Zehntausende in Hannover
Steinmeier: Kirchentag ist Ort für die drängenden Fragen

30.04.2025, 20:00 Uhr

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Mit bis zu 150.000 Menschen in Hannover hat der Evangelische Kirchentag begonnen. Bundespräsident Steinmeier ermutigte die Teilnehmer zu intensiven gesellschaftlichen Debatten. Ein Thema dürfte die Rolle der Kirchen sein, nachdem Bundestagspräsidentin Klöckner Äußerungen der Religionsverbände zur Tagespolitik gerügt hatte.

Mit Zehntausenden Besuchern hat in Hannover der evangelische Kirchentag begonnen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Kirchentag als einen Ort, an dem alles zur Sprache kommen könne. „Er ist der Ort, an dem wir die Fragen stellen, die uns gerade auf den Nägeln brennen“, sagte Steinmeier. Das gelte sowohl persönlich als auch gesellschaftlich. Der Kirchentag sei zudem eine „ganz, ganz seltene Chance, dass wir uns aus unseren ideellen Fertighäusern herausbegeben“.

Steinmeiers Rede folgte auf zwei parallel abgehaltene Eröffnungsgottesdienste, zu denen jeweils rund 40.000 Menschen erwartet worden waren. Anschließend wollte sich das Staatsoberhaupt an einem „Abend der Begegnung“ mit bis zu 150.000 Menschen in der Innenstadt beteiligen.

Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund hatte zuvor angesichts der von der CDU-Politikerin Julia Klöckner ausgelösten Debatte über die politische Rolle der Kirche angekündigt: Haltung zu zeigen, sei eines der wichtigsten Themen des bis Sonntag geplanten Kirchenfests. „Ja, es braucht eine Kirche, die sich auch politisch äußert und Haltung zeigt“, sagte die langjährige Grünen-Politikerin und frühere Umweltministerin aus Thüringen.

Christinnen und Christen hätten nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, Haltung zu zeigen. „Christlicher Glaube ist politisch. Das, was uns Christinnen und Christen antreibt, das legen wir ja als Menschen im Miteinander nicht einfach wieder ab“, sagte Siegesmund. Auch die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte: „Es ist wichtig, dass die Kirchen in Deutschland ihre Stimme für Menschlichkeit, Solidarität und Zusammenhalt auch in politischen Debatten weiter erheben.“

Klöckner, inzwischen Bundestagspräsidentin, hatte dagegen Mitte April gewarnt, die Kirche riskiere, beliebig zu werden, wenn sie ständig zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgebe und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick habe. Sie wird am Samstag am Kirchentag teilnehmen und mit Siegesmund sowie mit Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), über die Rolle der Kirche diskutieren.

Kontroverse Debatten erwartet

Zu den weiteren Gästen des Kirchentags zählen der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem seiner wohl letzten Termine im Amt, dessen Vorgängerin Angela Merkel sowie der frühere Bundespräsident Christian Wulff. Vertreter von AfD und BSW wurden nicht eingeladen.

Insgesamt umfasst der Kirchentag rund 1500 Events an mehr als 60 Orten. Bis zum Morgen des Eröffnungstags wurden nach Angaben der Veranstalter rund 65.000 Tickets verkauft – das seien mehr als zum Start des Kirchentags 2023 in Nürnberg. Im Laufe der nächsten Tage erwarten die Organisatoren bis zu 100.000 Teilnehmer am Hauptprogramm.

Die Polizei stellt sich sogar auf rund 150.000 Besucher täglich ein, denn die Veranstaltungen in der Innenstadt – darunter große Konzerte etwa von Gentleman und Jupiter Jones – können auch ohne Ticket besucht werden. Zusätzliche Überwachungskameras, Drohnenverbote, Straßensperrungen und Poller sollen die Sicherheit gewährleisten.

Kontroverse Diskussionen wird es auf dem Kirchentag unter anderem über deutsche Waffenlieferungen, den Nahostkonflikt und die Klimakrise geben. Auch sexualisierte Gewalt wird ausdrücklich thematisiert. So wird die Künstlerin Julia Krahn Frauen porträtieren, die sexualisierte Gewalt erfahren haben.

Die evangelische Kirche zählt derzeit knapp 18 Millionen Mitglieder in Deutschland. Die Mitgliederzahl ist allerdings seit Jahren rückläufig. Wegen dieser sinkenden Bedeutung gibt es Kritik an den öffentlichen Zuschüssen in Millionenhöhe für das Event. Das Budget des Kirchentags liegt bei rund 24 Millionen Euro. Darin enthalten sind Zuschüsse des Landes Niedersachsen von sieben Millionen Euro und der Stadt Hannover von vier Millionen Euro. Der Bund steuert 800.000 Euro bei.