Frau Pfeiffer, wie wird sich der Arbeitsmarkt des Jahres 2045 von dem von heute unterscheiden?
Es gibt wahnsinnig viel Veränderung: die digitale Transformation, die nun mit dem Thema KI eine neue Spielart bekommen hat. Der demografische Wandel, die unsichere geopolitische Lage. Und die ökologische Transformation, bei der die Politik wild hin und her steuert. Das führt zu einem Hin und Her auch in der Wirtschaft.
Sie meinen Themen wie das Hickhack ums Verbrenner-Aus?
Genau, oder auch Auto-Verkaufsprämien, die von heute auf morgen wieder einkassiert werden. Das ist für eine Branche, die viele Milliarden Euro in die Hand nehmen muss, um in die eine oder andere Richtung zu laufen, ein riesiges Problem. Zum Arbeitsmarkt als Ganzes gibt es nicht die eine Prognose, was in 20 Jahren sein wird, sondern es kommt enorm auf Branche und Region an.
Zur Person
© Foto: Universität Erlangen-Nürnberg
Sabine Pfeiffer ist Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik – Arbeit – Gesellschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg.
Dann machen wir es konkret: Wie unterscheidet sich der Blick in die Zukunft für eine frisch ausgelernte Arzthelferin auf dem Dorf und eine Akademikerin in der Großstadt?
Die Arzthelferin wird auch in 20 Jahren noch gebraucht. Aber für sie ist die Frage, ob es dann noch einen Arzt oder eine Ärztin gibt, die die Praxis betreibt – vor allem auf dem Land. Für die Akademikerin ist wichtig zu wissen, dass ein jahrzehntelang von der Arbeitsmarktforschung gepredigter Satz nicht mehr gilt – nämlich der, dass ein akademischer Abschluss am besten vor Arbeitslosigkeit schützt.
Warum?
Bei vielen akademischen Berufen wird die generative KI für mehr Umwälzung sorgen als in anderen Jobs. Es ist zwar mehr als fraglich, ob die Produktivitätsgewinne, die jetzt versprochen werden, tatsächlich zu realisieren sind. Aber solange Arbeitgeber daran glauben, werden sie ihre Personalpolitik daran ausrichten und Teams dünner besetzen.
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© dpa/Robert Michael
Wie lässt sich dieser Wandel gestalten?
Wir sollten aufhören, Prognosen hinterherzulaufen, und uns mehr auf Deutschlands Stärken besinnen. Das ständige Wehklagen, wir seien weniger innovativ als das Silicon Valley, hat sich verselbstständigt. Ganz offensichtlich haben wir bisher gut auf dem Weltmarkt bestehen können, und zwar mit den Innovationen unseres industriellen Kerns.
Um den steht es gerade nicht besonders gut.
Allerdings, viele Indikatoren sehen schlecht aus. Das ist sehr besorgniserregend und kann für den Arbeitsmarkt zur großen Belastung werden. Wir müssen aufpassen, dass wir dabei nicht zu viele Arbeitsplätze einbüßen, die tariflich gut abgesichert sind. Das passiert schon mehr, als es sich in den Zahlen zeigt, denn vieles passiert noch sozialverträglich: Die Leute sind dann nicht arbeitssuchend, sondern gehen früher in Rente. Die Arbeitsplätze sind aber trotzdem weg und kommen wohl nicht mehr zurück. Die Politik muss die industrielle Stärke, die noch da ist, unbedingt stützen.
Wie kann das gelingen?
Der Staat muss sich fragen, welche Aufgaben er tatsächlich hat. Um auf das Beispiel Elektromobilität zurückzukommen: Seit 20 Jahren sagt jede Regierung, Deutschland solle Leitmarkt werden. Ganz offensichtlich hat das bisher nicht geklappt, und zwar auch, weil der Staat in Sachen Infrastruktur viel zu zögerlich gehandelt hat. Wenn er Marktdynamik entfachen will, muss er dafür sorgen, dass die notwendigen Ladestellen da sind. Kernfrage ist also immer: Wofür sollte der Staat Geld in die Hand nehmen – und wofür nicht?
Wird lebenslanges Lernen noch wichtiger, als es ohnehin schon ist?
Wenn wir im Rahmen unserer Forschung in Betrieben Interviews führen, können die Beschäftigten oft eine Stunde lang erzählen, was sich alles ändert: neue Technik und Schnittstellen, neue Absatzmärkte, Umstrukturierungen, neue Prozesse. All die Veränderung kommt zum Tagesgeschäft dazu. Denn die Veränderungen passieren nicht von selbst, sie werden ja von den Beschäftigten gemacht. Das heißt für sehr viele: ständiges Lernen on the job.
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Und die Arbeitgeber?
Wenn es um Fragen formaler Weiterbildung geht, wird die zwar immer gefordert. Fragen wir in unserer Forschung beim Management nach, gibt es aber oft nur sehr vage Vorstellungen. Irgendwas mit IT und gern auch KI. Aber die Frage, wer genau wofür und mit welchen Inhalten weitergebildet werden soll, bleibt im Ungefähren.
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Tut die Arbeitsmarktpolitik das Richtige?
Es gibt viele Förderinstrumente, die aber zu oft erst greifen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist und Menschen mit ihren Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt sind. Dann stürzt sich eine ganze Weiterbildungsindustrie auf die Menschen, hier noch eine Wochenschulung, da eine Maßnahme. Aber es gibt zu wenig gut machbare Angebote für Menschen, die in Beschäftigung stehen. Außerdem ist der bürokratische Überbau riesig, das überfordert gerade kleinere Betriebe sehr häufig.
Müssen alle, die in Lohn und Brot stehen, in den nächsten Jahren zu KI-Profis werden?
Wir werden in den nächsten Jahren technisch viel Konsolidierung sehen. Vielleicht lachen wir in zehn Jahren darüber, wie heute alle vor sich hin prompten. Es wird mehr Tools geben, die KI- und nicht-KI-basierte Algorithmen zusammenbinden und mit einer Benutzeroberfläche versehen. Da wird die Bedienung sich nicht so anders anfühlen als bei bisheriger Software.
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Aber es wird auch Menschen geben, deren Jobs die KI übernimmt?
Das stimmt, und zwar vor allem diejenigen, die zwar kreativ, aber auch sehr arbeitsteilig arbeiten. Zum Beispiel in großen Webagenturen: Der eine redet mit dem Kunden, die Nächste denkt sich Slogans aus, die Dritte designt nur Buttons. Wenn es so kleinteilige Prozesse sind, kann die KI viel übernehmen. In anderen Bereichen wird die KI sich eher zu einer Stütze entwickeln, deren Ergebnisse aber immer von Menschen überprüft werden müssen – und zwar von solchen, die sich in genau diesem Arbeitskontext gut auskennen. Das bleibt unverzichtbar, wenn es wirklich um etwas geht. Also zum Beispiel in der Medizin bei Diagnosestellung oder Therapie im Vergleich zu einem Werbetext, mit dem bloß noch mehr Duschgel verkauft werden soll.
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Auch auf dem Arbeitsmarkt werden Generationenkonflikte ausgetragen. Was ist dran an den geläufigen Beschwerden über die faule Gen Z?
Junge Menschen kommen im Moment noch auf einen Arbeitsmarkt, der es ihnen leichter macht, ihre berechtigten Ansprüche zu formulieren. Auch die Boomer hatten Ansprüche, als sie jung waren. Denen hat nur damals niemand zugehört, weil der Arbeitsmarkt ein anderer war.
Welchen Beruf sollte jemand wählen, der auch in 20 Jahren noch gesichert einen Job haben will?
Eine Tätigkeit mit physischer Komponente, also die direkte Arbeit an Gütern und Produkten, die sich anfassen lassen, oder mit Menschen. Zum Beispiel in der Pflege und in vielen Handwerksberufen werden uns Roboter und Co entgegen allen Prognosen noch sehr lange keine ernsthafte Konkurrenz machen.