Wir sind keine Stadt von Losern. Wir können viel und wir zeigen es auch, aber wohl nicht deutlich genug, sodass andere – hier vorzugsweise Menschen außerhalb Berlins – das Gefühl haben, wir schaffen es eh nicht. Dabei haben wir es doch immer wieder bewiesen.

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Ein Beispiel: In Berlin haben wir im Februar 1993 die erste Tafel Deutschlands gegründet. Heute sind es 975 Tafeln bundesweit. Nach unserem Vorbild entstanden viele in Österreich und in der Schweiz. Und gerade aus den Erfahrungen der letzten 32 Jahre Tafelarbeit leiten sich für mich viele Visionen ab, die es gilt, bis 2030 zu erreichen:

Sabine Werth gründete die Berliner Tafel und ist seither die ehrenamtliche Vorsitzende des Vereins.

Keine Lebensmittelverschwendung mehr – weder im Handel, noch in den Privathaushalten. Die Bestrebungen hierzu sind sehr vielversprechend, aber es gibt nach wie vor viel zu tun.

Gutes Essen für alle muss ein gesellschaftlicher Anspruch sein, der uns alle betrifft und Ansporn sein sollte. Das Recht auf angemessene Ernährung ist ein Menschenrecht. Es ist in Artikel elf Absatz eins des UN-Sozialpakts verankert und von der Bundesrepublik mitunterzeichnet.

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Weniger Armut, denn in Artikel elf geht es auch um einen „angemessenen Lebensstandard“. Keine Armut halte ich im Kapitalismus leider für ausgeschlossen. Aber die finanzielle Unterstützung aller Altersgruppen, zunehmend aber von Senior*innen, ist nicht nur denkbar, sondern muss zur moralischen und praktischen Maxime werden.

Einkommen, das die Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ermöglicht. Gerechtere Einkommensverhältnisse durch einen angemessenen Mindestlohn.

Höhere Besteuerung von Einkommen ab 100.000 Euro Jahreseinkommen und Aufhebung des Ehegattensplittings. Die Schere zwischen „oben“ und „unten“ geht immer weiter auseinander. Inzwischen ist das DIE Binsenweisheit schlechthin. Aber nur darüber zu klagen, bringt uns keinen Schritt weiter. Entweder sollten wir uns auf das Experiment „Bedingungsloses Grundeinkommen“ einlassen, und davon sind wir mit einer Regierung, die als Erstes das Bürgergeld abschaffen, einfrieren, einschränken, verschärfen oder was sonst noch Menschenverachtendes plant, weit entfernt. Oder wir sollten dafür sorgen, dass reiche Menschen in unserem Land stärker zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen. So ist der Plan, die Mehrwertsteuer zu senken, vor allem ein Geschenk für Menschen, die sich ihren Einkauf leisten können. Wer ab der dritten Woche eines Monats kein Geld mehr hat, hat auch nichts von einer niedrigeren Steuer. Die Einsparungen für armutsbetroffene Menschen wären hier im sehr niedrigen Eurobereich.

Serie „Berlin 2030“

In unserer neuen Serie „Berlin 2030“ wollen wir konstruktive Lösungen für die Herausforderungen der Hauptstadt finden und dabei helfen, positiv in die Zukunft zu schauen. Dafür sprechen wir mit Vordenkerinnen und Visionären, mit Wirtschaftsvertretern, mit Kulturschaffenden, mit Stadtplanern, mit Wissenschaftlerinnen und Politikern.

In Gastbeiträgen fragen wir sie nach ihrer Vision für Berlin. Wie soll Berlin im Jahr 2030 aussehen? Welche Ideen haben sie für die Zukunft unserer Stadt? Und welche Weichen müssen dafür jetzt gestellt werden?

Die Beiträge der Serie stammen unter anderem von Kai Wegner, Renate Künast, Sigrid Nikutta, Ulrike Demmer, Tim Raue, Mo Asumang und Christian Schertz. Alle bisher erschienen Beiträge finden Sie hier.

Am 28. April ab 19.30 Uhr stellen wir die Vorschläge aus der Serie in einer Veranstaltung mit Podiumsdiskussion im Deutschen Theater vor. Tickets gibt es unter veranstaltungen.tagesspiegel.de.

Sie haben auch eine Idee? Schicken Sie uns Ihre Vorschläge an: checkpoint@tagesspiegel.de.

Zur Bildung sollten alle in einer gerechten Gesellschaft Zugang haben und dafür jede Form der Unterstützung erhalten. Corona hat uns deutlich vor Augen geführt, wie schnell unser Schul- und Unisystem aus den Fugen geraten kann. Wenn die räumlichen und familiären Stützen wegfallen, gerät so manches ins Wanken.

Die Familien sollen vom Staat so unterstützt werden, dass Bildung für alle keine leere Worthülse ist. Kitas, Schulen und Universitäten müssen so ausgestattet sein, dass die bestmögliche Förderung machbar ist. Eine schöne Vision wäre auch, wenn endlich wieder Kinder- und Jugendzentren existieren könnten und nicht von staatlichen Streichungsprogrammen betroffen würden. Die Gangs auf den Straßen sind auch Ausdruck der derzeitigen Nichtversorgung von Kindern und Jugendlichen am Nachmittag. Wenn eine Gesellschaft keine Angeboten schafft oder finanziert, ist es nicht verwunderlich, wenn sich die jungen Menschen eigene Alternativen für die Freizeitgestaltung suchen.

Ausbildungsplatzförderung: Firmen sollten durch die Politik dahingehend unterstützt werden, dass es ihnen stärker möglich ist, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Gut ausgebildete junge Menschen sind die beste Voraussetzung für eine gelingende Gesellschaft.

Mehr Visionen für Berlin 2030 Ex-Kultursenator Klaus Lederer „Die Stadt der Freiheit als Demokratielabor“ Julian Breinersdorfers Vision für Berlin 2030 „Wohnraum für viele Hunderttausende“ Monika Grütters‘ Vision für Berlin 2030 „Experimentierfeld für Zusammenhalt in Vielfalt“

Alle diese Visionen sind derart überschaubar, dass sie problemlos bis 2030 umgesetzt werden könnten. Hierzu gehört nur der politische Wille, den ich leider allzu oft vermisse. Das Lieblingsargument in der Politik lautet in aller Regel „Dafür ist mein Haus nicht zuständig“, oder auch „Die Legislatur ist bald vorbei, darum muss sich die nächste Regierung kümmern“. Wir haben nur noch fünf Jahre bis 2030. Wann, wenn nicht jetzt, sollte die Zukunft beginnen?