Wie groß der Ärger in der Werder-Mannschaft nach dem 2:2 in Berlin war, das konnte man unter anderem unmittelbar nach Schlusspfiff beobachten. Rechtsverteidiger Mitchell Weiser drosch einen Ball in Richtung Bank, eine erkennbar emotionale Diskussion mit Trainer Ole Werner schloss sich an. Schon vorher – bei der Auswechslung von Angreifer Marvin Ducksch (72. Minute) – war Unbill zu beobachten gewesen, Ducksch schüttelte immer und immer wieder den Kopf. Doch weil er Werner noch abklatschte, war nicht klar, ob er über die Auswechslung sauer war, oder bloß ahnte, was da passieren sollte: Unions Einwechselspieler Laszlo Benes erzielte in der 82. Minute ein Traumtor, glich also aus und verkleinerte damit die Bremer Träume von einer Rückkehr nach Europa auf ihre denkbar kleinste Dimension.

Wie groß diese Träume doch zu Beginn der Partie noch gewesen waren, nach einer der wohl besten Auswärtsleistungen der laufenden Saison. 35 Minuten lang sorgten die Bremer dafür, dass den längst vom Abstieg geretteten Unionern jeder Zugriff auf die Partie fehlte. Nicht nur, aber auch, weil der schottische Angreifer Oliver Burke, 28, erkennbar darum bemüht war, in Köpenick einen guten Eindruck zu hinterlassen. Er wird in der kommenden Saison voraussichtlich beim 1. FC Union spielen, seinen Abschied aus Bremen hat er bereits verkündet, die offizielle Bestätigung seines Wechsels nach Berlin steht noch aus.

FC Bayern gegen RB Leipzig

:Elf Minuten Meisterfeier

Der FC Bayern freute sich schon, doch Yussuf Poulsen durchkreuzt in der vierten Minute der Nachspielzeit die Partypläne: Nach dem wilden 3:3 gegen Leipzig müssen die Münchner sich noch eine Woche gedulden – dann ist immerhin Harry Kane wieder dabei.

SZ PlusVon Sebastian Fischer

Den Bremern gereichte Burkes besondere Motivation in der Anfangsphase zum Vorteil. Burke markierte sein Revier unter anderem durch gesunde Zweikampfhärte gegen Unions Aushilfsinnenverteidiger Kevin Vogt; dann durch die entscheidende Beteiligung an den beiden Bremer Toren.

Die Führung der Hanseaten, sie fiel schon in der zweiten Minute: Burke setzte sich auf der rechten Angriffsseite durch, spielte den Ball durch die Beine von Vogt auf Marvin Ducksch, und dass dessen Direktabnahme im Zentrum des Strafraums bloß am linken Pfosten landete, war für die Bremer nicht schlimm. Den Abpraller drückte der nachrückende Jens Stage kompromisslos über die Linie. In der 15. Minute war Burke wieder beteiligt: Er gewann an der Mittellinie ein Kopfballduell und generierte damit ein Getümmel im Mittelfeld, aus dem Stage als Sieger hervorging. Nachdem der Ball zu Senne Lynen geprallt war, schickte der Belgier den Dänen Stage gen Strafraum – und dieser zog von der Strafraumkante ab. Weil der Ball von Doekhi abgefälscht wurde, landete er unerreichbar für Torwart Rönnow im Winkel.

Der bis dato starke Bremer Burke trifft eine falsche Entscheidung – kurz darauf verkürzt Union

Das Werder-Festival hätte weitergehen können, wieder unter Beteiligung von Burke. Aber: In der 28. Minute traf der Schotte eine falsche Entscheidung. Statt den mitgelaufenen und völlig freistehenden Ducksch zu bedienen, versuchte er es selbst aus 16 Metern. Torwart Frederik Rönnow flog und faustete den Ball fort. Keine zehn Minuten später verkürzte Union durch Linksverteidiger Tom Rothe, der nach einer Flanke von Kapitän Christopher Trimmel hochstieg – und den Ball gegen die Laufrichtung des ausrutschenden Werder-Torwarts Michael Zetterer ins Tor köpfelte. Kurz vor der Pause konnte sich Zetterer bewähren: Wie Rönnow beim Schuss von Burke fuhr Zetterer die Fäuste aus, als Janik Haberer es mit einem Schlenzer probierte.

In den zweiten 45 Minuten sah das Stadion An der Alten Försterei eine andere, weit druckvollere, um Chancen bemühte Union-Mannschaft. Die Berliner schafften es, den Traum von Europa, den die Bremer am Horizont näherrücken sahen, wieder kleiner werden zu lassen. Die besten Gelegenheiten vergaben Benedict Hollerbach, der eine Flanke von Haberer aus bester Position auf Werder-Torwart Zetterer köpfelte (54.), und Andrej Ilic: Er wurde im Strafraum von Hollerbach freigespielt, zog aber aus zehn Metern flach und knapp am Werder-Tor vorbei (69.).

Von der Werder-Offensive im Allgemeinen und Burke im Besonderen war plötzlich nichts mehr zu sehen. Was nicht einmal hieß, dass die Bremer sich in einer Höhle versteckt hätten. Aber richtig präsent waren sie nicht mehr. Rund um die 75. Minute schlug die Stunde der Trainer: Union-Coach Steffen Baumgart wechselte drei-, Werder-Übungsleiter Ole Werner zweifach. Bei Union kamen David Preu, Marin Ljubicic und Tim Skarke für Trimmel, Ilic und Haberer; bei Werder mussten Ducksch und Roman Schmid ihren Kollegen Marco Grüll und Leonardo Bittencourt weichen.

„Ich stand letzte Woche hier und habe den gleichen Mist erzählt“, sagt Kapitän Marco Friedl

Als wichtigste Entscheidung aber entpuppte sich die Einwechslung von Benes, der für Kevin Vogt kam. Nach einer unübersichtlichen Aktion im Bremer Fünfmeterraum legte Rothe den Ball auf Benes ab – und der Mittelfeldspieler traf aus spitzem Winkel: Er zirkelte den Ball mit dem linken Innenrist aus halblinker Position ins rechte obere Dreieck. Es war ein großartiger Schlusspunkt für eine Partie, die zwei Mannschaften, die seit acht (Union) beziehungsweise sechs Spielen (Werder) ungeschlagen sind.

Nur: Für Werder fühlte sich die Partie wie eine Niederlage an. „Du darfst dieses Spiel nicht unentschieden spielen – vor allem in der Phase, in der wir uns befinden“, sagte Kapitän Marco Friedl, „jeder Einzelne ist angefressen, weil du wieder eine fette Chance hattest“. Doch wie in der Vorwoche gegen St. Pauli ließ Werder sie liegen. „Ich stand letzte Woche hier und habe den gleichen Mist erzählt, jetzt erzähle ich ihn wieder. Wir sind einfach zu dumm“, fügte Friedl hinzu.

Allein mit den vier Zählern der letzten beiden Spieltage stünden die Bremer satt auf einem europäischen Rang und sogar in Schlagweite der Champions-League-Plätze. Nun wird es am kommenden Wochenende um die Wahrung kleinerer Illusionen gehen – um die Perspektive einer Conference- oder Europa-League-Teilnahme. Gegen RB Leipzig, das gerade versucht, die Saison durch einen Sprung auf einen der vier vordersten Tabellenplätze zu retten.