„Sie sagen, es ist vorbei. Aber Auschwitz steht noch. Dachau. Buchenwald. Die Zäune sind offen, die Wachtürme leer, doch der Schmerz, der bleibt. Brennt sich ein. In die Haut, in die Seele, lässt nicht los, bis nicht mehr bleibt. Befreit. Ein schönes Wort. Aber was ist Freiheit, wenn du nicht mehr weißt, wohin du gehen sollst? Wenn deine Schritte leicht sind, aber dein Herz schwer? Wenn du dein Spiegelbild ansiehst und dich nicht mehr erkennst? Wenn du zu lange nur eine Nummer warst? Unbeachtet.“ Diese Worte und noch einige mehr fand Emilie Bollack-Kirazkaya im Benrather Schloss bei einer Veranstaltung in der Reihe „Düsseldorf erinnert – 80 Jahre Kriegsende und Befreiung“.

„Seit dem 27. Januar, an dem Tag, an dem vor genau 80 Jahren das NS-Vernichtungslager Auschwitz von den Alliierten befreit wurde, läuft mit weit mehr als 70 Veranstaltungen die Gedenkreihe in Düsseldorf“, erläuterte der wissenschaftliche Vorstand der Stiftung Schloss und Park Benrath, Stefan Schweizer: „In Benrath haben wir eine Arbeitsgruppe gegründet und die Idee entwickelt, Jugendliche um ihren eigenen, unverfälschten Blick auf die Geschehnisse rund um das Ende des zweiten Weltkriegs zu bitten.“

Die Schüler setzten sich mit der Geschichte ihres Heimatortes, mit der Historie des Stadtviertels, in dem sie leben, auseinander. Oft sogar mit der Geschichte der eigenen Schule und ihrer Familie sowie ihrer Herkunft. Herausgekommen ist der History-Slam, bei dem Schüler der achten bis elften Klasse des Schloß- und des Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasiums ihre Gedanken vortrugen. „Der Krieg und die Nazi-Zeit haben auch in Benrath massiv Spuren hinterlassen, die heute kaum noch jemand kennt“, sagte Schweizer: „Die Schüler und Schülerinnen sollten ihren ganz eigenen Zugang zu den Geschehnissen finden.“

Entstanden sind beeindruckende, bewegende, gefühlvolle, reflektierte, mahnende, empathische, besorgte, lyrische und prosaische Texte. So hatte sich Fatimah (neunte Klasse, Schloß-Gymnasium) dazu entschieden, aus der Ich-Perspektive zu erzählen, obwohl sie keine direkte Verbindung zum Geschehen vor 80 Jahren hat. „Es sollte kein Sachtext werden, ich wollte Gefühle transportieren, deshalb habe ich aus der Sicht eines Mädchens geschrieben, das die Entrechtung der Juden, die Verfolgungen, den Bombenhagel und alle Kriegsgräuel, die alles erlebt hat, geschrieben“, erläutert die 16-Jährige. Sie versetzt sich in ein Mädchen, das erst spät begreift, was in Nazi-Deutschland los gewesen ist und dennoch nichts dagegen unternimmt. Sie hofft darauf, dass die Menschen aus der Geschichte lernen und endet mit einem Appell: „Heute, 80 Jahre später, frage ich euch: Was tut ihr, wenn euch jemand erzählt, eine Gruppe sei weniger wert? Was tut ihr, wenn andere ausgeschlossen, beleidigt bedroht werden – wegen ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer Sprache? Eure Generation hat die Chance, es besser zu machen. Vergesst nie, was war und sorgt dafür, dass es nie wieder wird.“

Emilie gewährte tiefe Einblicke ins Seelenleben der damals lebenden Deutschen. „Die Schuld bleibt auch. Sie haftet an den Wänden, liegt in den Trümmern, steht in den Blicken, die sich abwenden, wenn jemand fragt: Wusstet ihr es? Alle wussten es, irgendwie. Aber Schweigen ist einfacher als die Schuld einzugestehen. 8. Mai 1945. Der Krieg ist vorbei, sagen sie. Aber vorbei – das ist nicht genug. Vorbei ist nicht Frieden. Vorbei ist nur der Anfang von etwas Neuem, das erst wachsen muss.“ Alle History-Slammer im Ostflügel waren sich einig: Nie wieder ist nicht nur jetzt, sondern für immer.