Oviedo (Spanien) – Hinter der rosafarbenen Fassade der Villa in Fitoria (Vorort von Oviedo) lebten drei Kinder mit ihren Eltern jahrelang isoliert – abgeschirmt von der Außenwelt, kontrolliert vom eigenen Vater. Niemand durfte das Haus verlassen. Nur das Familienoberhaupt betrat die Terrasse, wenn Lieferanten Dinge des täglichen Bedarfs wie Nahrung, Kleidung und Hygieneartikel brachten.

BILD traf den Supermarkt-Mitarbeiter, der seit 2021 Einkäufe in das abgelegene Haus lieferte. Jede Woche bestellte Vater Christian S. (53) Waren im Wert von etwa 300 Euro – hauptsächlich Wasser, Windeln und Fertigessen.

Christian S. ist promovierter Philosoph – und soll seine Kinder jahrelang eingesperrt und misshandelt haben

Christian S. ist promovierter Philosoph – und soll seine Kinder jahrelang eingesperrt und misshandelt haben

Foto: Privat

Bei der Lieferung öffnete sich das weiße Tor des Grundstücks, der Vater nahm die Einkäufe stets mit aufgesetzter Maske entgegen. Supermarkt-Angestellte David (38): „Er trug immer saubere Kleidung und roch gut.“ Irgendwann, so berichtet er, wechselte die Familie den Supermarkt.

Supermarkt brachte Polizei in Oviedo auf die Spur

Laut „Tele5“ setzte sich die Polizei mit dem Supermarkt in Verbindung, nachdem sich eine besorgte Nachbarin bei der Polizei gemeldet hatte. Die spanischen Beamten stellten fest, dass die Einkäufe zu groß für eine Person waren, Hygieneartikel für Frauen und wohl Windeln für Kinder enthielten, die sie tragen mussten, weil der Vater Toilettengänge limitierte.

Das malerische Haus, das für die Kinder zum Gefängnis wurde

Das malerische Haus, das für die Kinder zum Gefängnis wurde

Foto: Fabian Matzerath/BILD

Am 28. April rückte die Polizei dann mit einem Durchsuchungsbeschluss an.

Im Haus führte der Vater ein strenges Regiment

Christian S. (53), promovierter Philosoph aus Hamburg, präsentierte sich nach außen als IT-Profi im Homeoffice – in Wahrheit sperrte er seine Kinder (8, 8, 10) laut Polizei im Haus ein. Seine Familie tauchte bei den spanischen Behörden gar nicht erst auf.

Drinnen herrschte offenbar ein rigides Hygiene-Regime: Nur Pyjamas und Anti Rutsch-Socken waren erlaubte Kleidung für die Kinder, so Ermittler gegenüber „El Espanol“. Masken, Verbandsmaterial und Luftreiniger lagen überall herum – das Haus glich eher einem Labor als einem Zuhause. Als Ermittler die Kinder befreiten, trugen sie drei Corona-Masken übereinander.

In diesen vergitterten Betten schliefen offenbar zwei der Kinder. Auf das Holz ist eine Fratze gemalt

In diesen vergitterten Betten schliefen offenbar zwei der Kinder. Auf das Holz ist eine Monster-Fratze gemalt

Foto: Polizei

Ein mögliches Motiv? Die übersteigerte Angst des Vaters vor Krankheit – eine Paranoia, die mit der Corona-Pandemie ihren Lauf genommen haben könnte.

„Ich dachte, dort würde niemand leben“

Dass überhaupt jemand in dem Haus mit den heruntergelassenen Rollläden wohnt, war für Nachbarn ein Schock: „Ich dachte, dort würde niemand leben“, so Marino Guardado (68) zu BILD.

BILD-Reporter Tim Specks im Gespräch mit Marino Guadardo (68, li.), der in der Nachbarschaft des Horror-Hauses wohnt

BILD-Reporter Tim Specks im Gespräch mit Marino Guadardo (68, l.), der in der Nachbarschaft des Horror-Hauses wohnt

Foto: Fabian Matzerath/BILD

Guardado wohnt oberhalb des Hauses. Er merkte, wie die meisten Nachbarn, nichts vom Schrecken: „Wäre mir etwas aufgefallen, hätte ich sofort die Polizei gerufen. Aber es ist ja nichts passiert auf dem Gelände.“

Und weiter: „Seit die Familie dort eingezogen ist, hat man nie jemanden von ihnen draußen gesehen. Ich bin traurig, dass so etwas 30 Meter von meinem Haus aus passieren konnte.“

Am 28. April lieferte der Supermarkt noch Waren

Dass sein System aus Misstrauen, Kontrolle und Strafe auffliegen könnte, dachte Christian S. anscheinend nicht – am Tag der Hausdurchsuchung versuchte ein Lieferant eine weitere Lebensmittel-Bestellung zuzustellen. Annehmen konnte der Vater sie nicht.

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