseren medizinischen Versorgung. Psychische Komorbiditäten müssen in der Behandlung von chronischem Schmerz stärker berücksichtigt werden, um die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern. Weitere Studien sind erforderlich, um gezielte Therapieansätze zu entwickeln und effektiver in den klinischen Alltag zu integrieren.