In schwarzem Anzug, die Jacken mit langen Aufschlägen, auf dem Kopf ein glänzender Zylinder. So zieht der Vorstand der Werstener Schützen 1927 zum Festzelt. Angeführt wird die Abordnung mit Ehrengästen von Regimentskönig Johann Dierdorf. Er trägt eine Königskette, die aber lediglich drei silberne Königsmedaillen hat. Doch schließlich ist der St. Sebastianus Schützenverein in jenem Jahre gerade mal zwei Jahre alt, bestreitet erst sein drittes Schützenfest.

Das gealterte Foto ist ein Ausstellungsstück von letztlich Tausenden, die der Schützenverein in seinem Archiv zusammengetragen hat. Jetzt, auch aus Anlass des Jubiläumsjahres zum 100-jährigen Bestehen, haben die Schützen mal wieder ihre Sammlung für jedermann geöffnet. Im Keller des Kindergartens an der Opladener Straße präsentiert sich den Besuchern ein wahres Schützenmuseum. Das Foto aus den 1920er-Jahren haben auch zwei Besucherinnen näher in Augenschein genommen. „Schau´ mal“, sagt die eine, „wie viele Leute damals an der Straße standen.“ Wo genau in Wersten dieses Defilieren der Honoratioren stattfand, war allerdings nicht genau ergründbar.

Bei einem Bild, das etwas später 1932 entstand, ist es eindeutig. Die damals neue Gesellschaft Artillerie zeigt sich mit festlich geschmückter Kutsche und imposanten Kaltblütern vor der Gartenwirtschaft Theo Kuth. In der kopfsteingepflasterten Kölner Landstraße sind die Straßenbahnschienen zu sehen. Das große Backsteingebäude, dessen Fenster reich verzierte Bögen hatten, musste aber irgendwann weichen. „Ja“, bestätigt Archiv Peter Neuhausen das, was auch in der Bildzeile festgehalten ist: „Heute ist da die Shell-Tankstelle.“ Das Archiv zeigt nicht nur die Historie des Schützenvereins, sondern auch den Wandel des Stadtteils und in der Gesellschaft. Gebäude verschwinden, neue kommen hinzu. In den 1970ern ist alles bunt und poppig, die Haare länger, aber auf den Fotos der 1990er-Jahre wieder gekürzt.

Auf knapp 50 Quadratmetern wird die nunmehr 100-jährige Geschichte präsentiert, mit unzähligen Fotos, Pokalen, Orden, Auszeichnungen und Plakaten. Die Schwierigkeit sei es von Anbeginn gewesen, die vielen Stücke zuzuordnen. Erst das aber mache ihre Ausstellung interessant, wenn sich beschreiben lässt, wer mal was getragen hat, so sieht es Neuhausen. In einer Vitrine sind zahlreiche Orden sorgsam mit den Namen ihrer einstigen Träger versehen, unter anderem den Regimentskönigen der 1960er-Jahre. Auch ein Prinzenorden aus der Saison 1982/83 ist darunter – von Michael Schulz. Heute ist das der 1. Chef der Schützen. „Ich erinnere mich noch“, meint Schulz, dessen Haus bald wieder zum Schützenfest, das am letzten Mai-Wochenende stattfindet, bekränzt sein wird. Er, wie der gesamte Verein sind dankbar für das Archiv. Heute ist es so etwas wie Herz und Seele des Schützenlebens.

Im Jahr 2000 hatte der erste Archivar Harald Schneider die Sammlung begonnen, in diesem Kellerraum, der mal eine Kegelbahn beherbergte und Teil des Vereinsheims war. Peter Neuhausen ist seit 2017 im Amt. Und noch immer sind zahlreiche Kisten nicht ausgepackt. „Aber wir haben nun mal einen begrenzten Platz.“ Daher treibt er ein weiteres Projekt voran: das Archiv zu digitalisieren. Schon gibt es auf der Homepage erste Archivbilder zu sehen, die einen Eindruck von der Sammlung vermitteln, aber auch schon einige der im Verein getragenen Uniformen vorstellen.

Aber es bleibe das Problem, die Fundstücke zuzuweisen, meint Neuhausen. In der Ausstellung gibt es eine Vitrine, die vollsteht mit Fotoalben. Michael Schulz greift eines heraus: Bilder aus den 1950er-Jahren vermutlich, aber darauf erkennt er niemanden wieder und auch einige Straßenzügen wirken eher fremd. Da ergeht es einer Besucherin deutlich besser. Die Frau betrachtet eine Zeit lang ein älteres Gruppenfoto, das rund ein Dutzend Herren in gedeckten Anzügen zeigt. Dann ist sie sich offenbar sicher, wendet sich an ihren Mann: „Da, der Zweite von links, das ist tatsächlich mein Großvater.“