„C’est si bon“ dudelt es fröhlich von der noch dunklen Bühne. Das Lied kommt als musikalisch getreue Einstimmung auf die Komödie „Und das ist gut so!“ wie gerufen. Ein bedeutsamer Titel, bei dem es bei den meisten Gästen klingeln dürfte. Der Spruch des ehemaligen Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit („Ich bin schwul, und das ist auch gut so“) wurde vor über 20 Jahren zum geflügelten Wort.

Damit spielt René Heinersdorff genüsslich in seinem jüngsten Stück, das im Theater an der Kö Premiere feierte. Klischees werden auf den Kopf gestellt und ins Gegenteil verkehrt. Der verwegene Denkansatz des Autors: Was passiert, wenn ein verheirateter schwuler Mann sich in eine Frau verliebt und sein Lebensmodell dadurch komplett ins Wanken gerät?

Genau damit muss sich Bernd auseinandersetzen. Stephanie, eine seiner Segelschülerinnen, weckte bei ihm überwältigende Gefühle, mit denen er nicht rechnen konnte. Seit 100 Tagen kosten sie ihre Liebe aus. Für Bernd schmeckt sie bittersüß. Während die quirlige Stephanie (Yael Hahn) mit Schmetterlingen im Bauch von einer gemeinsamen Zukunft träumt, gerät der bedächtige Bernd (Claus Bruchhäuser) mehr und mehr in Verwirrung und Bedrängnis. Die Gewissensbisse gegenüber seinem Ehepartner Max (Tilman Rose) wiegen schwer. „Ich bin verheiratet“, wehrt er den Überschwang seiner Geliebten ab. „Ich doch auch“, kontert die zweifache Mutter. Pragmatisch schlägt sie Trennungsgespräche vor. „Wo ist das Problem? Es gibt wundervolle Patchwork-Familien.“

Ach, wenn es doch so einfach wäre. Denn bisher hat er Stephanie verschwiegen, dass er mit einem Mann zusammenlebt. Erschwerend kommt hinzu, dass seine Mutter und seine Schwiegereltern das verheiratete Paar von Herzen lieben. Das hat eine Weile gedauert und Kämpfe erfordert, aber jetzt: alles in Butter bei den Söhnen. Perfekte Voraussetzungen, sich um die Adoption eines Kindes zu kümmern.

Damit ist der inhaltliche Rahmen von „Und das ist gut so!“ gesteckt. „Zum Abschied der Saison etwas Leichtes“, versprach René Heinersdorff den Zuschauern zu Beginn des Abends. Und setzte verschmitzt hinzu: „Damit es bekömmlich wird, habe ich es selbst geschrieben.“ Nebenbei verkündete er, der zuletzt wackelige Mietvertrag fürs Theater an der Kö in den Schadow-Arkaden sei allen Unkenrufen zum Trotz verlängert worden, zunächst bis 2027. Applaus im voll besetzten Haus.

Bald lernen wir Gisela kennen, die Mutter von Max. Ein drolliges Persönchen, arglos, gutwillig und liebenswert naiv. Mit der zierlichen Simone Rethel, die schon öfter in Düsseldorf gastierte, ist die Figur perfekt besetzt. Das gilt auch für ihr krasses Gegenteil, die coole, spitzzüngige Mutter von Bernd. Ursula Karven, zum ersten Mal in diesem Theater, spielt sie geschmeidig, lässig und mit sichtlichem Vergnügen. So gegensätzlich die beiden Frauen auch sind, eine sorgenvolle Beobachtung eint sie: Bernd sei so ernst geworden, etwas müsse ihn belasten. Gemeinsam mit Max bilden die Mütter ein Tribunal, er solle endlich mit der Wahrheit herausrücken. Was er sich aber nicht traut. Stattdessen wirft er in seiner Verzweiflung eine Steuerstrafverfolgung, die ihm zusetze, in die Debatte.

Als Stephanie auf der Bildfläche erscheint und wild entschlossen ebenfalls Aufklärung fordert, sind wir bei einem Heinersdorff-Markenzeichen angelangt – einer Steilvorlage für Missverständnisse, die er schon in mehreren Stücken nutzte. Das Muster: Verschiedene Personen reden von verschiedenen Dingen und damit immer haarscharf aneinander vorbei. Begriffe und Bezüge, gern auch zweideutig bis schlüpfrig, werden nicht klar benannt, nur das Publikum hat den Durchblick. Diese Passagen stacheln die Zuschauer zu schallendem Gelächter an, in Wellen verbreitet sich ansteckender Frohsinn durch den Saal. Dass nicht jeder Gag jeden Geschmack trifft, macht da schon nichts mehr aus. Die Pointen, die insbesondere Simone Rethel voller Harmlosigkeit ausstreuen darf, sind auf jeden Fall spaßig.

Entgeistert sind die Reaktionen, als die Realitäten irgendwann ans Licht kommen und Bernd und Stephanie als Liebespaar enttarnt sind. „Kann man da nichts machen, das ist doch nicht normal“, stöhnt Mutter Gisela und klagt ihren Schwiegersohn an: „Du bist übergelaufen!“ Zu den Stärken des unterhaltsamen Stücks gehört die Umkehr des vermeintlich Üblichen. Schwule sind hier die Spießbürger, alle anderen wollen nicht abrücken von ihrem Glauben an das bisher so glückliche Männerpaar. Der abtrünnige Sohn wird wegen seines sexuellen Orientierungswechsels als „Hetero im Homo-Pelz“ gebrandmarkt, man philosophiert über Zugehörigkeit, Identität und Geschlechterrollen. „Ich weiß nicht mehr, wer ich bin, ich möchte einfach wieder schwul sein“, jammert Bernd.

Die Situation ist verzwickter denn je. Das Happy End erscheint da noch in weiter Ferne, stellt sich aber nach einer überraschenden Wendung zuverlässig ein. Ein heikles Thema für den Boulevard, locker verpackt, von William Danne flott inszeniert und von dem fünfköpfigen Ensemble famos gespielt. Rauschender Beifall nach der Premiere.