Die Entlassung des Brandenburger Verfassungsschutzchefs durch Innenministerin Katrin Lange (SPD) im Streit um die Einstufung der AfD als rechtsextremistisch schlägt Wellen bis in die Bundespolitik. Der Grünen-Bundesvorsitzende Felix Banaszak kritisierte die Brandenburger SPD wegen Vorgehens der Ministerin gegen den Abteilungsleiter hart. Diese zeige sich „auf dem rechten Auge blind“. Der Grünen-Chef warf der SPD auch vor, in Brandenburg die AfD nicht mehr als größte Bedrohung für die Demokratie zu betrachten.
„Man sollte meinen, spätestens mit der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz wäre der Ernst der Lage verstanden worden“, sagt Banaszak mit Blick auf die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vor einer Woche.
„Die AfD ist kein gewöhnlicher Bestandteil unseres demokratischen Systems – sie ist seine größte Bedrohung. Doch die SPD in Brandenburg scheint die Augen vor dieser Realität zu verschließen – oder, schlimmer noch: in die entgegengesetzte Richtung zu steuern.“
Grünen-Chef: Rauswurf ist gefährliches Signal
Zugleich erinnerte Banaszak daran, dass Ministerpräsident und SPD-Landeschef Dietmar Woidke mit einem „Ich oder die AfD“-Wahlkampf dafür gesorgt habe, dass demokratische Oppositionsparteien wie die Grünen oder die Linke aus dem Landtag gedrängt worden seien.
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„Noch schwerer wiegt die Entscheidung, eine Innenministerin zu berufen, die sich auf dem rechten Auge blind zeigt.“ Die Entlassung des Verfassungsschutzchefs sei ein gefährliches Signal. „Die SPD muss sich fragen, ob sie sich mit dieser Entscheidung in Brandenburg vom Anspruch verabschiedet, unsere freiheitlich demokratische Grundordnung und ihre Institutionen zu schützen.“
Lange hatte den Chef der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium, Jörg Müller, am Dienstag vom Dienst enthoben und will ihn in den einstweiligen Ruhestand versetzen. Lange begründet ihre Entscheidung mit Müllers angeblicher „Art der Kommunikation“.
Am 14. April hat Müller den Vermerk zur Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch unterzeichnet. Damit war die Entscheidung gefallen. Seit Sommer 2020 war die AfD bereits ein Verdachtsfall und konnte damit mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Über eine Klage der AfD dagegen hat das Verwaltungsgericht nach Angaben eines Sprechers bislang nicht entscheiden.
Jörg Müller, bisheriger Leiter des Verfassungsschutzes in Brandenburg.
© picture alliance/dpa/Monika Skolimowska
Müller durfte allein über die Hochstufung entscheiden. Denn nach einer Anweisung aus dem Jahr 2023 sollte nur noch der Abteilungsleiter fachlich entscheiden – möglichst unabhängig von der politischen Führung.
Ministerin will Bewertung erst am 5. Mai erhalten haben
Lange aber pocht nun darauf, dass sie den vollständigen Einstufungsvermerk erst am 5. Mai erhalten habe. Die Bewertung hätte ihr und dem Parlament „unverzüglich“ bereitgestellt werden müssen. In einer späteren Mitteilung des Ministeriums vom Mittwoch stand dann nichts mehr von „unverzüglich“.
Dort hieß es dann lediglich, dass die Ministerin und die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags für den Verfassungsschutz „in Fällen von besonderer Bedeutung zu unterrichten“ seien. Ob die nun von Lange aufgehobene Dienstanweisung von 2023 – sie behält sich künftig derlei Einstufungen selbst vor – die unverzügliche Information vorschrieb, wollte das Ministerium auf Nachfrage nicht beantworten.
Langes Pochen auf den 5. Mai verwischt zudem die Tatsachen. Sie wusste seit Dezember, damals frisch im Amt, von dem Gutachten der Abteilung zur Einstufung. Damals war bekannt geworden, dass Langes Vorgänger Michael Stübgen (CDU) die Einstufung zurückhielt – nämlich vor der Landtagswahl im September und dann wegen der absehbaren Neuwahl nach dem Ampelchaos im Bund. Jeder Eindruck, dass Wahlen beeinflusste werden könnte, sollte vermieden werden.
Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD).
© dpa/Soeren Stache
Im Dezember erklärte Lange sogar, dass sie dem Gutachten nachgehen werde. Seither sammelt die Abteilung fleißig weiter Informationen über die AfD und konnte den Verdacht sogar noch weiter erhärten.
Müller informierte Lange bereits am 10. April
Wie der Tagesspiegel erfuhr und wie auch übereinstimmend von „Welt“ und „Märkischer Allgemeiner Zeitung“ berichtet wird, hat Müller bereits am 10. April Lange persönlich und unter Zeugen informiert, dass er die AfD als rechtsextremistisch einstuft. Sogar zwei Exemplare des Gutachtens soll Müller der Ministerin vorgelegt haben. Der Abteilungsleiter soll vorgeschlagen haben, dass Lange die Entscheidung dann bei der für 16. Mai geplanten Vorstellung des Jahresberichts des Nachrichtendienstes verkündet.
Lange soll dies jedoch abgelehnt haben. Auch das Gutachten wollte sie nicht annehmen: Ihre Argumentation: Die Herausforderung durch die AfD müsse zunächst politisch beantwortet werden. So kommentierte sie auch die Einstufung der Bundes-AfD als gesichert rechtsextremistisch in der vergangenen Woche.
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Am 14. April gab es ein erneutes Gespräch zwischen Müller und Lange. Der Abteilungsleiter informierte die Ministerin, dass er über die Einstufung entschieden habe und ihr das Gutachten auf dem Dienstweg zukommen lasse. Damit lag die Entscheidung bei Lange, wie sie damit umgeht. Die Ministerin wollte aber nicht entscheiden müssen, dass die AfD hochgestuft wird.