Protest meets Sommerlaune: Bei schönstem Sonnenschein hat Berlin den diesjährigen 1. Mai tanzend, chillend und vielerorts demonstrierend verbracht. Während die Gewerkschaften für gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne einstanden, starteten Satire-Aktivisten im Villenviertel Grunewald eine Rakete. Im Görlitzer Park stieg ein Rave gegen dessen Umzäunung, mehr als 40.000 Menschen feierten in den Grünanlagen – und am Abend zog die „Revolutionärer 1. Mai“-Demonstration durch Kreuzberg und Neukölln.

22.000 Menschen bei 1.-Mai-Demo in Berlin Polizei meldet vereinzelte Festnahmen – Beamter durch Flaschenwurf verletzt

Nach der „ruhigsten Walpurgisnacht seit Jahren“ startete die Berliner Polizei ausgeruht in den Tag der Arbeit, mit 5800 Beamten, darunter auch 2200 Kräfte aus anderen Bundesländern, 700 Bundespolizisten sowie Sprengstoffspürhündin Eve – und vergammelten Speisen. Wie die Polizei mitteilte, sei bei einigen Beamten verschimmelter Käse in der Verpflegung festgestellt worden. Das Problem hielt sich jedoch in Grenzen: Betroffen waren nach Polizeiangaben zwei von 6300 ausgegebenen Packungen Gouda-Schnittkäse.

Für Donnerstag waren mehr als 30 Versammlungen in der ganzen Stadt angekündigt worden, die Zahl erhöhte sich später auf über 60, zahlreiche Straßen wurden gesperrt. Die Feuerwehr stand mit 1300 Kräften und acht zusätzlichen Rettungswagen bereit.

DGB-Demo für mehr Freizeit

Wie jedes Jahr hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zur Großdemo aufgerufen, inklusive Familienfest. Um kurz nach 11 Uhr startete die Kundgebung an der Karl-Marx-Allee, Ecke Pariser Kommune. Von dort aus zogen die Teilnehmer zum Roten Rathaus. 5500 Demonstranten versammelten sich dort laut Polizei.

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Wie jedes Jahr hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund zur Großdemo aufgerufen, los ging’s auf der Karl-Marx-Allee.

© dpa/Jörg Carstensen

„Der 1. Mai ist unser Tag“, rief Nele Techen, stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, vor dem Roten Rathaus. Angesichts der jüngsten Sparmaßnahmen im Berliner Haushalt forderte sie, keine weiteren Einsparungen zulasten der Arbeitnehmer vorzunehmen.

Satire-Protest im Grunewald

Ebenfalls für mehr Gerechtigkeit zogen Menschen durch den Stadtteil Grunewald. Bekannt war die Demo in den vergangenen Jahren auch als „My Gruni“. Bei dem Satire-Protest wurde dieses Jahr unter dem Motto „Musk, Milei und Merz zum Mars“ für eine Umverteilung von oben nach unten demonstriert, symbolisch wurde eine Rakete mit dem Namen der Demo, „My Ass“, in den Himmel geschickt – begleitet von einem kollektiv gesungenen, umgedichteten Backstreet-Boys-Hit. Symbol dafür, dass Reiche ein Problem für Klima, Natur und Wohnungsmarkt darstellten und deswegen die Erde verlassen sollten.

Ein von Kindern bemaltes Plakat gegen Krieg und für Eis am Rande der satirischen Grunewald-Demo.

© dpa/Maximilian von Klenze

Einige Demonstranten zogen vom S-Bahnhof Grunewald durch das Villenviertel zum Johannaplatz. Andere radelten zu dem Platz, auf dem eine von mehreren Kundgebungen stattfand – vorbei an applaudierenden Passanten, am Schlossplatz etwa einer jungen Frau mit Gucci-Tasche um die Schulter.

Die Polizei sprach von 1700 Teilnehmern, die Veranstalter von mehreren Tausend. Nach Angaben beider Seiten verlief die bunte Aktion störungsfrei. Die Teilnehmer waren divers: Anzugträger neben Mutter mit Kind, daneben ein Mann in rosa Latzhose, der vom Trekkingrad Seifenblasen in den Himmel schoss. Viele tanzten zu gemütlichem Bummel-Techno. Mit bunten Jonglierbällchen konnte an einem Stand auf Fotos von Elon Musk, Javier Milei und Friedrich Merz geworfen werden. Wer traf, bekam einen Shot: saure Kirsche, Pfeffi oder Saft. „Leider kein Crémant“, bemängelte eine Besucherin. 

Tausende Menschen im Görli

Auch im Görlitzer Park in Kreuzberg versammelten sich Tausende. Die Polizei sprach am Abend von 18.000 Menschen – und forderte Gäste auf, nicht mehr zu kommen. Der Park sei zu 97,5 Prozent ausgelastet. Familien picknickten hier, Sonnenhungrige genossen das Traumwetter. Protestiert wurde auch: gegen die Pläne des Senats, den als Kriminalitäts- und Drogenhotspot bekannten Park einzuzäunen und nachts zu schließen. Dazu wurde ein „Rave against the Zaun“ veranstaltet.

Görli am Limit: Tausende versammelten sich zum Feiern und Demonstrieren im Görlitzer Park.

© IMAGO/Jürgen Held/IMAGO/Jürgen Held

Mehrere Berliner Rap-Gruppen standen auf der Bühne, der Linken-Bundestagsabgeordnete Ferat Koçak als Sprecher.

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Im benachbarten Schlesischen Busch wurde geravedt: „Was’n da los, alle wieder wach geworden?“, fragte ein junger Mann mit einer halbvollen Mate-Flasche: Mehrere DJs legten auf, der ganze Park voller Menschen. Partystimmung auch am Schlesischen Tor: Aus Spätis und Cafés wummerte Techno.

Ex-RAF-Terroristin lässt grüßen

Am Abend startete die linke „Revolutionärer 1. Mai“-Demo am Südstern, Hauptorganisatoren waren pro-palästinensische Initiativen. Eine Rapband spielte, die Stimmung war friedlich. Eine vermummte Person verlas ein Grußwort der inhaftierten mutmaßlichen Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette mit „solidarischen Grüßen“ an alle „Unterdrückten und Ausgebeuteten“.

Ein Vermummter liest während der „Revolutionären 1. Mai-Demo“ 2025 ein Grußwort von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette vor.

© dpa/Sebastian Gollnow

„Bis jetzt haben wir einen sehr friedlichen 1. Mai“, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) eine Stunde nach Beginn der Demo.

Die „Revolutionären“-Demo, deren Teilnehmerzahl am Abend auf 22.000 Menschen anwuchs, zog Richtung Hermannplatz und wieder zurück zum Südstern. Laut Polizei blieb der Protest überwiegend friedlich. Mehrfach wurde Pyrotechnik gezündet. Immer wieder wurden außerdem pro-palästinensische Slogans gerufen, unter anderem der verbotene Ausruf „From the river to the sea“. In einem kleinen Teil der Proteste habe es auch vereinzelt Rangeleien gegeben, hieß es.

Vereinzelt wurden Beamte nach Polizeiangaben mit Gegenständen beworfen, darunter Feuerwerkskörper. Ein Teilnehmer habe am Endpunkt zudem eine Flasche auf einen Beamten geworfen, der dadurch verletzt wurde. Der Teilnehmer wurde festgenommen. Festnahmen meldete die Behörde am Abend auch wegen einer versuchten Gefangenenbefreiung, des Werfens von Pyrotechnik und verbotener israelfeindlicher Parolen.

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Zu größeren Eingriffen der Polizei, die sich auf den Gesamtverlauf auswirkten, kam es jedoch nicht: Der Demonstrationszug erreichte ohne Unterbrechungen etwa anderthalb Stunden nach dem Start wieder seinen Ausgangspunkt. (mit dpa)