Der Rettungseinsatz im Rathaus von Berlin-Lichtenberg hat ein politisches Nachspiel. Der Hauptausschuss der Bezirksverordneten befasst sich am Mittwochabend mit dem Fall. Dabei wird es auch um die Rolle von Bezirksbürgermeister Michael Schaefer (CDU) gehen, der bereits Senat und Abgeordnetenhaus mit unvollständigen Antworten getäuscht hat.
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Doch das Ganze wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit besprochen – denn es geht auch um Personal. Aber Schaefer selbst hält sich nicht daran. Er verstößt sogar gegen den für Personalfragen geltenden Datenschutz.
In der vergangenen Woche schickte Schaefer an alle 2500 Mitarbeiter eine E-Mail. Der Betreff lautete: „Beschäftigteninformation: Der Newsletter des Bezirksbürgermeisters im Mai 2025 (Nr.1)“. Obendrein wurde der Newsletter auch im Internet veröffentlicht.
Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU).
© Bezirksamt Lichtenberg
Weltweit kann nun nachgelesen werden, was Schaefer über den Rettungseinsatz und den Katastrophenschutzbeauftragten denkt. Was war geschehen? Am 10. Februar – zur Briefwahl für den Bundestag – war ein 84-Jähriger im Bezirksamt zusammengebrochen.
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Der Katastrophenschutzbeauftragte des Bezirks griff als betrieblicher Ersthelfer und zertifizierter Rettungssanitäter ein, wurde aber von einem Mitarbeiter des Bezirksbürgermeisters beim Rettungseinsatz gestört. Die Feuerwehr brachte den Senior dann in ein Krankenhaus.
Kurz danach überzog Schaefer den Journalisten Lars Winkelsdorf wegen eines X-Posts mit einer Strafanzeige, was einen Polizeieinsatz bei ihm an der Wohnungstür auslöste.
Später beantwortete er die Fragen des Innenpolitikers Vasili Franci (Grüne) für das Abgeordnetenhaus unvollständig. Er ließ in der Auflistung von Presseanfragen mehrere Anfragen – ein Telefonat und zwei E-Mails – weg und beschönigte auch den Störvorfall beim Rettungseinsatz. Antworten zum Katastrophenschutzbeauftragten und „dienstrechtlichen Personaleinzelangelegenheiten“ verweigerte er wegen des „Schutzes von Persönlichkeitsrechten“. Dabei hatte er den Katastrophenschutzbeauftragten kaltgestellt.
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In seinem Newsletter waren ihm die Persönlichkeitsrechte egal. Der Bezirksbürgermeister schrieb: „Grundsätzlich ist es meine Pflicht als Dienstherr, den Schutz der Persönlichkeit unserer Beschäftigten und Personalangelegenheiten nicht in der Öffentlichkeit zu besprechen – dabei werden wir stets bleiben.“
Doch den „Beschäftigten des Bezirksamtes“ wollte er „für unser vertrauensvolles Miteinander etwas Klarheit verschaffen“. Schaefer nennt sogar Details: Der Mitarbeiter sei „nicht aufgrund seines Erste-Hilfe-Einsatzes am 10. Februar 2025 disziplinarisch belangt oder beurlaubt“ worden. Gemeint ist der Katastrophenschutzbeauftragte. Weshalb er beurlaubt wurde, schreibt Schaefer nicht.
Der Belegschaft dankt Schaefer „für die bei diesem sensiblen Thema ganz besonders verantwortungsvolle Diskretion“. Das Problem: Schaefer darf sich zu solchen Details wie etwa der Beurlaubung öffentlich überhaupt nicht äußern.
Schaefer wählte 110 und ein Streifenwagen kam zum Rathaus
Schließlich schrieb Schaefer noch einen Satz, mit dem er seinen 2500 Mitarbeitern und der Öffentlichkeit im Internet sogar die Unwahrheit sagt. Im Newsletter heißt es: „Ich habe weder einen Polizeieinsatz ausgelöst noch ließ ich einen Streifenwagen vorfahren oder habe eine Gefährderansprache angeregt. Dies versichere ich Ihnen.“
Doch eine Auskunft der Polizei widerspricht Schaefers Darstellung. Denn nach Angaben eines Sprechers hat Schaefer sehr wohl einen Polizeieinsatz ausgelöst. Laut Polizei alarmierte Schaefer am 11. Februar gegen 12 Uhr über den Notruf 110 die Polizei wegen einer Onlinebedrohung. Sofort sei ein Streifenwagen zum Bezirksrathaus gefahren, habe bei dem Einsatz aber nur eine Strafanzeige wegen einer Beleidigung aufgenommen, sagte ein Sprecher.
Staatsanwaltschaft prüft nur, ob Beleidigung vorliegt
Auch die Staatsanwaltschaft prüft aktuell nur den Vorwurf der Beleidigung. Um Bedrohung geht es gar nicht. Im Klartext: Wegen einer angeblichen Beleidigung musste die Polizei am Rathaus vorfahren, damit der Wahlbeamte Schaefer Anzeige stellen kann. Also genau das, was er gegenüber seinen Mitarbeitern bestreitet.
Schaefer aber bleibt dabei, dass er bedroht worden sei. Im Newsletter schreib er, es habe „mindestens sieben bedrohliche Tweets bei X mit Androhung von Gewalt gegen mich und weitere Mitarbeitende des Bezirksamts“ gegeben. Weiter wirft er dem Journalisten Winkelsdorf vor, dass dieser ihm Gewalt an- und mit einem „Besuch“ im Rathaus gedroht habe.
So ein Verhalten ist inakzeptabel und eines Bezirksbürgermeisters unwürdig.
Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin
Dabei hatte Winkelsdorf den Bezirksbürgermeister bereits am 23. Februar per schriftlicher Unterlassungsaufforderung nochmals darauf hingewiesen, dass er bereits vor Schaefers Anzeige in einem X-Post jedwede Straftaten ausgeschlossen habe.
Innenexperte Franco ist entsetzt. „Es erhärtet sich der Eindruck, dass der Bezirksbürgermeister versucht kritische Fragen abzubügeln, indem er gezielt versucht einen Journalisten einzuschüchtern und als kriminell darzustellen. So ein Verhalten ist inakzeptabel und eines Bezirksbürgermeisters unwürdig“, sagt Franco. Spätestens jetzt sei Schaefer in der Pflicht, Transparenz herzustellen und mindestens um Entschuldigung zu bitten.
Äußeres Geschehen und innere Erlebenswelten von Herrn Schaefer scheinen sich inzwischen nicht mehr in Übereinstimmung bringen zu lassen.
Lars Winkelsdorf, Journalist
Auch mit Schaefers Newsletter hat Franco ein Problem: „In der Antwort an das Abgeordnetenhaus schiebt er Personaleinzelangelegenheit vor, um nicht antworten zu müssen und verhindert eine effektive parlamentarische Kontrolle“, sagte Franco. „Gleichzeitig verletzt er seine Fürsorgepflicht, indem er seine Version der Geschichte über einen einzelnen Mitarbeiter nicht überprüfbar in der Öffentlichkeit verbreitet.“
Auch der Journalist Winkelsdorf äußerte Zweifel an Schaefers Befähigung für das Amt. „Äußeres Geschehen und innere Erlebenswelten von Herrn Schaefer scheinen sich inzwischen nicht mehr in Übereinstimmung bringen zu lassen. Dies wirft die Frage auf, in welchen Bereichen seiner Amtsführung solche Widersprüche ebenfalls bestehen würden.“
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Nicht nur Politiker, sondern auch politische Journalisten seien vor Verleumdungen geschützt. „Entsprechend habe ich meine Anwälte gebeten, nach Akteneinsicht Strafanzeige gegen Herrn Schaefer zu erstatten“, sagte Winkelsdorf. „Es ist vermutlich auch für den Bezirk Lichtenberg zielführend, wenn Herr Schaefer seine Behauptungen wird beweisen müssen.“
Schaefer missbrauche die politische Debatte zu Bedrohungen und Beleidigungen von Kommunalpolitikern zu seinen rein privaten Zwecken. „Ich veröffentlichte bereits unter eigener Gefährdung zu diesem Thema, als der Theologe und Pastor Schaefer noch am Taufbecken arbeitete.“