Nach umstrittenen Äußerungen von Premierminister François Bayrou über Migranten ist in Frankreich ein neuer Haushaltsstreit ausgebrochen. Die sozialistische Partei sagte wegen der Äußerungen eine Verhandlungsrunde über das Haushaltsgesetz ab. Die Regierung wiederum mahnte die Sozialisten, den Haushalt „nicht als Geisel zu nehmen“.
„Die Franzosen verstehen diesen Streit um Worte nicht“, sagte Regierungssprecherin Sophie Primas in Paris. Der sozialistische Abgeordnete Philippe Brun hielt dagegen an seiner Kritik an Bayrou fest. „Der Premierminister ist aus der Spur geraten“, sagte er im Sender Sud Radio. „Es ist im Interesse des Landes, dass er die Worte zurücknimmt, die unnötig verletzt haben.“
Bayrou hatte in einem Fernsehinterview gesagt, dass ausländische Einflüsse für ein Volk positiv seien, „solange sie einen bestimmten Anteil nicht überschreiten“. Er fügte hinzu: „Sobald man das Gefühl hat, überflutet zu werden, und sein Land, die Lebensweise oder die Kultur nicht mehr zu erkennen, entsteht Ablehnung.“ Diese Schwelle sei noch nicht überschritten, aber in „einigen Städten und Regionen gibt es dieses Gefühl bereits“.
Erneutes Misstrauensvotum möglich
Diese Äußerungen hatten eine heftige Debatte ausgelöst. Während konservative und rechtspopulistische Politiker Bayrous Äußerungen begrüßten, äußerten der linke Flügel des Regierungslagers und die linke Opposition heftige Kritik. Die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, bezeichnete Bayrous Worte als unangenehm. Grünenfraktionschefin Cyrielle Chatelain sagte: „Es ist eine Schande, dass der Premierminister diesen Ausdruck benutzt und eine falsche Vorstellung bekräftigt, die von Rechtsextremen verbreitet wird.“
© Lea Dohle
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Bayrou hatte seine Wortwahl am Dienstag in der Nationalversammlung verteidigt. „Nicht das Wort ist schockierend, sondern die Realität“, sagte er und verwies unter anderem auf die Lage auf der französischen Insel Mayotte.
Am Donnerstag soll in Paris der Vermittlungsausschuss zusammentreten, um einen Kompromiss für den Haushalt für das laufende Jahr zu finden. Bayrous Mitte-rechts-Regierung
hat in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit. Ohne
Unterstützung der Sozialisten könnte ihm im Zuge der Haushaltsdebatte
ein Regierungssturz drohen.
Vier Premiers in einem Jahr
Mitte Januar hatte der Premier ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden. Bayrou war erst Mitte Dezember zum Chef einer Minderheitsregierung ernannt worden. Sein Vorgänger Michel Barnier war im Streit über den Haushalt durch ein Misstrauensvotum der Opposition aus Linken und Grünen gestürzt worden, hinter das sich das rechtspopulistische Rassemblement National gestellt hatte.
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