Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel wünscht dem voraussichtlich künftigen Regierungschef Friedrich Merz „viel Fortune und auch viel Kraft und gute Mitstreiter“. Eine wichtige Voraussetzung für das Amt sei es, dass er mit Freude Kanzler sein möchte, sagte Merkel dem Fernsehsender Phoenix am Rande des Evangelischen Kirchentages. Merz soll am Dienstag vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Seine frühere Rivalin Merkel will die Wahlen auf der Ehrentribüne verfolgen.
Merkel bejahte die theoretische Frage, ob sie jetzt noch gerne Kanzlerin wäre. „Ich vermute, ehrlich gesagt, dass ich es aus Prinzip gerne wollte, und dass ich es auch jetzt wollen würde, wenn ich es nicht schon gewesen wäre“, sagte die Ex-Kanzlerin. Auf die Frage, ob ein internationales Amt für sie in Frage käme, sagte sie: „Meine politische Zeit ist am Ende“.
Merkel lobt Papst für „Inspiration“
Auf dem Evangelischen Kirchentag hat sie sich auch zum Umgang mit Krisen geäußert und dabei auch auf den bedeutenden Einfluss des verstorbenen Papstes Franziskus verwiesen.
So habe der Pontifex sie in einer Krisensituation „total inspiriert“. Sie habe ihn kurz vor dem G20-Gipfel im Jahr 2017 besucht, nachdem der damals frisch gewählte US-Präsident Donald Trump angekündigt hatte, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aussteigen zu wollen, sagte Merkel am Donnerstag in Hannover.
Sie habe Franziskus gefragt, was man machen solle, wenn 19 Staaten wollten, einer aber nicht. „Er hat dann ganz spontan zu mir gesagt: biegen, biegen, aber aufhören, bevor es bricht.“ Den Rat habe sie sich zu Herzen genommen, so die heute 70-Jährige.
Die G20-Staaten hätten unerwartet ein gemeinsames Kommuniqué zu Papier bringen können. „Wir sind nicht zerbrochen, 19 Staaten mussten aber die bittere Pille schlucken, dass der zweitgrößte Verursacher von CO₂-Emissionen sich dem Pariser Abkommen nicht angeschlossen hat.“
Zugleich berichtete die frühere Kanzlerin und Tochter eines evangelischen Pfarrers, wie ihr Vertrauen in Gott und Menschen in politischen Krisen geholfen habe. „Zu wissen, dass Situationen nicht ausweglos sind“, habe ihr Kraft gegeben.
„Darauf zu vertrauen, dass etwas jenseits von uns Menschen existiert, mich selbst nicht so wichtig zu nehmen und nicht in Selbstmitleid zu verfallen“, sagte die CDU-Politikerin.
Mit Blick auf den Klimawandel mahnte Merkel rechtzeitige Entscheidungen für das eigene Überleben an. „Es bedarf noch größeren Mutes, noch mehr Stärke, noch mehr Beherztheit von jedem von uns, um wirklich der Bewahrung der Schöpfung und des Überlebens der Menschheit gerecht zu werden“, sagte Merkel.
Merkel verteidigt ihren Migrationskurs
Merkel erklärte, der Satz „Wir schaffen das“ – ausgesprochen während der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 – sei ihr oft um die Ohren gehauen worden.
„Ich habe damals nicht gesagt, ich schaffe das“, betonte Merkel. „Das war mein Vertrauen darin, dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die in einer solchen Notsituation helfen. Und die gab es, und darauf können wir stolz sein. Lassen wir uns das nicht nehmen.“
Nach wie vor müsse aber daran gearbeitet werden, die flüchtenden Menschen abzuweisen, die kein Recht auf Bleibe in Deutschland hätten. „Natürlich wussten wir, dass wir nicht jeden Tag 10.000 Menschen aufnehmen können, aber die, die damals vor der Tür standen“, betonte Merkel.
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Mit ihren Äußerungen hebt sich Merkel vom Migrationskurs ihres designierten Nachfolgers Merz ab. Der CDU-Chef hat angekündigt, von Tag eins der neuen Bundesregierung würden die Staatsgrenzen noch besser kontrolliert und Zurückweisungen in größerem Umfang durchgeführt werden. Auch in der EU werde man einen sehr viel restriktiveren Kurs unterstützen.
Merkel war von 2005 bis 2021 Bundeskanzlerin. Auf Einladung des Kirchentags in Hannover legte die Tochter eines evangelischen Pfarrers eine Bibelstelle des Markusevangeliums aus und gab dabei Einblicke in ihre politischen Entscheidungsfindungen und persönlichen Wertvorstellungen. (KNA, epd, dpa)