Konservative Kräfte gewinnen an Macht

Was bedeutet das Urteil für Deutschland? Diese Frage beantwortet Jacob Bloomfield von der Universität in Konstanz im Interview mit MDR AKTUELL. Bloomfield forscht am Zukunftskolleg als Historiker zu Gender und Sexualität: „Im gesamten Westen erleben wir einen Rückzug, wenn es um Transgender-Rechte und -Inklusion geht. Vermeintlich sozialliberale Politiker schweigen zunehmend oder wiederholen sogar konservative Argumente zu Transgender-Themen.“ Das sei vor zehn Jahren noch seltener vorgekommen.

Die kürzliche Verabschiedung des deutschen Selbstbestimmungsgesetzes war ein Lichtblick inmitten des internationalen Rückzugs in Sachen Trans-Rechte, sagt Bloomfield weiter. „Man fragt sich jedoch, ob linke Parteien angesichts des Aufstiegs des Gender-Konservatismus in naher Zukunft bereit sein werden, politisches Kapital im Namen der Trans-Rechte zu investieren.“

Das bestätigt auch Georgine Kellermann. Sie ist eine der bekanntesten trans Frauen in Deutschland. Die Journalistin und Autorin hatte mit über 60 Jahren ihr Coming out als trans und hat ein Buch über ihren Lebensweg geschrieben. Sie sagt, dass vor allem der Pride-Month in der aktuellen Zeit immer wichtiger werde: „Weil wir einen wahnsinnigen Backlash erleben. Politische Kräfte, die marginalisierten Gruppen und queeren Menschen ihre Existenz nehmen wollen, gewinnen an Macht.“

Rechte von Transgender in Deutschland

Es sei zwar nur eine kleine Gruppe, die Transmenschen ablehne, die allerdings sehr laut und durchaus finanzstark sei, sagt Kellermann und fügt an: „Lasst uns cool bleiben, trotz allem. Und lasst uns auf den kommenden Paraden, egal wo, zeigen, wer wir sind und dass wir niemandem etwas tun.“

„Die ganzen Schreckensszenarien, die von Kritikern vom Selbstbestimmungsgesetz aufgemacht wurden, sind nicht eingetreten. Frauen sind nicht unsicherer in Deutschland. Es gibt keine Übergriffe, die sich auf das Selbstbestimmungsgesetz zurückführen lassen“, betont ebenso Hümpfner.

EMMA-Autorin Chantal Louis spricht sich hingegen dafür aus, dass das Selbstbestimmungsgesetz wieder abgeschafft wird. Das sagt die Journalistin im Gespräch mit MDR AKTUELL kurz nach Bekanntwerden des Urteils aus Großbritannien.