Neben Heiligendamm ist Weissenhaus das luxuriöseste Ressort an der Ostsee. Im Gourmetrestaurant Courtier wirkt seit zehn Jahren das Ehepaar Scharrer und beweist, dass es neben Können und Kreativität auch hilft, wenn man einen Ort und seine Seele lange Zeit begleitet – und echte Liebe auf die Teller bringt.

Es gab neulich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen Artikel, in dem eine Schriftstellerkollegin, die am liebsten über sich selbst schreibt, das Luxusressort von Weissenhaus beklagte. Sie sei gerade erst an die Ostsee gezogen und dürfe nun nicht durch das umzäunte Ressort gehen, um an den Strand zu gelangen. Das sei nämlich ohne Passierschein nicht möglich und der lasse sich nur umständlich beantragen. Und dann palaverte sie in zwanzigtausend Zeichen über das Gefühl ihrer Ausgeschlossenheit und fragte allen Ernstes, ob sie denn stinke, weil sie nicht in dem eleganten Ressort erwünscht sei.

Am Morgen ist es am Deich herrlich.

Am Morgen ist es am Deich herrlich.

(Foto: Weissenhaus Private Nature Luxury Resort/Marc Bächtold)

Über die Körperhygiene dieser Frau mag ich nicht urteilen, wohl aber darüber, wie scheinbar einfach sich so eine riesige Reportage schreiben und dann auch noch in einer der bedeutendsten Zeitungen des Landes abdrucken lässt – obwohl der Wahrheitsgehalt wirklich dürftig ist, von der elenden Jammerei mal ganz zu schweigen.

Natürlich dürfen die Bewohner des Dörfchens Wangels in Ostholstein durch den Hotelpark zum Meer hin abkürzen und natürlich ist der eben beschriebene Passierschein sehr leicht zu beantragen, sogar der Autorin wurde schon einer zugeteilt, scheinbar hatte sie ihn nur noch nicht abgeholt.

Soweit, so gut. Das feuilletonistische Geschreibsel zeigt aber wieder einmal vortrefflich, wie schwer es in Deutschland immer noch ist, Luxus in Weltformat anzubieten, ohne gleich als pervertierter Kapitalist zu gelten oder als unmoralischer Ausbeuter. Schon in Heiligendamm dauerte der Streit eine halbe Ewigkeit, auf welchen Wegen Spaziergänger denn nun wie nah an das Hotel herandurften, in Weissenhaus ist die Diskussion sehr ähnlich. Dabei ist es ja durchaus verständlich, dass Gäste, die fünfhundert und mehr Euro pro Nacht ausgeben, gerne im Liegestuhl ihre Ruhe haben möchten und nicht auf dutzenden Handyfotos völlig fremder Passanten auftauchen wollen.

Luxus – auch in der Küche Christian Scharrer macht seine Gäste gern glücklich.

Christian Scharrer macht seine Gäste gern glücklich.

(Foto: Weissenhaus Private Nature Luxury Resort)

Denn dekadenter Luxus ist ja durchaus ein Thema für viele Menschen – und sei es nur, weil Schaulustige mal sehen wollen, wie die da oben Urlaub machen. Deshalb sind die Regeln für den Zugang ins Ressort von Weißenhaus so streng, obwohl es da ganz ehrlich kaum bemerkenswerte Dinge zu sehen gibt, keine Superreichen, die Champagner aus Bauchnabeln trinken, keine Kaviar- und Schokoladenbrunnen, jedenfalls habe ich keine entdecken können, so schade das auch ist. Es ist ein schönes Ressort mit viel Natur, einem alten, weißen Herrenhaus, einem Dorfteich, einem kleinen Marktplatz und vielen reetgedeckten Häusern, in denen sich die 59 Zimmer und Suiten befinden.

Hier gibt es drei Restaurants, das Bootshaus genau am Strand, das Kellergewölbe, in dem es im Sommer Sushi und Co gibt, im Winter wird hier ein mehrgängiges sogenanntes Abendbrot serviert, das der Liebe der Deutschen zu Brot und kleinen, kalten Köstlichkeiten ein Denkmal setzen soll. Das Gourmetrestaurant heißt „Courtier“, es trägt seit acht Jahren zwei Sterne und residiert in zwei schönen, großzügigen Räumen des Schlosses. Es gibt Stuckdecken und bodentiefe Terrassenfenster, durch die der Blick hinausfällt auf die Koppel, im Sommer wird sogar draußen auf der lauschigen Terrasse serviert, eine Seltenheit im Gourmetzirkus.

Christian Scharrer ist der Held am Herd, 55 Jahre ist der Mann aus dem Schwarzwald, der ja sprichwörtlich die Wiege der deutschen Gourmetgastronomie ist. Scharrer lernte bei all den Großen, bei Jörg Müller auf Sylt und bei Harald Wohlfahrt in Baiersbronn. Dann landete er an der Ostsee, erst in Travemünde, bis ihn die Hoteliersfamilie Nagel zu sich nach Weissenhaus holte, natürlich gemeinsam mit seiner Frau Nathalie, die mit ihrer zugewandten und versierten Art eine wunderbare Restaurantleiterin ist, auf Augenhöhe, unterhaltsam, ohne auch nur in einem Moment aufdringlich oder belehrend zu sein.

Seelenessen, statt schnödem Brot

Das Menü beginnt mit einem – auf diesem Niveau – üblichen Reigen an Grüßen aus der Küche: Zuerst gibt es die sogenannten vegetarischen Gaumenöffner, kleine gebackene Teigtaschen, die einmal mit Hummus gefüllt sind und einmal mit Sellerie, es sind harmonische Kombinationen, die sich aber in Gänze zu ähnlich sind.

Brot ist hier viel mehr als Stulle.

Brot ist hier viel mehr als Stulle.

(Foto: S. Korge)

Viel besser gerät da der Saibling mit Apfelsorbet und Senf sowie der Brotgang, der hier aus einem warmen Laugenteilchen besteht, obenauf ist eine Sonnenblumencrème herrlich süffig und sehr wohltuend. Echtes Seelenessen, wo es anderswo nur schnödes Brot gibt.

Grandios gerät die ungestopfte Bio-Entenleber. Bei diesem Gang wird klar, wie gut Scharrer mit Produkten umgehen kann und sie durch gute Ideen und schonenden Umgang noch besser macht: Hier hobelt er dicke Späne von der kalten Leber ab, die dann im Mund zart schmelzen, dazu gibt es größere Stücke von lauwarmer Leber, die er mit aromatischer Rauchmandel und Pflaume serviert. Da ist an den Geschmacksnerven schon ganz schön viel los, aber es ist wirklich ein wunderbares Gericht, das der Entenleber eine tolle Bühne baut.

Auch die Jakobsmuschel bleibt dieser exzellenten Linie treu: Hier serviert er ein großes Exemplar, das er vor der Zubereitung einschneidet, sodass sich die Meeresfrucht dann einfach portionieren lässt, in genau den dünnen Scheiben, die zusammen mit der dazugehörigen Sauce nach Art einer Bouillabaisse den perfekten Akkord ergeben.

Dicht an Perfektion Süffig und cremig in einem Gang.

Süffig und cremig in einem Gang.

(Foto: S. Korge)

Dass Scharrer die französische Klassik wunderbar beherrscht, zeigt besonders der Fischgang: Der Steinbutt ist innen butterzart, die Morchelsauce dazu süffig und cremig zugleich, der zurückhaltende Spinat begleitet den Fisch, ohne ihn übertrumpfen zu wollen. Ganz großes Kino ist auch der Fleischgang: Der Lammrücken stammt vom Gutshof Polting aus Bayern, wo die Tiere seit fünf Generationen artgerecht aufgezogen werden. Das Fleisch ist stark, aber nicht zu stark gegrillt, so gibt es kräftige Röstaromen und verschiedene Garstufen, innen ist das Lamm zart, außen aber schön kross – perfekt. Das Poltinger Fleisch schmeckt nur ganz dezent nach Lamm, dazu gehen Sellerie in einem Macaron, Limette und eine kräftige Jus die perfekte Kombination ein. Ein toller Hauptgang, was in der Gourmetgastronomie gar nicht zu häufig anzutreffen ist, oft sind es die Vorspeisen, die überragen.

Floral und wunderschön endet das Menü mit den Desserts: Einem Mango-Cocosnuss-Sorbet mit Petersilie folgt ein Knusper mit vielen Rhabarber-Elementen, kleinen Roiboos-Tupfen und cremiger Dulcey-Schokolade – da liegt der Frühling auf dem Teller. Dazu serviert Scharrer ein Gläschen eines Rhabarber-Cocktails mit Eiweißschaum – eine tolle Idee.

Nach dem Abendessen stellt sich hier ein sehr wohliges Gefühl ein: Das Ehepaar Scharrer kennt ihre Produzenten – und ihre Klientel gleichermaßen. Hier am Meer wollen die Gäste keine komplizierten Menüs, sondern einfach zugänglich, hübsch angerichtete und klassisch gekochte Gänge – und genau das liefert das Courtier auf eine geradezu perfekte Art und Weise.