Altkreis Halle. Das Jakobskreuzkraut breitet sich seit Jahren in Steinhagen, Halle, Borgholzhausen, Werther und Versmold aus. Vor allem Tierhalter – insbesondere Land- und Pferdewirte – fürchten die strahlend gelben Blüten. Denn „Jacobaea vulgaris“ ist giftig. Kaum bekannt ist hingegen, dass sich auch sein eingewanderter Verwandter „Senecio inaequidens“ rasant vermehrt –- weil er eine besondere Stärke hat.
Das „Schmalblättrige Greiskraut“ stammt aus Südafrika. Es wurde vermutlich schon ab dem 19. Jahrhundert über Schiffe in Nordeuropas Häfen eingeschleppt. Seit einigen Jahren legt es aber eine besondere Karriere hin und verbreitet sich vor allem entlang von Autobahnen extrem schnell und flächig. Dabei kommt ihm seine Herkunft zugute.
„Japanischer Staudenknöterich, Herkulesstaude, Jakobskreuzkraut – die bekannten invasiven Arten hat man relativ gut im Griff. Das sind die alten Probleme“, erklärt Ingo Jürgens von der Biologischen Station Bielefeld/Gütersloh im HK-Gespräch. „Aber das Schmalblättrige Greiskraut ist etwas anderes.“ Der afrikanische Zuwanderer profitiere zunehmend vom Klimawandel. „Es hat Europa in den letzten Jahrzehnten überrannt.“
Erderwärmung unterstützt Ausbreitung – auch rund um Halle
Das liege vor allem daran, dass der Neophyt, die afrikanische Art, sehr viel trockenheitsresistenter sei als der europäische Verwandte. „Wenn die Grasnarbe schon total braun abgestorben ist, geht es dem Schmalblättrigen Greiskraut noch gut. Es ist kaum totzukriegen.“ Heiße Sommer und lange Trockenheiten forcieren die Verbreitung.
Das Schmalblättrige Greiskraut (Bild) ist verwandt mit dem Jakobskreuzkraut – bringt aber ein zusätzliches Problem mit: seine Trockenheitsresistenz.
(© cc by sa 30/wikipedia)
Entsprechend unterschieden sich auch die Ausbreitungsgebiete. „Das Jakobskreuzkraut ist nach wie vor die Problempflanze im Grünland. Das Schmalblättrige kommt auf sandigen und trockenen Flächen dazu“, erklärt der Pflanzenfachmann. Bevorzugte Lebensräume der afrikanischen Pflanze seien die Autobahnrandstreifen vor allem im Nordwesten Deutschlands, zum Beispiel an der A33. „An den Lärmschutzwänden stehen Hunderte und Tausende von Greiskräutern“, berichtet Jürgens. Wenn er im Sommer auf den Autobahnen im Norden der Republik unterwegs sei, begleiteten ihn die knallgelben Blüten durch mehrere Bundesländer hindurch.
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Beide Korbblütler-Arten haben ihr Gift gemeinsam. Deshalb sind sie vor allem von Pferdehaltern gefürchtet. „Das Problem ist das Heu“, erklärt Ingo Jürgens. „Wenn sie auf der Weide stehen, fressen die Pferde die bitteren Pflanzen nicht. Aber wenn sie getrocknet im Heu stecken, erkennen die Tiere sie nicht.“ Die enthaltenen „Pyrrolizidinalkaloide“ reicherten sich dann in der Leber an. Schon eine kleine Dosis habe schlimme Folgen. „Wenn man die Symptome sieht, ist es bereits zu spät. Die inneren Organe sind geschädigt“, sagt der Fachmann. „Deshalb ist es für Pferde und Rinder sehr gefährlich.“
Vor allem Pferdehalter müssen aufpassen
Da die afrikanische Art mitten im Grünland nicht so stark vertreten sei, wie die europäische, muss ihre Ausbreitung den Landwirten weniger Sorgen machen. Trotzdem ist bei beiden ein umsichtiges Handeln unverzichtbar. „Wenn sie sich zu sehr ausbreitet, haben die Bewirtschafter selbst schuld. Man muss rechtzeitig dagegen vorgehen“, so Jürgens. „Es geht relativ schnell, dann hat man den Kampf verloren. Wehret den Anfängen.“
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Aus Sicht des Biologen macht es Sinn, die beiden Arten unterschiedlich zu behandeln. „Wenn nichts Wertvolles in der Nähe ist, kann man die heimische Pflanze ruhig stehen lassen, aber die fremde sollte man rausreißen“, sagt er. Dabei solle man sicherheitshalber Handschuhe anziehen. „Menschen können mit Hautreizungen reagieren.“ Optisch unterscheiden sich die beiden Arten vor allem an der Breite der grünen Laubblätter.
Bei der Bekämpfung spiele dem Wiesenbesitzer in die Karten, dass die „Fernausbreitung“ bei beiden Arten eher gering sei. „95 Prozent der Ausbreitung geschehen in wenigen Metern Entfernung“, erläutert Ingo Jürgens. „Es reicht also völlig, wenn man die eigenen Flächen konsequent freihält.“
Und – das ist dem Naturfreund wichtig – auch unbeliebte Arten wie die giftigen Korbblütler seien ja nicht nur ein Problem. „Solche Pflanzen haben auch ihren Nutzen für die Natur.“ Für manche Insektenarten – wie den Jakobskrautbär, eine Raupenart – seien sie eine wichtige Nahrungsquelle. Der NABU betont immer wieder die hohe ökologische Bedeutung der heimischen Variante.
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