«So geht man nicht mit langjährigen, guten Handelspartnern um» – das sagt die Ostschweizer Wirtschaft zu Trumps Zollhammer

Regionale Wirtschaftsverbände zeigen sich konsterniert und verärgert über US-Präsident Trumps Zollpläne. Direkt betroffen ist in erster Linie die exportierende Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, und zwar jene Firmen, die keine Werke in den USA haben. Aber auch Hersteller von Schoggi oder Käse müssen sich darauf einstellen.

Die Ostschweizer Metall- und Maschinenindustrie ist von den neuen US-Zöllen besonders betroffen. Die Ostschweizer Metall- und Maschinenindustrie ist von den neuen US-Zöllen besonders betroffen.

Bild: Urs Jaudas

Maestrani hat sich auf ein Abenteuer eingelassen. Die Bio-Schoggi «Magic Chocolate», die man zuvor für den US-Kunden Dr. Bronner’s produzierte, vertreibt der Flawiler Schokoladehersteller dort nun selber. Mit dem Zollhammer der US-Regierung wird das Abenteuer noch herausfordernder. Mit neuen Zöllen habe man gerechnet, sagt Marketingleiter Valentin Haag. «Die Höhe hat uns jedoch erstaunt.»

Auch Maestrani-Schokolade wird in den USA nun teurer. Auch Maestrani-Schokolade wird in den USA nun teurer.

Bild: Michel Canonica

Die USA sei mit unter 10 Prozent des Umsatzes ein eher kleiner Markt für Maestrani. Trotzdem dürften die Zölle die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Schokolade in den USA schwächen – auch die der «Magic Chocolate». «Unsere lokale Organisation, die Nähe zu den Konsumenten und das Know-how vor Ort sehen wir aber als Vorteil.» Wie es mit diesem Projekt weitergeht, hänge von der weiteren Entwicklung ab, die man eng beobachten werde.

Zoll trifft die Schweiz ungerechtfertigt

Auch die Ostschweizer Wirtschaftsverbände zeigen sich konsterniert. «So geht man nicht mit langjährigen, guten Handelspartnern um», sagt Jan Riss. Dazu gehöre die Schweiz definitiv, sagt der Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell, denn sie habe eben ihre Industriezölle abgeschafft, und Schweizer Unternehmen schufen in den USA in den letzten Jahren rund eine halbe Million Stellen. Umso mehr überraschen die Zollpläne der US-Regierung: Auf Schweizer Produkte soll bei der Einfuhr in die USA ein Zoll von 32 Prozent gelten. Berechnet wurde dies aufgrund des Schweizer Exportüberschusses im Güterhandel. «Diese Formel entbehrt jeder ökonomischen Logik und trifft die Schweiz völlig ungerechtfertigt.»

Die Zölle treffen die Ostschweizer Wirtschaft in einer schwierigen Situation. In Europa schwächelt die Konjunktur. Die Bedeutung der USA hat deshalb auch für die Ostschweizer Industrie zugenommen: Heute gehen rund 14 Prozent der Ostschweizer Exporte in die USA. Dabei ist der Absatzmarkt für St.Galler Firmen wichtiger als für Thurgauer Unternehmen, von denen rund 7 Prozent der Exporte in die USA fliessen.

Unsicherheit schadet der IndustrieJan Riss, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell. Jan Riss, Chefökonom der IHK St.Gallen-Appenzell.

Bild: zvg

Von den Zöllen ausgenommen sind Güter der Pharma- und Chemiebranche. In der Ostschweiz dominiert aber die Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie (MEM-Industrie). Was diese besonders schmerzt: «Bei den Exporten hier handelt es sich oft um Investitionsgüter wie Maschinen», sagt Riss. «Solche Investitionen tätigt man, wenn man optimistisch in die Zukunft schaut.» Ein Handelskrieg stimme allerdings kaum optimistisch.

Für Ostschweizer Unternehmen bedeuten die Ankündigungen der US-Regierung deshalb Unsicherheit, sagt Riss. So müssten sie sich fragen, ob sich die eigenen Produkte genügend von der Konkurrenz unterscheiden, um dort noch konkurrenzfähig zu sein. Manche könnten sich auch eine Produktion in den USA überlegen. «Zuerst müssen sie sich aber fragen, nach welchen Formalitäten sie nun ihre Exporte abwickeln müssen.»

Weniger Appenzeller Käse in die USA?

Auch der Appenzeller Käse ist von den neuen US-Zöllen betroffen. «Wir haben zwar mit einem Zollaufschlag gerechnet, jedoch nicht in dieser Höhe», sagt Rudolf Hegg, Direktor der Sortenorganisation. Die Bedeutung des US-Markts war bisher gering: 2024 exportierte man etwas über 100 Tonnen Appenzeller Käse oder rund 1,2 Prozent des Gesamtabsatzes in die USA. Die Organisation wollte dort jedoch wachsen. «Hinter diesen Plänen steht jetzt ein Fragezeichen», sagt Hegg.

Appenzeller Käse: Wachstumspläne in den USA infrage gestellt. Appenzeller Käse: Wachstumspläne in den USA infrage gestellt.

Bild: Andrea Tina Stalder

Für eine abschliessende Einschätzung sei es aber noch zu früh. Deshalb sei auch noch offen, wie die Sortenorganisation auf die neuen Zölle reagieren wird. Hegg sagt: «Wir stehen im Austausch mit unseren Handelspartnern und prüfen, inwiefern wir unser Geschäft in den USA unterstützen und schützen können.» Krisensituationen seien für Appenzeller Käse aber nicht neu. «Der Euro-Schock 2015 mit der Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 Franken war für uns eine grössere Herausforderung.»

US-Werke schützen vor Auswirkungen

Weniger auskunftsfreudig zeigt sich die Industrie. Die meisten der angefragten Firmen wollen oder können sich nicht äussern. Der Thurgauer Bahnbauer Stadler ist «aktuell nur geringfügig von den Zöllen betroffen», wie Sprecher Jürg Grob sagt. Denn seit 2016 betreibt Stadler ein Werk in Salt Lake City und produziert die Züge für diesen Markt dort. Damit erfüllt Stadler auch die Bedingungen des Buy America Act, der bei staatlich finanzierten Projekten eine Wertschöpfung von mindestens 70 Prozent in den USA vorschreibt.

Für die kalifornische Bahngesellschaft Caltrain fertigt Stadler Doppelstöcker. Für die kalifornische Bahngesellschaft Caltrain fertigt Stadler Doppelstöcker.

Bild: zvg

Betroffen ist Stadler einzig bei der Einfuhr der Wagenkästen in die USA. «Dies macht jedoch nur einen kleinen Teil der Produktionskosten aus», sagt Grob. Und weil Stadler das US-Werk seit Oktober 2024 für 70 Millionen Dollar ausbaut, kann das Unternehmen künftig auch Wagenkästen in den USA produzieren.

Aus der Region für die Region

So ist auch beim Rheintaler Technologiekonzern SFS nur ein «vergleichsweise geringes» Handelsvolumen von rund 40 Millionen Franken betroffen, wie Konzernchef Jens Breu sagt. Dies bei einem Gesamtumsatz von gut 3 Milliarden Franken. Das deshalb, weil SFS Produkte auch regional entwickelt und erzeugt. In Werken in den USA stellt SFS etwa Teile für die Autoindustrie her. Breu geht aber davon aus, dass die Zulieferer der SFS in den USA die Zölle weitergeben und damit die Produkte für die Endkunden in den USA teurer werden.

Auch der Uzwiler Anlagenbauer Bühler ist vor den schlimmsten Folgen der Zölle gefeit, wie Konzernchef Stefan Scheiber im Interview am Rande der Jahresmedienkonferenz sagte: «Wir produzieren «in der Region, für die Region» – in China für China, in Amerika für Amerika und so weiter.» Bühler spüre aber Verunsicherung, die das Thema Zölle bei den Kunden auslöse. Das könne zu Verzögerungen bei Investitionsentscheiden führen.

Der Werkzeugmaschinenhersteller Starrag Tornos mit Hauptsitz in Rorschacherberg hat 2024 aus Nord- und Lateinamerika Aufträge für 100 Millionen Franken erhalten, doppelt so viel wie im Jahr davor. «Der Grossteil» dieser Aufträge kam aus den USA, wie das Unternehmen präzisiert. Werke hat Starrag Tornos in den USA keine, ist also auch von den Zöllen betroffen. Allerdings hat man vorgesorgt: «Wir sehen schon seit längerem entsprechende Klauseln in unseren Angeboten vor und sichten bestehende Verträge.»

Plädoyer für Dialog statt Eskalation

Trotz des Schocks fordern die Ostschweizer Wirtschaftsverbände keine scharfe Reaktion. «Die Eskalation eines Handelskonflikts gilt es zu vermeiden», schreibt die IHK Thurgau. Swissmechanic, der Verband der MEM-KMU, plädiert für Dialog: «Die Schweizer Regierung soll jetzt rasch handeln und den Dialog mit Washington suchen, um diese Zölle abzuwenden», sagt Direktor Erich Sannemann. Die Ostschweizer Handelskammern setzen nun auf weitere Freihandelsabkommen – und geregelte Beziehungen mit Europa. «Die Schweiz tut gut daran, den Weg zu ihrer wichtigsten Handelspartnerin EU mit den Bilateralen III auch für die Zukunft zu sichern», heisst es seitens der IHK Thurgau.