Berlin – Das Oberverwaltungsgericht hat am Montag entschieden, dass die Tucholskystraße in Mitte an der Kreuzung Auguststraße mit Pollern abgesperrt bleiben darf. Nur Fahrräder kommen hier noch voran. Autos, Lieferfahrzeuge und Lkw müssen Umwege fahren.
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Das Bezirksamt hatte die Tucholskystraße zur Fahrradstraße erklärt. Nur Anwohner dürfen noch motorisiert fahren. Weil sich aber viele Autofahrer nicht an die Regel hielten und für Durchgangsverkehr sorgten, wurden die Poller gesetzt, die im politischen Jargon „Kiezblocks“ heißen und im Amtsdeutsch als „Modalfilter“ bezeichnet werden.
Anwohner und Gewerbetreibende, die sich durch die Poller beeinträchtigt sehen, hatten geklagt. Das oberste Berliner Gericht folgte jetzt der Argumentation des Bezirksamtes. Die Vorsitzende Richterin erkannte im Autoverkehr in der Auguststraße eine Gefahr, die ausreiche, „solch harte Eingriffe zu rechtfertigen“.
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Damit meint sie die Poller, die das Gericht also für eine schwerwiegende Behinderung hält. Warum sind sie dennoch gerechtfertigt?
Dazu gibt es das Gericht diese Begründung: Die Tucholskystraße weise für eine Nebenstraße ein ungewöhnlich hohes Verkehrsaufkommen mit besonders hohem Radverkehrsanteil auf. Der „begrenzte Straßenraum“ führe insbesondere für den Radverkehr „zu einer Unfallneigung“.
Diese Logik verstehe, wer will: Weil in der Tucholskystraße viele Autos und Fahrräder unterwegs sind, sollen die Autos ausgesperrt werden, die Fahrräder aber nicht.
Der zuständige Bezirksstadtrat Christopher Schriner (Grüne) freute sich über das Urteil: Nun gebe es „mehr Rechtssicherheit“ für weitere Verkehrsberuhigungsmaßnahmen“. Er weiß, wovon er spricht: Bis Frühjahr 2026 will das Bezirksamt weitere 12 Straßen mit „Kiezblocks“ sperren.
„Alle Gebäude bleiben für Rettungsdienste, Müllabfuhr und Lieferverkehr weiterhin gut erreichbar. Auch Anwohnende können weiterhin mit dem Auto zu ihrem Haus fahren – nur die Route kann anders sein.“, schreibt Stadtrat Schriner auf der Seite kiezblocks-mitte.de. Dem widersprechen die betroffenen Anwohner, Gewerbetreibenden und Lieferanten.
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Sie fühlen sich übergangen. Das werden sie auch, denn es gibt nur eine scheinbare Bürgerbeteiligung, wenn es um „Kiezblocks“ geht. Das Bezirksamt hat „28 Kieze“ ausgesucht, in denen „Spaziergänge“ angeboten werden.
Dort können Anwohner und Betroffene ihre Meinung kundtun. Das war’s dann auch schon mit der Bürgerbeteiligung. Die Anwohner schließen sich deshalb in eigenen Initiativen zusammen, wie zum Beispiel in der Gruppe „kiezblockfree.com“.
Die grün dominierte Politik in Mitte gibt dem Fahrrad den Vorrang vor dem Auto. Doch mit dem Fahrrad wird das Bruttosozialprodukt nicht erwirtschaftet. Sehr viele Arbeitnehmer sind auf das Auto angewiesen, die Arbeitsplätze in der Dienstleistung und in der Produktion hängen von einem funktionierenden Lieferverkehr ab. Das ist bekannt, wird aber ignoriert. Deshalb geht es abwärts mit der Wirtschaft in Deutschland.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de
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