Merz‘ Kanzler-Start – Liveticker
+++ 07:00 Schwarz-Rot ist einen Tag schneller als die Ampel +++

06.05.2025, 06:15 Uhr

Wenn Merz heute zum Kanzler gewählt wird, war die schwarz-rote Koalition mit der Regierungsbildung um einen Tag schneller als die Ampel nach der Bundestagswahl 2021. Merz hat sein ursprüngliches Ziel zwar verfehlt, schon vor Ostern zu starten. Aber mit 72 Tagen ist seine Koalition historisch gesehen noch im Mittelfeld: 1990 vergingen zwischen Wahl und Amtseid 47 Tage, jeweils etwa einen Monat dauerte es 1994, 1998 und 2002. Die kürzeste Regierungsbildung waren die 30 Tage, die SPD und Grüne 1998 und 2002 brauchten. 2005 vergingen 65 Tage, als Rot-Grün durch die Koalition aus Union und SPD mit Angela Merkel an der Spitze abgelöst wurde. Für den Wechsel zu Schwarz-Gelb 2009 waren 31 Tage nötig. Vier Jahre später brauchten Union und SPD 86 Tage.

Einen Langzeit-Rekord gab es nach der Wahl vom September 2017. Grund war das Scheitern der Verhandlungen über die zunächst angestrebte Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und FDP. Danach gab es eine Neuauflage der Koalition aus Union und SPD. Im Amt war die neue Regierung erst Mitte März 2018: 171 Tage nach der Bundestagswahl. Fast hundert Tage weniger brauchte 2021 die Ampel. Die Dreier-Koalition aus SPD, FDP und Grünen benötigte 73 Tage von der Wahl bis zur Übernahme der Regierungsgeschäfte.

+++ 06:45 Und wenn es heute nicht klappt mit der Kanzlerwahl? +++
Nicht nur Friedrich Merz geht davon aus, dass er im ersten Wahlgang zum Bundeskanzler gewählt wird, auch die meisten Beobachter teilen diese Einschätzung. Für den Fall, dass Merz im ersten Wahlgang die sogenannten Kanzlermehrheit verfehlen sollte, legt Artikel 63 des Grundgesetzes einen zweiten Wahlgang fest. Dieser kann „binnen vierzehn Tagen“ nach dem ersten Wahlgang stattfinden. Auch dabei wäre wieder die Kanzlermehrheit nötig.

Innerhalb dieser Frist können theoretisch auch weitere Wahlgänge stattfinden, auch mit unterschiedlichen Kandidaten. Nötig ist in jedem Fall die Mehrheit von mehr als der Hälfte der Abgeordneten – die Kanzlermehrheit.

Ist auf diesem Wege binnen zwei Wochen noch immer kein neuer Kanzler gewählt, reicht die einfache Mehrheit. Wenn der oder die Gewählte die Kanzlermehrheit erreicht, muss der Bundespräsident ihn oder sie innerhalb von sieben Tagen nach der Wahl zum Kanzler ernennen. Bei einer Wahl nur mit einfacher Mehrheit kann der Bundespräsident sich auch dafür entscheiden, den Bundestag aufzulösen und eine Neuwahl anzusetzen.

+++ 06:30 Und so sieht Merz‘ Zeitplan aus +++
Angenommen, alles klappt wie geplant, ist dies der Zeitplan:

  • 09.00 Uhr: Der Bundestag tritt zur Kanzlerwahl zusammen. Nach der Eröffnung der Sitzung durch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner gibt es keine Reden. Klöckner wird die Regeln für die Wahl erläutern, dann wird geheim und ohne Aussprache gewählt, wie es in Artikel 63 des Grundgesetzes festgelegt ist. Nach der Verkündung des Wahlergebnisses wird die Sitzung unterbrochen, damit der frisch gewählte Kanzler zum Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue zum Bundespräsidenten fahren kann.
  • 10.30 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreicht Merz die Ernennungsurkunde. Anschließend geht es umgehend zurück in den Bundestag.
  • 12.00 Uhr: Merz legt im Bundestag den Amtseid ab, wie das Grundgesetz ihn festlegt: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ Der Amtseid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden. Anschließend geht es für Merz zurück zum Schloss Bellevue – dieses Mal zusammen mit seinem künftigen Kabinett.
  • 12.30 Uhr: Nun bekommen die Ministerinnen und Minister vom Bundespräsidenten ihre Ernennungsurkunden. Steinmeier wird eine kurze Rede halten. Danach fährt der Trupp wieder in den Bundestag.
  • 13.30 Uhr: Im Deutschen Bundestag wird die Bildung der neuen Bundesregierung bekanntgegeben. Die Ministerinnen und Minister legen den Amtseid ab. Anders als der Kanzler lesen sie nicht einzeln die Eidesformel vor. Vielmehr wird die Formel einmal für alle vorgelesen, dann sagt ein Kabinettsmitglied nach dem anderen: „Ich schwöre es.“ oder „Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.“
  • 14.00 Uhr: Die Bundestagssitzung endet.
  • 15.00 Uhr: Der bisherige Bundeskanzler Olaf Scholz übergibt seinem Nachfolger offiziell die Amtsgeschäfte im Bundeskanzleramt. Scholz war gestern Abend mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet worden.

+++ 06:15 Merz rechnet mit Kanzlermehrheit im ersten Wahlgang +++
Gut zehn Wochen nach der Bundestagswahl will die neue Bundesregierung aus Union und SPD heute ihr Amt antreten. ntv.de begleitet den Tag mit einem Liveticker. Zunächst soll CDU-Chef Friedrich Merz am Vormittag im Deutschen Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt werden. Dafür nötig ist zumindest in den ersten beiden Anläufen die sogenannte Kanzlermehrheit.

  • Merz muss dabei die absolute Mehrheit aller Bundestagsmitglieder auf sich vereinigen, nicht nur der anwesenden Parlamentarier. Dies wären mindestens 316 Stimmen.
  • Union und SPD kommen gemeinsam auf 328 Abgeordnete im Parlament – die Koalition hat also einen Puffer von zwölf Abgeordneten. Dies könnte etwa bei Krankheitsfällen relevant werden, theoretisch auch bei Abweichlern, was aber als relativ unwahrscheinlich gilt.
  • Allerdings findet die Kanzlerwahl geheim statt. Die Abgeordneten werden einzeln aufgerufen und erhalten die Stimmzettel erst vor Betreten der Wahlkabine ausgehändigt. Wer wie abgestimmt hat, wird auch im Nachhinein nicht veröffentlicht – Abweichler müssten damit auch keine Konsequenzen befürchten. Lediglich die Abgeordneten, die sich vorab entschuldigt haben, werden im Protokoll der Sitzung erwähnt.
  • Ergibt sich in den ersten beiden Wahlgängen keine „Kanzlermehrheit“, reicht in einem dritten Durchgang die relative Mehrheit – gewählt ist dann, wer die meisten Stimmen erhält. Das wäre ein denkbar schlechter Start für Merz‘ Kanzlerschaft.

Tatsächlich gab es am Montag mehrere Krankmeldungen in der Unionsfraktion – was von einigen Abgeordneten als Signal des Unmuts gewertet wurde. Der CDU-Chef rechnet dennoch damit, dass er im ersten Wahlgang gewählt wird. Bei der Wahl von Jens Spahn zu seinem Nachfolger als Fraktionschef hätten einige Kollegen krankheitsbedingt gefehlt, sagte Merz gestern nach der Sitzung der Unionsfraktion. „Aber es werden morgen alle an Bord sein. Ausnahmslos alle.“ Zuvor hatten CDU, CSU und SPD am Montag den Koalitionsvertrag unterzeichnet.