4. Die Fabrik

Gründer der heutigen „Fabrik“ war Fürchtegott Albert Voigt, der 1860 in einer Werkstatt anfing Stickmaschinen zu bauen. 1867 zog er nach Chemnitz-Kappel, wo sein Unternehmen schon bald als „Sächsisches Stickmaschinenwerk“ firmierte, dann als „Maschinenfabrik Kappel AG“. Das Sortiment reichte von Werkzeugmaschinen, Strumpfwirkstühlen bis hin zu Dampfmaschinen. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden auch Schreibmaschinen produziert, unter dem Markennamen „Diamant“. Während des Zweiten Weltkriegs baute die Kappel AG Rüstungsgüter. Enteignet wurde daraus der VEB Maschinenfabrik Kappel. Auf dem Gelände befand sich auch der VEB Schleifmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt, seit den 50er-Jahren Alleinhersteller von Wälzlagerschleifmaschinen. Das Werk galt mit seinen nummerisch gesteuerten Maschinen als hochmodern. Nach der Wende wurde das Unternehmen privatisiert und stellte die Produktion an diesem Standort ein.

Seit 2024 dient „die Fabrik“ als modernes Zentrum für Kulturevents und Sport. Es gibt einen Fitnessbereich, gemeinschaftlich genutzte Büros, eine Dachterrasse mit Bar sowie Räume für kreative Nutzung – ein herausragendes Beispiel gelungener Transformation.

5. Die Wandererwerke

Die Wandererwerke gingen aus einer kleinen Fahrradwerkstatt hervor. Ab 1895 bauten ca. 250 Beschäftigte Fahrräder und Fräsmaschinen. Unter dem neuen Firmennamen „Wanderer AG“ kamen bald Motorräder, Automobile und Büromaschinen hinzu. 1917 entstand der viergeschossige Stahlbeton-Skelettbau, der viel Raum für bis zu 9.500 Beschäftigte im Jahre 1939 bot. Seit 1926 wurde die Maschinen- und Autofabrikation nach Chemnitz-Siegmar verlagert. 1949 gingen die Wandererwerke in Volkseigentum über, zum VEB Büromaschinenwerk, später VEB Industriewerke Karl-Marx-Stadt. Produziert wurden Flugzeugmotoren, Hydraulikpumpen- und -anlagen, aber auch Büromaschinen. Reprivatisiert als „Sachsenhydraulik GmbH“ erfolgte bald nach der Wende ein Verkauf an ein amerikanisches Unternehmen. In den 90er-Jahren gab es Bemühungen, in den Wandererwerken an der Zwickauer Straße das neu gegründete Industriemuseum unterzubringen, was sich zerschlug. Seitdem sucht die Stadt nach einer sinnvollen Nutzung.

6. Die Strumpffabrik Moritz Samuel Esche

Der Ende des 17. Jahrhunderts geborene Unternehmer Johann Esche aus Limbach gilt als Begründer der Strumpfindustrie in Sachsen. Bald nachdem das Familien-Unternehmen 1870 nach Chemnitz zog, expandierte es. In dieser Zeit entstand auch das prächtige Fabrikgebäude Am Walkgraben 29 mit Eisenbahnanschluss. Der wie eine Kirche anmutende Bau besaß noch Holzdecken. Das Rautendekor der Fassade aus roten und gelben Klinkern erinnert an Strumpfmuster.

Um 1900 war die „Strumpffabrik Moritz Samuel Esche“ die größte in Deutschland. Abnehmer waren vor allem die neuen großen Kaufhäuser. Allerdings ging der Absatz während der Weltwirtschaftskriese stark zurück. Sie leutete das Ende des Unternehmens ein.

 Die Unternehmensleitung residierte in einer 1903 von Henry van de Velde errichteten Jugendstil-Villa. Die Esche-Villa ist ebenfalls Station der Industriekultour. Das bis 2001 restaurierte Ensemble gilt als einzigartiges Baudenkmal, wie auch die Strumpffabrik. Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Firma wurde nicht wiederaufgebaut. Das erhalten gebliebene Fabrikgebäude diente als Lager. Heute beherbergt sie ein medizinisches Versorgungs-und Rehazentrum.

7. Das Straßenbahndepot Chemnitz Kappel

Wer sehen will, mit welcher Schmalspurweite die erste Chemnitzer Tram als Pferdebahn betrieben wurde, muss sich die alten Gleise und Triebwagen im ehemaligen Betriebshof Kappel anschauen. Heute fährt die Straßenbahn in Chemnitz auf Normalspur, sodass sie auch in den Hauptbahnhof einfahren kann. Das Depot wurde 1880 in Betrieb genommen und umfasste damals auch Pferdeställe. 1894/95 begann die Elektrifizierung, und es wurden neue Hallen gebaut. Das historische Depot beherbergt heute ein Museum für Straßenbahnen und Busse, das die Entwicklung des ÖPNV in Chemnitz zeigt. Im ehemaligen Betriebshof der Chemnitzer Verkehrs-AG wurde kürzlich der sogenannte Garagen-Campus eröffnet – eine Interventionsfläche der Kulturhauptstadt Europas. Hier entsteht ein Ort der Begegnung und des kulturellen Austauschs, mit der Dauerausstellung „#3000Garagen“.

8. Der Wirkbau

Der Grundstein für den Wirkbau wurde 1883 gelegt, nachdem sich der Kaufmann Carl August Schubert und der Maschinenbauer Franz Bruno Salzer als Besitzer einer Werkstatt für Strumpfwirkmaschinen ins Handelsregister von Chemitz eintragen ließen. Auf dem Areal an der Lothringer Straße jenseits der Bahntrasse Zwickau-Chemnitz entstanden immer neue Werksgebäude. Wahrzeichen ist ein 63 Meter hoher Glockenturm aus dunklen Klinkern, bekrönt von einer dekorativen Zinne. Der vom Architekten Erich Basarke 1928 im Rahmen einer Firmenerweiterung errichtete Turm wirkt wie ein Campanile und ist Zeugnis des unternehmerischen Selbstbewusstseins der Zeit.

Die Schubert & Salzer Maschinenfabrik AG baute als größtes derartiges Unternehmen bis zu 130.000 Wirkmaschinen im Jahr. Als VEB Wirkmaschinenbau blieb das Werk in Karl-Marx-Stadt zu DDR-Zeiten führender Hersteller von Textilmaschinen. 1990 wurde der Betrieb in eine GmbH überführt, jedoch bald darauf abgewickelt. Heute beherbergen die ehemaligen Fabrikgebäude im Industriepark Wirkbau etwa 50 kleinere Unternehmen, gastronomische Einrichtungen sowie Räume für Startups und Künstler – ein herausragendes Beispiel für die kreative Umnutzung eines Industriedenkmals.

9. Hochgarage

Chemnitz war in den 1920er-Jahren eine Stadt des Fahrzeugbaus. Autos wie der Wanderer galten nicht nur als Symbole des Fortschritts, sondern auch des wirtschaftlichen Erfolgs. Da es jedoch in der damals dicht bebauten Stadt an Parkplätzen mangelte, wurde 1928 an der Zwickauer Straße eine Hochgarage aus Stahlbeton mit sieben Geschossen und Aufzügen für die PKW errichtet. Die wenigsten Fahrzeugbesitzer steuerten ihre Wagen selbst, was auch körperlich anstrengend war, aufgrund der noch nicht erfundenen Servolenkung. So baute man neben der Hochgarage auch eine Herberge für Chauffeure. Die damaligen „Stern-Garagen“ gelten als älteste erhaltene Hochgarage in Deutschland und beherbergen seit 2008 das von einem Verein geführte Museum für sächsische Fahrzeuge.

10. Schönherrfabrik

Die ehemalige Schönherrfabrik ganz im Norden von Chemnitz liegt an einem malerischen Park mit Teich, benannt nach dem Begründer der seriellen Produktion von Webstühlen, Louis Ferdinand Schönherr. Mit einem Startkapital von 7.000 Talern begannen Schönherr und sein Kompagnon Ernst Seidler 1851 die Produktion. Die Maschinenfabrik Schönherr & Seidler in Altchemnitz besaß eine eigene Gießerei und sogar eine Betriebsfeuerwehr. Doch um 1862 gingen die Unternehmer eigene Wege. Schönherr erwarb die Benndorfsche Fabrik und wandelte das erweiterte Unternehmen 1872 in eine Aktiengesellschaft um. Die Sächsische Webstuhl AG existierte bis 1945, musste nach Kriegszerstörungen und fast vollständiger Demontage durch die SMAD wieder aufgebaut werden. Als VEB Webstuhlbau Karl-Marx-Stadt gehörte das Werk zum VEB Kombinat Textima. Produziert wurden vor allem Doppelteppichwebmaschinen. Nach der Wende übernahm ein Pritvatunternehmer das Areal. Seit 1998 wird die Schönherrfabrik saniert. Neben kleineren Maschinenbauern nutzen bspw. Gastronomen und Veranstalter die denkmalgeschützten Fabrikgebäude für Events.

Redaktionelle Bearbeitung: Jessica Conrad