Trotz des grassierenden Judenhasses in der Hauptstadt ist es dem Berliner Senat nicht gelungen, die im Vorjahr für die Bekämpfung von Antisemitismus eingestellten Gelder auch tatsächlich auszugeben. 3,5 der elf Millionen Euro, die CDU und SPD im Anschluss an das Hamas-Massaker am 7. Oktober für Projekte gegen Antisemitismus und zur Förderung des interreligiösen Dialogs zur Verfügung gestellt hatten, wurden nicht verausgabt.
Das geht aus einem Bericht der für die Mittelvergabe zuständigen Kulturverwaltung an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt.
Als Ursache dafür, dass rund ein Drittel der Gelder nicht abfließen konnte, gelten organisatorische Hindernisse innerhalb der Kulturverwaltung. Weil es dort bis zur Veranlagung der Mittel durch das Abgeordnetenhaus keine Fachabteilung gegeben hatte, die sich mit der Antisemitismusbekämpfung beschäftigt hatte, mussten zunächst Stellen geschaffen und besetzt werden. Aufgrund einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung verzögerte sich die Besetzung der Leitung der Abteilung. Erst Mitte 2024 war diese wirklich arbeitsfähig.
Oliver Friederici (CDU), der als Staatssekretär den Bereich gesellschaftlicher Zusammenhalt verantwortet, räumte am Donnerstag Fehler ein. „Ja, es ist unglücklich gelaufen“, erklärte er mit Verweis darauf, dass die in der bis dahin zuständigen Sozialverwaltung vorhandenen Strukturen in der Kulturverwaltung erst aufgebaut werden mussten. Vier Stellen seien geschaffen worden, „die mussten aber erstmal besetzt werden“, sagte Friederici.
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Auch die zwei Vergaberunden des extra aufgesetzten „Aktionsfonds zur Unterstützung von Projekten gegen Antisemitismus“ seien „ehrlich gesagt ein bisschen spät losgegangen“. Er zeigte sich „frohen Mutes, dass es dieses Jahr deutlich besser klappt“.
Für Kritik sorgen indes nicht nur die liegengebliebenen Millionen, sondern auch die Verwendung der ausgezahlten Gelder. Weil davon etwa Maßnahmen im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 35. Jahrestag des Mauerfalls oder die Audiodeskription von Theaterstücken für blinde und sehbehinderte Menschen finanziert wurde, wittern Beobachter eine Art Zweckentfremdung.
Man hat den Eindruck, dass das Geld verzweifelt zum Fenster rausgeworfen wurde, um den Druck zu mindern.
Susanna Kahlefeld, religionspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, über die üppigen Zahlungen an die landeseigene Kulturprojekte GmbH
„Wenn man die Liste im Ganzen ansieht, hat man doch den Eindruck, dass das Geld verzweifelt zum Fenster rausgeworfen wurde, um den Druck zu mindern“, sagte Susanna Kahlefeld, religionspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, dem Tagesspiegel am Donnerstag.
Konkret bezieht sich die Abgeordnete auf die üppigen Zahlungen an die landeseigene Kulturprojekte GmbH. Fast eine Million Euro und damit knapp ein Siebtel der ausgezahlten Gelder flossen an die Gesellschaft, die bis dato im Feld der Antisemitismusbekämpfung über keinerlei Expertise verfügte. Weil die Kulturprojekte laut Kulturverwaltung „technische Hilfe bei der Umsetzung des Aktionsfonds“ leistete – sprich Aufgaben der Kulturverwaltung übernahm – wurde mit den Geldern auch deren Arbeit finanziert.
Dass die von den Kulturprojekten organisierten Jiddisch-Kurse im Kulturzug von Berlin nach Breslau den hiesigen Antisemitismus wirkungsvoll bekämpfen, wird von Kahlefeldt und anderen ebenfalls bezweifelt.
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Alexander Freier-Winterwerb, jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und im vergangenen Jahr lautstarker Kritiker des Vorgehens der Kulturverwaltung, zeigte sich zuversichtlich, dass die Verausgabung der Mittel im laufenden Jahr zielgerichteter vonstattengeht.
„Wir sind uns in der Koalition einig, dass wenn die jüdische Community Angebote macht, sich am Kampf gegen Antisemitismus zu beteiligen, diese ausgestreckte Hand auch angenommen und bedacht werden muss“, sagte Freier-Winterwerb.
„Wir müssen da deutlich besser werden und das Geld muss zweckdienlich eingesetzt werden.“ Beides sei koalitionsintern miteinander verabredet worden. Bis zum kommenden Mittwoch können sich Einrichtungen und Initiativen auf Gelder aus dem Aktionsfonds bewerben.