Nach einer umfassenden Variantenprüfung und intensiven Gesprächen mit Fachexperten sowie der Landesdirektion will die Stadt das alte Technische Rathaus an der Prager Straße 20–28 nun doch erhalten und modernisieren, teilt die Stadt aus der Dienstberatung des Oberbürgermeisters mit. Die Stadtspitze hat jetzt empfohlen, den Rohbau zu sanieren, der Stadtrat entscheidet voraussichtlich in seiner Sitzung im Mai über die entsprechende Vorlage.
„Wir haben uns verantwortungsvoll mit dem Bestand auseinandergesetzt und die möglichen Risiken vertieft geprüft“, sagt Baubürgermeister Thomas Dienberg. „Wir sind uns sicher, dass wir mit dem Bestandserhalt die ökologisch und ökonomisch beste Lösung für unsere Stadt gefunden haben und einen qualitätsvollen und ansprechenden Verwaltungsbau für unsere Mitarbeitenden und Bürgerinnen und Bürger umsetzen können.“
Verwaltungsbürgermeister Ulrich Hörning: „Wir wollen den Leipzigerinnen und Leipzigern einen zentralen, modernen Bürgerservice-Standort bieten. Ebenso werden wir für unsere Beschäftigten eine Arbeitsumgebung schaffen, die zeitgemäßen Erwartungen an Flexibilität, Kommunikation und gesunder Arbeit gerecht wird. Diese Anforderungen könnten in der bestehenden Gebäudestruktur realisiert werden.“
Geänderte Einschätzungen
Der Stadtrat hatte im April 2024 – im Zuge des Ankaufs des Geländes des ehemaligen Rathauses – einen zeitnahen Abriss des Stahlbetonskeletts beschlossen. Die durch den Betonabriss rechnerisch anfallenden Treibhausgase sollten kompensiert werden. Seither wurde der Rohbauzustand in Gesprächen mit den Architekten- und Ingenieurskammern (Bund Deutscher Architekten, Bund Deutscher Baumeister) fundiert neu bewertet. Der entkernte Bau ist demnach in einem deutlich besseren Zustand als zunächst angenommen.
Seine Tragfähigkeit wurde durch externe Sachkenntnis bestätigt, zudem entspricht der Stahlskelettbau heutigen Anforderungen. Geprüft wurden hier beispielsweise die Aufzugsgrößen, Fluchtwege über Treppenhäuser, Lastgrenzen des Gebäudes sowie die Geschosshöhen und der Zustand der Geschossdecken.
Die Südseite des ehemaligen Technischen Rathauses. Foto: Sabine Eicker
Aus den Fachrunden ist darüber hinaus ein schlüssiges Bild entstanden, wie der Bestand zu einem modernen Verwaltungszentrum weiterentwickelt werden kann – architektonisch, funktional und städtebaulich. Demnach bietet die Verbindung von Alt und Neu in einem modernisierten Bestandsbau großes Potenzial, ohne dass funktionale Kompromisse in Kauf genommen werden müssen.
Nicht zuletzt steht der Erhalt vorhandener Strukturen für verantwortungsvolles Handeln. Der ökologische Fußabdruck eines Neubaus ist schwer vermittelbar, wenn bereits nutzbare Substanz vorhanden ist.
Deutliche Einsparungen
Die Vorlage des Verwaltungs- und Baudezernats hat nun zunächst drei Varianten zum Umgang mit dem Rohbau untersucht und deren jeweilige Kosten geschätzt: die Option von Abriss mit anschließendem Neubau eines Verwaltungszentrums, als zweite Variante der Rohbauerhalt mit einem neuen Anbau sowie zuletzt ein Teilabriss des alten Technischen Rathauses und ebenfalls der Neubau.
Die Sanierung des Rohbaus würde Kosten in Höhe von ca. 184 Millionen Euro verursachen, während der Erweiterungsbau an der Platostraße mit ca. 87 Millionen Euro veranschlagt wird. Abrisskosten entfallen in dieser Variante, jedoch entstehen zusätzliche Aufwendungen für die Rohbausicherung und Grundlagenermittlung an, die sich auf etwa 3,8 Millionen Euro belaufen.
Dafür entfalle die 15 Millionen Euro für den Abriss. Der bestehende Rohbau mit 11 Geschossen bietet ein Flächenpotenzial von ca. 45.400 m² (Bruttogrundfläche/ BGF). Der Erweiterungsbau müsste mindestens 21.600 m² (BGF) umfassen und dürfte gemäß den stadtplanerischen Vorgaben maximal sechs Obergeschosse plus ein Untergeschoss haben. Insgesamt könnten so ca. 1.923 Arbeitsplätze für ca. 2.740 Mitarbeitende entstehen.
Gegenüber dem bislang geplanten Abriss und Neubau wäre das eine Kostenersparnis von 73 Millionen Euro. Untersucht wurde auch eine Variante mit Teilabriss und Neubau. Aber auch diese wäre rund 58 Millionen Euro teurer.
Der städtische Vorschlag arbeitet abschließend heraus, dass eine Sanierung des alten Technischen Rathauses rund zehn Prozent günstiger als ein kompletter Neubau ist. Aufgrund des möglichen Zeitgewinns und der besseren CO₂-Bilanz ist der Erhalt demnach langfristig wirtschaftlicher.
Das Problem der Kompensation
Aber auch wenn die CO₂-Bilanz bei Erhalt des Bestandsgeäudes deutlich günstiger ausfällt, bereitet die nötige Kompensation der Stadt noch gewaltige Kopfschmerzen: „Bei ganzheitlicher Bilanzierung der Verursachung von CO₂-Emissionen durch den Abriss müssen neben den CO₂-Emissionen der Abrissmaßnahmen auch die eines Ersatz-Neubaus betrachtet werden.
Deswegen wurden zwei Varianten mit nahezu gleicher Fläche in der CO₂-Bilanzierung analysiert: Variante Rohbauerhalt und Anbau und Variante Abriss und Neubau. Es zeigt sich, dass je nach Konstruktionsart in Variante Abriss und Neubau bis zu 19.500 Tonnen CO₂-Äquivalent verursacht werden und in Variante Rohbauerhalt und Anbau nur bis zu 8.600 Tonnen. Betrachtet man die Differenz der Gesamtbilanz der beiden Varianten, könnten bis zu 10.900 Tonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden.
Sollten entsprechend dem Stadtratsbeschluss Kompensationsmaßnahmen im Stadtgebiet erfolgen und dementsprechend Bäume gepflanzt werden, sind mit Kosten in Höhe von 2,15 bis 6,97 Millionen Euro zu rechnen. Unabhängig davon, dass die angesetzten Kosten für diese Kompensationsmaßnahme eher unrealistisch erscheinen, ist zudem noch offen, an welchen Standorten im Stadtgebiet die Bäume gepflanzt werden könnten. (…)
Bezieht man ausschließlich den Abriss des Rohbaus in die Betrachtung ein, ergeben sich Emissionen von ca. 1.200 Tonnen CO₂-Äquivalent, welche bei einem Erhalt eingespart würden. Eine vollständige Kompensation durch Baumpflanzungen im Stadtgebiet würde rund 8.300 Bäume erfordern, mit geschätzten Kosten von ca. 0,41 Millionen Euro. Zusätzlich müsste man jedoch mindestens die momentan im Rohbau gebundenen CO₂ Äquivalente von 10.860 t mit einbeziehen, Kompensationsmaßnahmen dafür würden sich auf knapp 77.900 Bäume und 3,90 Millionen Euro belaufen.“
Wenn der Stadtrat im Mai zustimmen sollte, rechnet die Stadtspitze für das Jahr 2026 mit dem Planungsbeschluss.