Mit einem Festakt im Veranstaltungssaal des Kulturbahnhofs sind am Samstag der Schubart-Literaturpreis und der Förderpreis der Kreissparkasse verliehen worden. Das sagten Preisträger Christoph Peters und Förderpreisträgerin Grit Krüger in ihren Dankesworten.
Aalens großer und auch unbequemer Sohn Christian Friedrich Daniel Schubart selbst hat sich, so betonte Oberbürgermeister Frederick Brütting in seiner Begrüßung, als einen Menschen bezeichnet, „der die Wahrheit derb sagt“. Die Preisverleihung war deshalb am Internationalen Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, bestens aufgehoben. Seit exakt 70 Jahren verleiht die Stadt diesen mittlerweile mit 20.000 Euro dotieren Preis. An Aktualität hat der Preis nichts eingebüßt.
Ein Roman mit juristischer Geschichte
Und beide Preise gingen an Personen, die das bestätigten. Ein Abend also ganz im Sinne Schubarts. Zum Beispiel Autor Christoph Peters, der für seinen Roman „Innerstädtischer Tod“ (Luchterhand) den Hauptpreis bekam. In ihrer Laudatio ging Anne-Dore Krohn, seit 2019 Jurymitglied und Literaturkritikerin des rbb Kultur, nicht nur auf die Inhalte und den literarischen Wert des Romans, letzter Teil einer Trilogie, ein, sondern auch auf dessen juristische Geschichte.
Denn die hat der Roman, der sich – unter anderem – um ein fiktives Berliner Galeristen-Ehepaar dreht. Ein tatsächliches Berliner Galeristen-Ehepaar habe, so erzählte Krohn, bei der Lektüre festgestellt: „Das sind doch wir!“. Und es habe dem Paar nicht gefallen, was es da gelesen habe. Das Paar strebt ein Verbot des Buches an.
Dem Buch drohte ein Verbot
Zwei Hamburger Gerichtsurteile haben mittlerweile entschieden, dass Peters die Grenzen der Literatur nicht überschritten habe, wobei Krohn Wert darauflegte, dass die Entscheidung der Aalener Jury vor diesen Urteilen gefallen sei. Dem Buch drohte und droht ein Verbot wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Ob man nun dabei gleich die großen Worte „verbotene Bücher“ und „Zensur“ herbeiholen muss, sei mal dahingestellt, schließlich hat in der aktuellen Geschichte bisher niemand – wie Schubart – um Freiheit und Leben fürchten müssen.
Den Verkaufszahlen, das gab Krohn unumwunden zu, habe es gutgetan. „Verbotene Bücher haben eine bessere Rendite als viele Aktien oder ETFs“, sagte sie. „Welcher Autor kann schon von sich sagen, dass sich ein ganzes Gericht in Leseklausur begibt, um dessen Buch zu lesen.“ Wie Schubart im Jahr 1777, so habe man nun Peters auf württembergischen Boden gelockt, um ihm den Preis zu übergeben.
Christoph Peters schafft welthaltige Literatur, die das Knirschen der Zeit einfängt.
Laudatorin Anne-Dore Krohn über den Preisträger
„Peters schafft welthaltige Literatur, die das Knirschen der Zeit einfängt“, fasst Krohn zusammen. Ja, das hätte Schubart gefallen, in seine Stammkneipe „Bierhalle“ hätte er auf einen solchen Satz sicher lauthals lachend angestoßen.

Preisträger Christoph Peters im Gespräch mit Aalens Oberbürgermeister Frederick Brütting. (Foto: Ansgar König)
In seiner Dankesrede nahm Peters ebenfalls Bezug auf Schubart. Die Zensur, wegen der Schubart zehn Jahre auf dem Hohenasperg gesessen habe, sei aus dem Repertoire der Herrschenden keineswegs verschwunden. Er freute sich, dass der Verlag Luchterhand „zu unserem Buch“ stehe, denn der laut Peters unbeabsichtigte juristische Wirbel um das Buch habe Mut verlangt und sei keineswegs spurlos an ihm vorübergegangen.
Einblick in die literarische Werkstatt
Das Aalener Festpublikum ließ er deshalb einen Blick in seine literarische Werkstatt werfen. Wie entstehen Protagonisten und Protagonistinnen? Warum tun sie, was sie tun? „Ich weiß es nicht“, gab er zu.
Komplexe Familienaufstellung
Letztendlich sei sein Buch nichts anderes als ein komplexe Familienaufstellung und kein Enthüllungs- oder Me-too-Roman. Literarisch führen die Figuren ein Eigenleben, „sie entsprechen nicht meinen privaten moralischen Vorstellungen oder politischen Maximen“. Kleinste Veränderung beeinflussen das Gesamttableau. „Das sind die Konflikte, aus denen Schriftsteller Geschichten destillieren“, so Peters.

Erhielt für ihre Romandebüt „Tunnel“ den Schubart-Förderpreis der Kreissparkasse Ostalb. (Foto: Ansgar König)
KSK-Förderpreis für Krügers „Tunnel“
„Tunnel“ heißt das Romandebüt von Grit Krüger, die dafür den mit 7500 Euro dotierten Schubart-Förderpreis der Kreissparkasse Ostalb, übergeben vom Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Ostalb, Markus Frei, erhielt. Kein Wunder, dass Stefan Kister, seit 2015 Jury-Mitglied und Literaturkritiker der „Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten“, als erstes einen „irrwitzigen Tunnel“ in seiner Heimatstadt ins Gespräch brachte. Denn auch die Romanfiguren stoßen im Lauf der Handlung auf ein „gewaltiges Ding aus Stahl tief unten in der Erde“.
Freiheit muss immer wieder neu verhandelt werden. Da bleibt es nicht aus, dass etwas zu Bruch geht.
Förderpreisträgerin Grit Krüger
Aber in Krügers Roman geht es nicht um Stuttgart 21, sondern um den „Souterrain der Klassengesellschaft“, so Kister, „ohne Mitleid und ohne etwas zu beschönigen.“ Ein rebellischer Tagtraum um die alleinerziehende Mutter Mascha in einem „freien Spiel der Sprache“. Kister: „Grit Krüger zeigt uns, wie dünn der Boden ist, auf dem wir uns bewegen.“
„Bruchstücke der Gegenwart“
Es gehe um Trümmer, um „Bruchstücke der Gegenwart“, erläuterte die Autorin in ihrer Dankesrede: „Freiheit muss immer wieder neu verhandelt werden. Da bleibt es nicht aus, dass etwas zu Bruch geht.“ Freiheit, Würde, Weite und auch Geld, das müsse sich – wie im Fall von Mascha und der anderen Romanfiguren – hart erarbeitet werden.

Der Veranstaltungssaal des Kulturbahnhofs bot einen gelungenen Rahmen für die Verleihung des Schubart-Literaturpreises. (Foto: Ansgar König)
Für einen passenden musikalischen Rahmen hatte das Duo Synthesis gesorgt. Sinisa Ljubojevic und Djorde Vasiljevic sind zwei virtuose Akkordeonisten, die unter anderm mit Teil aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ unter Beweis stellten, was in einem Akkordeon so alles drinsteckt.
Jury tagt im Schubart-Haus
Erstmals hatte die Jury im Schubart-Haus direkt hinter der „Bierhalle“ getagt, dort, wo Aalens großer Sohn Kindheit und Jugend verbracht hatte und sein Leben geprägt wurde. OB Brütting, der die Jury besucht hatte, lobte vor allem den „genius loci“ und die Lesens- und Entdeckungsfreude der Jury-Mitglieder (Tilla Fuchs, Stefan Kister, Anne-Dore Krohn, Denis Scheck, Michael Weiler und Miriam Zeh): „Es war ein Vergnügen für mich, bei diesen intensiven Diskussionen rund ums Thema Freiheit mit dabei zu sein.“
Am Sonntag hatten Aalens Bücherfans – ebenfalls im KubAA – bei einer Lesung Gelegenheit, tiefer in die beiden Romane einzusteigen und sie auch signieren zu lassen.