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Verachtung für Europa, Sympathie für Wladimir Putin: Donald Trump stürzt die Welt ins Chaos. Politologe Francis Fukuyama erklärt, wie weit es der US-Präsident treiben könnte.
Im Wahlkampf hat Donald Trump getönt und gedröhnt, nun setzt er als US-Präsident seine Drohungen in die Tat um: Die amerikanische Demokratie und die globale Wirtschaft hat Trump damit zugleich erschüttert. Mit dem aggressiven Russland unter Wladimir Putin geht er dagegen überaus sanft um. Was ist der Grund? „Bewunderung“, sagt Francis Fukuyama, einer der renommiertesten Politologen der Gegenwart.
Warum ist der amerikanische Präsident derart von Putin fasziniert? Weshalb ist der Populismus so erstarkt? Und was könnte Trump noch große Probleme verursachen? Die drängenden Fragen unserer Zeit beantwortet Francis Fukuyama im t-online-Gespräch.
t-online: Professor Fukuyama, Russland bedroht die Nato, Donald Trump hegt trotzdem offene Bewunderung für Wladimir Putin. Wie erklären Sie das?
Francis Fukuyama: Trump bewundert Putin tatsächlich, weil er in ihm einen Staatschef sieht, der so mächtig und geschickt ist, wie er es selbst gern wäre. Kein demokratischer Anführer kann in seinen Augen mit Putin mithalten – mit Ausnahme von ihm selbst. Trump bildet sich ein, ebenso wie Putin zu einem erlesenen Klub außergewöhnlich starker und weitsichtiger Staatsführer zu gehören.
Erklärt sich damit seine nachsichtige Haltung gegenüber Russland, das weiterhin die Ukraine attackiert?
Ja, aus diesem Grund verzichtet Trump in seinen sogenannten Verhandlungen über die Ukraine darauf, echten Druck auf Putin auszuüben. Nicht Putins militärische Stärke und Skrupellosigkeit imponieren Trump, sondern die Radikalität, mit der Putin seine Macht gefestigt hat: Dieser hat sich skrupellos an seinen Feinden gerächt und Hindernisse aller Art überwunden. Trump meint, dass er und Putin sich darin ähneln. Eine ähnliche Bewunderung hegt Trump trotz der politischen Differenzen für Xi Jinping, der mehr als 1,4 Milliarden Chinesen mit harter Hand regiert.
Trump will also tatsächlich Mitglied eines Klubs der Diktatoren werden?
Es ist die nahezu uneingeschränkte politische Macht, völlig losgelöst von Werten, die Trump interessiert. Das lässt nichts Gutes ahnen.
Francis Fukuyama, geboren 1952, gehört zu den führenden Intellektuellen unserer Zeit. 1989 machte ihn seine These vom „Ende der Geschichte“ weltweit bekannt. Heute lehrt Fukuyama Politikwissenschaft an der Stanford University in Kalifornien. Der Politologe ist Autor zahlreicher Bücher wie „Identität. Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet„; zuletzt veröffentlichte er 2022 „Der Liberalismus und seine Feinde„.
Trump hat bei der Besetzung seiner Administration auf Loyalität anstelle von Qualifikation gesetzt. Gibt es trotzdem Regierungsmitglieder, die mäßigend auf ihn einwirken können?
Trump hat sein Kabinett mit vollkommen inkompetenten Personen besetzt: meist Leuten, auf die er durch den Fernsehsender „Fox News“ aufmerksam geworden ist. Sie alle sind in erster Linie auf der Basis persönlicher Loyalität ausgewählt worden. Wohin das führt, sehen wir an Pete Hegseth und dessen „Signal-Skandal“: Der Verteidigungsminister scheint derart inkompetent zu sein, dass er in der Vergangenheit von einer kleinen Veteranenorganisation wegen Trunkenheit gefeuert wurde. Trotzdem darf er in Trumps Namen ein so wichtiges Ministerium leiten. Das ist Hegseth wenig überraschend völlig über den Kopf gewachsen. Aber Trump will sich partout nicht eingestehen, dass es ein gewaltiger Fehler war, Hegseth zum Minister zu machen. Das ist das Problem mit dem Populismus: Er hat kein inneres Korrektiv.
Wie erklären Sie generell den Aufstieg des Populismus in westlichen Gesellschaften wie den USA?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Da ist zunächst eine große Unzufriedenheit mit dem System an sich. Die gibt es aber schon länger; Arbeiter verlieren ja nicht erst seit gestern durch die Globalisierung ihre Jobs. Auch der Ärger über ungeregelte Migration und über die Bedrohung der kulturellen Identität dauert schon länger an.
Woher sonst stammt die Wucht, mit der der Populismus nun Demokratien heimsucht?
Die Wurzel des Problems ist Social Media. Ein großer Teil der Polarisierung und der extremen Wut wird dadurch befeuert, dass so viele Menschen mittlerweile in Online-Gemeinschaften leben. Dort erleben sie eine völlig andere Welt als die tatsächliche Realität. Sie bekommen ungeprüfte Informationen und glauben sie. Zwischen 30 und 40 Prozent der Amerikaner glauben wirklich, dass Donald Trump die Wahl 2020 gewonnen habe – obwohl das eine Lüge ist. Glaubt jemand erst mal so einer Verschwörung, kommt er schnell zum Schluss, dass das ganze System von korrupten Eliten manipuliert sei. Der Zorn entsteht durch die Kombination aus den toxischen Mechanismen der „sozialen Medien“ mit kulturellen und wirtschaftlichen Verwerfungen. Das ist eine extrem gefährliche Mischung.