Einen Tag bevor sich Friedrich Merz zum zehnten deutschen Bundeskanzler wählen lassen will, hat sich auch die SPD abschließend auf ihr Regierungsteam verständigt. „Erfahrene Persönlichkeiten aus Bundes- und Landespolitik treffen auf neue Gesichter, die für den Generationswechsel in der SPD stehen“, heißt es am Montag in einer Erklärung der Parteivorsitzenden Lars Klingbeil, Saskia Esken und des Generalsekretärs Matthias Miersch, die dem Tagesspiegel vorliegt.
Die neun Posten der SPD werden von sechs Frauen und drei Männern übernommen. „Sie vereinen unterschiedliche Biografien und Perspektiven: von der Ausbildung bis zum Staatsexamen, von jung bis erfahren, mit und ohne Migrationsgeschichte, von Ost bis West, aus dem Bund und aus den Ländern“, heißt es in der Erklärung.
Die neue sozialdemokratische Regierungsmannschaft versammelte sich am Montagvormittag im Gasometer Berlin-Schöneberg zu einem Fototermin. Später wird hier der Koalitionsvertrag unterschrieben.
Das SPD-Regierungsteam für die 21. Legislaturperiode
- Lars Klingbeil, 47 Jahre, Bundesminister der Finanzen, Vizekanzler
- Bärbel Bas, 57 Jahre, Bundesministerin für Arbeit und Soziales
- Boris Pistorius, 65 Jahre, Bundesminister der Verteidigung
- Verena Hubertz, 37 Jahre, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
- Dr. Stefanie Hubig, 56 Jahre, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutzs
- Reem Alabali-Radovan, 35 Jahre, Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- Carsten Schneider, 49 Jahre, Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit
- Elisabeth Kaiser, 38 Jahre, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland
- Natalie Pawlik, 32 Jahre, Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration
Parteichef Lars Klingbeil läutet damit den versprochenen Generationenwechsel ein. Bereits am Wochenende informierte er die geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser und die geschäftsführende Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze, dass sie dem künftigen Kabinett nicht mehr angehören werden. Dies erfuhr der Tagesspiegel am Sonntagabend aus SPD-Kreisen.
Nancy Faeser, aktuell noch geschäftsführende Bundesinnenministerin, wird künftig nicht mehr Ministerin sein.
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Auch SPD-Co-Chefin Saskia Esken soll nicht Teil der neuen Bundesregierung sein. Zuletzt hatte es Spekulationen über Ambitionen der 63-Jährigen auf einen Job im Kabinett gegeben – etwa als Chefin des Entwicklungsressorts.
Stattdessen wird die Regierungsmannschaft der SPD deutlich jünger sein und den Altersdurchschnitt im Kabinett von Friedrich Merz senken: Die sieben Kabinettsmitglieder der SPD sind im Schnitt 49,4 Jahre alt – die elf der Union 55,5 Jahre. Für die 21. Legislaturperiode hat die SPD folgende sieben Minister:innen und zwei Staatsministerinnen nominiert.
Entwicklungsministerin: Reem Alabali-Radovan
Die SPD-Politikerin Reem Alabali-Radovan wird Entwicklungsministerin. Die 35-Jährige wird damit die jüngste Ministerin im Kabinett des designierten Kanzlers Friedrich Merz und seinem designierten Vize Lars Klingbeil sein.
Reem Alabali-Radovan, Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern.
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Nach ihrem Politikwissenschaftsstudium arbeitete Alabali-Radovan unter anderem für das Land Mecklenburg-Vorpommern. Unter Noch-Kanzler Olaf Scholz war sie Staatsministerin und Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration. Diesen Posten soll künftig Nathalie Pawlik übernehmen. Die 32-Jährige ist sei 2021 Abgeordnete des Bundestags und Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten.
Parlamentarische Staatssekretäre im BMZ werden Johann Saathoff und Bäbel Kofler.
Bauministerin: Verena Hubertz
Neue Bauministerin wird die bisherige SPD-Vizefraktionschefin Verena Hubertz. Die Betriebswirtin ist neben Katherina Reiche und Karsten Wildberger die dritte Unternehmerin im Merz-Kabinett.
Verena Hubertz, Unternehmerin.
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Die 37-Jährige hat unter anderem für die Wirtschaftsprüfung PWC sowie die Commerzbank gearbeitet. Später hat sie ihr eigenes Unternehmen gegründet: Bei „Kitchen Stories“, einer App-basierten Plattform für Kochrezepte, war sie bis 2020 Geschäftsführerin. Seit 2021 sitzt sie für Trier im Bundestag.
Sören Bartol und Sabine Poschmann sollen ihre Parlamentarischen Staatssektretäre werden.
Umweltminister: Carsten Schneider
Für Umweltschutz und Klima wurde der bisherige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, nominiert. Er folgt damit auf Steffi Lemke (Grüne).
Carsten Schneider (SPD), bisher Ostbeauftragter.
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Den von Klingbeil ausgerufenen Neuanfang verkörpert er nur bedingt: Er sitzt seit 1998 im Bundestag und zählt wie Klingbeil zum konservativen „Seeheimer Kreis“. Minister war der gelernte Bankkaufmann aus Erfurt allerdings noch nie. Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland wird Elisabeth Kaiser. Die 38-Jährige kommt aus Gera.
Parlamentarische Staatssekretäre im BMU werden Rita Schwarzelühr-Sutter und Carsten Träger.
Arbeitsministerin: Bärbel Bas
Die ehemalige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wurde schon lange als Nachfolgerin von Hubertus Heil gehandelt. Nun soll sie es tatsächlich werden, wie der SPD-Vorstand mitteilte.
Bärbel Bas (SPD), designierte Arbeitsministerin.
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Bärbel Bas ist in Duisburg geboren, am vergangenen Samstag wurde sie 57 Jahre alt. Nach der Hauptschule ging sie an die Berufsfachschule, lernte etwa Schweißen. 1985 begann sie ihre Laufbahn bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft und arbeitete sich über Weiterbildung und Studium hoch bis zur Leiterin Personalservice bei der Betriebskrankenkasse BKK futur.
Nach ihrem erstmaligen Einzug in den Bundestag 2009 profilierte sie sich als Gesundheitspolitikerin. 2019 wurde sie stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Nach dem Wahlsieg der SPD nominierte sie ihre Fraktion 2021 zur Bundestagspräsidentin – das zweithöchste Amt übernahm im März Julia Klöckner (CDU).
Die bisherige Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Katja Mast, soll Parlamentarische Staatssekretärin im Arbeitsministerium werden. Genauso wie Kerstin Griese.
Justizministerin: Stefanie Hubig
Auf Volker Wissing (parteilos) soll Stefanie Hubig (SPD) folgen. Von 2014 bis 2016 war sie unter Heiko Maas Staatssekretärin im Bundesjustizministerium.
Stefanie Hubig, aktuell Land- künftig mutmaßlich Bundesministerin.
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Seit 2016 ist die Juristin Bildungsministerin in Rheinland-Pfalz – erst unter Malu Dreyer, aktuell unter Alexander Schweitzer. Die 56-Jährige kommt aus Frankfurt am Main. Als Parlamentarische Staatssekretäre an ihrer Seite sollen Anette Kramme sowie Frank Schwabe sein.
Zuvor war bereits bekannt geworden, dass SPD-Parteichef Klingbeil Vizekanzler wird und das Finanzministerium übernimmt. Parlamentarische Staatssekretär im BMF werden Dennis Rohde und Michael Schrodi.
Boris Pistorius soll zudem Verteidigungsminister bleiben. Der bisherige außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Nils Schmid sowie der Fraktionsvorstand Sebastian Hartmann werden Parlamentarische Staatssekretäre.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch soll Vorsitzender der Bundestagsfraktion werden. Miersch war viele Jahre Chef der Parlamentarischen Linken, dem stärksten Fraktionsflügel vor den Seeheimern und den Netzwerkern.
Unklar ist, ob Saskia Esken SPD-Co-Vorsitzende bleiben will. Die neue Parteiführung wird auf einem Parteitag Ende Juni in Berlin gewählt. Klingbeil dürfte SPD-Co-Chef bleiben. Und Esken? Der parteiinterne Widerstand ist groß. Sollte sich Esken die Option, erneut zu kandidieren, offen halten, könnte es zu neuerlichem Ärger in der Partei kommen.
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Der nach über sieben Jahren als Bundesarbeitsminister aus dem Amt scheidende SPD-Politiker Hubertus Heil hatte zuvor wegen mangelnder Unterstützung durch die Parteispitze das Handtuch geworfen. „In den letzten Tagen bin ich von verschiedenen Seiten aus der Partei und der Fraktion ermutigt worden, als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion anzutreten“, heißt es in einer Erklärung, die dem Tagesspiegel vorliegt. „Ich habe mich aber entschieden, nicht zu kandidieren.“
Heil begründete dies mit mangelndem Rückhalt der Parteiführung. „Ein solches Amt kann in dieser Regierungskoalition und in diesen Zeiten nur erfolgreich ausgeübt werden, wenn man dafür die ausdrückliche Unterstützung der Parteispitze hat“, sagte der 52-Jährige. Seinen Wahlkreis in Niedersachsen werde er als Abgeordneter vertreten.