Carsten Linnemann (CDU) und Felix Banaszak (Grüne) streiten bei „Maischberger“ über den Kurs der Merz-Regierung bei Migration, Wirtschaft und der AfD. Neu-Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) betont Konsequenzen für Arbeitsverweigerer und geht für 2026 von einem Mindestlohn von 15 Euro aus.
Es war der erste große öffentliche Auftritt von Bärbel Bas (SPD) in ihrer neuen Rolle als Bundesministerin für Arbeit und Soziales im Kabinett Merz – und der Kontext hätte kaum heikler sein können: Kanzlerwahl im zweiten Anlauf, eine dünne schwarz-rote Parlamentsmehrheit und der Verdacht politischer Schwäche von Beginn an. „Wir müssen da schon sehr aufpassen, dass diese Koalition das auch trägt“, sagte Bas im Einzelinterview mit Sandra Maischberger. Gerade einmal zwölf Stimmen Mehrheit trennen Regierung und Opposition. Dünnes Eis, das gestand auch Bas offen ein: Man müsse nun „immer die Fraktionen im Bundestag überzeugen“.
Neben Bas stritten im Polittalk „Maischberger“ am Mittwochabend der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann über den Start der schwarz-roten Koalition und Ziele des Koalitionsvertrags. Das aktuelle politische Geschehen kommentierten die Journalisten Mariam Lau („Zeit“), Gregor Peter Schmitz („Stern“) und der Schauspieler Hannes Jaenicke.
Dass sie ihrem Parteikollegen Hubertus Heil im Ministerium für Arbeit und Soziales nachfolgt, kommentierte Bärbel Bas im Gespräch mit Maischberger nüchtern: „Es war natürlich eine Proporz-Entscheidung.“ Region und Geschlecht spielten dabei eine Rolle. Heil, der sieben Jahre lang Arbeitsminister war, sei aber nicht beleidigt, sondern habe ihr gratuliert. Und man sei gut befreundet, sagte Bas.
Politisch aber will Bas nun eigene Akzente setzen. „Ich bin als Ministerin auch da, wenn Leute in der Not sind und Sicherung brauchen.“ Der Satz könnte schon für sich als programmatische Überschrift ihres Antritts stehen, doch machte sie zugleich deutlich, dass Solidarität an Bedingungen geknüpft ist.
„Wer nicht mitwirkt, arbeiten kann, der muss auch mit Sanktionen belegt werden.“ Sozialbetrug, Schwarzarbeit, da wolle sie entschieden durchgreifen. Es klang wie der Versuch, die Balance zwischen sozialdemokratischer Schutzverantwortung und den im Kabinett Merz stärker betonten Prinzipien von Ordnung und Disziplin zu wahren. Während die Ampelkoalition mehr auf soziale Unterstützung setzte, muss die SPD nun auch mehr Durchsetzung und Kontrolle akzeptieren.
Unter dem Titel „Was kommt mit Bas?“ forderte Maischberger die Bundesministerin zu Satzvervollständigungen auf. Bas antwortete knapp, aber aufschlussreich: Der Mindestlohn solle im nächsten Jahr auf 15 Euro steigen, „da gehe ich von aus.“ Eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit nach der Rentenreform? „Nein.“ Eine Vier-Tage-Woche? „Würde ich mir auch wünschen, ist aber unrealistisch.“
Besonders vielsagend war ihr Kommentar zur im Koalitionsvertrag vorgesehenen Abschaffung des starren Acht-Stunden-Arbeitstages: „War auch nicht unser Vorschlag“, sagte sie und ließ damit durchblicken, dass die SPD mit diesem CDU-Vorstoß fremdelt. Zwar gebe es Branchen, die flexiblere Modelle bräuchten, etwa im Handwerk, aber gerade in belasteten Bereichen wie der Pflege sei die Sorge vor Missbrauch groß, so Bas.
Am Ende gab es noch einen Moment feiner Ironie. Auf die Frage, wie sie Friedrich Merz nun einschätze, wiederholte Bas nach kurzem Zögern und einem Lächeln die Frage und sagte dann: „Er ist verlässlich. Wir duzen uns noch nicht, aber das kann ja noch kommen.“ Es war ein Satz, der politisch neutral klang und doch vielsagend war. In dieser schwarz-roten Koalition aus Notwendigkeit nach der engen Bundestagswahl und der nur knappen Mehrheit wird Vertrauen zum wichtigen Faktor.
Dass neben Vertrauen auch eine stabile Regierung nun vorrangig sei, versuchte dann Koalitionspartner und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zu bekräftigen. Am Tag nach dem historischen Fehlstart suchte er in der Diskussion mit Grünen-Chef Felix Banaszak den Eindruck politischer Schwäche zu entkräften. „Seit 24 Stunden machen wir Politik, reden wir nicht, sondern liefern“, bemühte er sich, den Fokus von der misslungenen Kanzlerwahl auf die ersten Schritte der Regierung unter Friedrich Merz zu lenken.
Der neue Kanzler ist einen Tag nach der Wahl zu Antrittsbesuchen in Frankreich und Polen aufgebrochen, Innenminister Alexander Dobrindt hatte mit einer Migrationsinitiative gestartet. „Lieber ein holpriger Start gestern im Parlament und vernünftig ins Ziel kommen, als am Anfang und am Ende scheitern“, so Linnemann.
Dass er selbst kein Ministeramt im Kabinett Merz übernommen hat, erklärte Linnemann pragmatisch: „Einfach nur ein Ministerium zu übernehmen, um Minister zu sein, ist nicht mein Ding.“ Linnemann war lange als Wirtschaftsminister gehandelt worden, das Amt bekamen aber die Sozialdemokraten.
Grünen-Vorsitzender Felix Banaszak, der sich in der Runde als neuer Oppositionspolitiker wohlzufühlen schien, stichelte dennoch: „In diesem Koalitionsvertrag steckt in der Wirtschaftspolitik an einigen Stellen mehr Robert Habeck als Carsten Linnemann.“ Die Union setze jetzt die Investitionsagenda um, die der Ampelkoalition nicht möglich gewesen sei, weil die Union dagegen geklagt habe
Zurückweisungen sind laut Linnemann keine Grenzschließungen
Der CDU-Mann konterte: „Nein, machen wir überhaupt nicht. Wir machen das Gegenteil von dem, was Habeck gemacht hat.“ Die Union wolle Unsicherheiten beseitigen, Vertrauen wiederherstellen, insbesondere im Mittelstand. Die Abschaffung des umstrittenen Heizungsgesetzes sei da nur ein Anfang.
Besonders in der Migrationspolitik versuchte Linnemann, die neue Regierung als handlungsfähig zu präsentieren. Innenminister Dobrindt hatte die Bundespolizei mit einem Brief beauftragt, sogenannte Zurückweisungen an den Grenzen unter bestimmten Bedingungen zu verschärfen, auch für Asylsuchende – ein wichtiger Punkt der Union auch im Wahlkampf. „Es geht nicht um Grenzschließungen“, betonte Linnemann, „das ist AfD-Rhetorik.“ Es gehe um „Zurückweisungen.“
Für Banaszak jedoch klang das aber nach alter Symbolpolitik. Mit sichtbarer Verärgerung widersprach er fast jedem Punkt des Koalitionskurses. Linnemann forderte von ihm daraufhin 100 Tage ein, die Regierung liefern zu lassen. Banaszak konterte trocken: „Wir können gern in 100 Tagen wieder hier sitzen.“
Beim Thema AfD zeigten sich tieferliegende Konfliktlinien. Während Banaszak mit scharfen Worten vor der „Normalisierung“ und „Radikalisierung“ der Partei warnte und sich für die Überprüfung eines Verbotsverfahrens vom Verfassungsgericht aussprach, trat Linnemann auf die Bremse. „Unzufriedenheit kann man nicht verbieten“, sagte er zu den 10 Millionen AfD-Wählern und nannte die AfD „Protestpartei“.
Linnemann warnte vor dem Effekt, der eintreten könnte, wenn ein Parteiverbot vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt werde: „Dann hat die AfD ein Siegel.“ Die richtige Antwort auf den Aufstieg der AfD sei nicht juristisch, sondern politisch, so der CDU-Generalsekretär: „Die letzten 24 Stunden waren ein guter Start. Und das ist die Antwort auf die AfD.“