Nach der US-Kritik an der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistische“ Partei attestiert Sigmar Gabriel (SPD) der Trump-Regierung erneut „irre Propaganda“. Beim jüngst unterzeichneten Ukraine-Deal zeigen sich die Gäste bei „Caren Miosga“ argwöhnisch bis vorsichtig optimistisch.
Sigmar Gabriel blickt mit Argwohn auf Donald Trumps „Friedensplan“ für die Ukraine. „Die USA machen sich damit zum Interessenvertreter Russlands“, hatte der frühere SPD-Vorsitzende Ende April dem Tagesspiegel gesagt. „Das Ganze dient nur dazu, dass sich die US-Regierung unter Trump so schnell wie möglich aus dem Staub machen und aus der Verantwortung stehlen kann.“ Zur Frage „Trumps Ukraine-Deal: Neue Hoffnung auf Frieden?“ saß er am Sonntagabend bei Caren Miosga. Als weitere Gäste begrüßte sie die Journalistin Rebecca Barth, die Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff und den Militäranalysten Franz-Stefan Gady.
Er wäre vorsichtig mit allzu großem Optimismus, sagte Sigmar Gabriel eingangs, um dann allerdings eben jene Zuversicht zu vermitteln. Das Foto von Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Petersdom bewertete er etwa positiv. Auch das Rohstoffabkommen beider Staaten, das den Vereinigten Staaten einen privilegierten Zugang zu Ressourcen sichert, biete Vorteile. „Die schiere Präsenz von Amerikanern dort sollte ein Hindernis sein für Russland, sich zu überlegen, nach einer gewissen Erholungsphase das Land schon wieder anzugreifen“, erklärte er. „Das ist zumindest Mal ein Schritt in die richtige Richtung.“
Das gemeinsame Abkommen sei „ein außenpolitischer Erfolg für die Ukraine“, sagte Nicole Deitelhoff anerkennend. Es unterscheide sich deutlich von der früheren Version. „Ganz geschickt“ solle es nun einen Investitionsfonds geben, in den die Vereinigten Staaten in Form von Waffenlieferungen einzahlen könnten. „Damit ist einer der ganz wesentlichen Sorgen der Ukrainer, nämlich dass die USA wegbrechen könnten als Unterstützer, ja fast vom Tisch“, befand die Politikwissenschaftlerin. Denn „wenn die USA dauerhaft daran verdienen wollen, dann müssen sie ja auch investieren und sie können das eben mit Militärhilfen tun.“
Rebecca Barth beurteilte den US-ukrainischen Deal zurückhaltender. Er sei vor allen Dingen „ein wichtiges Symbol“, das nicht zuletzt von der ukrainischen Bevölkerung selbst „sehr positiv“ aufgenommen worden sei. „Beim Inhalt bin ich wahrscheinlich noch vorsichtiger als sie alle“, sagte die Korrespondentin in Richtung ihrer Mitdiskutanten. Es sei aktuell unklar, wo die Bodenschätze lägen, wie sie abgebaut werden könnten und wie rentabel die Ausbeutung letztlich ausfalle. Zudem sei es fraglich, ob sich ein US-Investor engagiert, wenn die Möglichkeit bestehe, dass nach wie vor Raketen einschlagen. „Da sind ganz viel Fragen offen.“
Für Gabriel komme es dennoch darauf an, „dass die Europäer alles dafür tun, Trump auf diesem Weg, auf dem er jetzt ist, zu bestärken und an Bord zu halten“. Neben den russlandfreundlichen Mitgliedern der US-Regierung gebe es auch Senatoren, traditionelle Falken und Vertreter des Sicherheitsapparats, bei denen sich Russland seit Jahrzehnten als Feind „festgefressen“ habe. Als wirtschaftlicher und technologischer „Zwerg“ stehe besagter Widersacher jedoch nicht im Mittelpunkt des Interesses. „Trump will den ganzen Ärger mit Europa loswerden, um sich auf seine eigentliche Auseinandersetzung mit China zu konzentrieren.“
Dass Teile der US-Administration zugleich auf neuen „Ärger“ aus zu sein scheint, hatte sich wiederum nach der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den hiesigen Verfassungsschutz gezeigt. Marco Rubio sprach daraufhin von „verdeckter Tyrannei“, Vize-Präsident J.D. Vance von der Wiedererrichtung der Berliner Mauer durch das „deutsche Establishment“. Bei den Statements handele es sich um eine „kalkulierte Provokation“ einer „ideologischen Administration“, kritisierte Deitelhoff. „Wir haben eine ideologisch begründete Ablehnung von europäischen Werten und auch dem europäischen System.“
Keine Abschreckung Russlands ohne amerikanische Hilfe denkbar
Gabriel äußerte scharfe Kritik an der Regierung. Tausende junge Amerikaner hätten ihr Leben gelassen, um Westdeutschland und -Europa zu befreien. Nun unterstütze die „irre Propaganda“ des US-Vizepräsidenten eine Partei, in der Nazi-Anhänger gerne gesehen seien. „Aus meiner Sicht trampelt er damit auf dem Leben und dem Schicksal von tausenden US-Veteranen herum. Er beleidigt eigentlich diejenigen, die hier in Europa gegen diese Nazi-Brut gekämpft haben“, beanstandete der Vorsitzende der Atlantik-Brücke. Die „Typen“ von der AfD seien nicht mit der NSDAP gleichzusetzen, doch sie duldeten besagte „Brut“.
Dennoch mahnte Gabriel wiederholt, „so eng wie möglich“ Kontakt zu den Vereinigten Staaten zu halten. „Wir sind ja auch nicht in der Lage, ohne die Hilfe der Amerikaner glaubwürdig ein Abschreckungspotenzial gegen Russland vorzuhalten.“ Sicherheitsgarantien für die Ukraine scheiterten bereits an der fehlenden Einigkeit innerhalb der EU, weshalb es nun auf Frankreich, Großbritannien und ihre Koalition der Willigen ankomme. „Und dann ist die Frage: Können die dafür eigentlich Nato-Strukturen nutzen? Wenn sie das nicht können, viel Spaß bei dem Versuch, das auf die Beine zu stellen. Das schaffen wir nicht.“
Dominik Lippe berichtet für WELT regelmäßig über die abendlichen Polit-Talkshows. Der studierte Biologe ist Absolvent der Axel Springer FreeTech Academy.