Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Warum ist der Tag der Befreiung kein bundesweiter Feiertag? Und wie wird das Kriegsende in anderen Ländern begangen?
8. Mai 2025, 6:05 Uhr
Ihr Browser unterstützt die Wiedergabe von Audio Dateien nicht. Download der Datei als mp3: https://zon-speechbert-production.s3.eu-central-1.amazonaws.com/articles/9e623ace-6214-4549-9b31-d5ee2a55a3c2/full_104f953607018ebf580837ec676d42022e36eb3fa20f05f17a758a06e6401c2de5c9df59979e632a18b7d0acb759f8fb.mp3
10 Min.
-10:20
0.5x
0.75x
1.0x
1.25x
1.5x
2.0x
53
Kommentare
Zusammenfassen
Schließen
Artikelzusammenfassung
Berlin hat den 8. Mai als einmaligen gesetzlichen Feiertag anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa festgelegt. Es sind über 60 Gedenkveranstaltungen geplant, darunter Reden im Bundestag und die Projektion des ersten Grundgesetzartikels auf das Brandenburger Tor. Der Tag markiert die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands vor 80 Jahren, obwohl der Zweite Weltkrieg erst später mit der Kapitulation Japans endete. Die Erinnerung an den 8. Mai ist in Deutschland ambivalent, da er für einige eine Befreiung und für andere eine persönliche Katastrophe darstellt. In der DDR war der 8. Mai bis 1967 gesetzlicher Feiertag. Russland und Belarus sind nicht zur zentralen Gedenkfeier eingeladen, da ihr Gedenken instrumentalisiert wird. Andere ehemalige Sowjetrepubliken haben das Gedenken an das Kriegsende vom 9. auf den 8. Mai verlegt, um sich von sowjetischen Traditionen abzugrenzen. In anderen Ländern wie den USA, Frankreich, Tschechien und der Slowakei ist der 8. Mai ein nationaler Feiertag, während die Niederlande bereits am 5. Mai das Ende der deutschen Besatzung feiern.
Dies ist ein experimentelles Tool. Die Resultate können unvollständig, veraltet oder sogar falsch sein.
Fanden Sie die Zusammenfassung hilfreich?
Gefällt mir
Gefällt mir
Gefällt mir nicht
Gefällt mir nicht
Send
Diese Audioversion wurde künstlich erzeugt.
Schließen
Die Audioversion dieses Artikels wurde künstlich erzeugt.
Wir entwickeln dieses Angebot stetig weiter und freuen uns über Ihr Feedback.
Teilnehmer einer Parade in London zum Gedenken an den 80. Jahrestag des Kriegsendes während einer Pause. An diesem 8. Mai sind in Deutschland und Europa zahlreiche Gedenkveranstaltungen geplant.
Military personnel unwind at Wellington Barracks after taking part in an overnight rehearsal for the VE (Victory in Europe) Day 80 procession in central London on May 3, 2025. Britain kicks off four days of events Monday marking 80 years since the end of World War II in Europe, lent extra poignancy by the fading of the „Greatest Generation“ and renewed global turbulence.
© Henry Nicholls/AFP/Getty Images
Der 8. Mai ist in Berlin in diesem Jahr einmalig ein gesetzlicher Feiertag. Damit
will die Hauptstadt anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung vom
Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa ein
Zeichen setzen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Tag der Befreiung im Überblick:
Alle Fragen im Überblick:
Was ist für den Tag geplant?
In Berlin sind mehr als 60 angemeldete Gedenkveranstaltungen angemeldet. Im Bundestag sprechen unter anderem die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der auch einen Kranz an der Neuen Wache unter den Linden niederlegen wird.
Am Abend soll auf das Brandenburger Tor der erste Satz des
ersten Grundgesetzartikels projiziert werden. Von Sonnenuntergang bis
Mitternacht werde dort dann „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ zu
lesen sein, wie die Senatskanzlei ankündigte.
Was geschah vor 80 Jahren?
Zwei Wochen lang hatte die Rote Armee gemeinsam mit einigen polnischen Verbänden um die Reichshauptstadt gekämpft – am 2. Mai 1945 wurde Berlin eingenommen. Das Ausmaß dieser letzten großen europäischen Schlacht des Zweiten Weltkriegs war verheerend: Mehr als 70.000 sowjetische, fast 9.000 polnische sowie mindestens 90.000 deutsche Soldaten wurden getötet, hinzu kamen Zehntausende zivile Opfer. Militärisch war Nazi-Deutschland besiegt, die bedingungslose Gesamtkapitulation der Wehrmacht trat jedoch erst eine knappe Woche später in Kraft: am 8. Mai 1945.
Generaloberst Alfred Jodl unterschrieb diese zwar schon in der Nacht zum 7. Mai im Hauptquartier der westalliierten Streitkräfte im französischen Reims. Auf Drängen Stalins wurde das Dokument jedoch erst knapp zwei Tage später im sowjetischen Hauptquartier in Berlin-Karlshorst von den Oberbefehlshabern von Heer, Luftwaffe und Kriegsmarine ratifiziert. Da die Unterzeichnung nach Moskauer Zeit erst nach Mitternacht erfolgte, wird in Russland am 9. Mai an dieses historische Ereignis erinnert.
© Lea Dohle
Newsletter
Was jetzt? – Der tägliche Morgenüberblick
Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.
Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.
Tatsächlich war der Zweite Weltkrieg mit der Kapitulation Nazi-Deutschlands nicht komplett beendet: Soldaten der USA kämpften noch drei Monate lang gegen das japanische Kaiserreich, bevor die Vereinigten Staaten am 6. August eine Atombombe über der Stadt Hiroshima abwarfen. Zeitgleich mit dem Abwurf einer zweiten Bombe über Nagasaki griff die Rote Armee am 9. August mehrere Stellungen in der japanisch kontrollierten Mandschurei an. Erst daraufhin gab Kaiser Hirohito am 15. August die bedingungslose Kapitulation seines Reichs bekannt. Die letzten japanischen Streitkräfte kapitulierten etwa zwei Wochen später in Singapur – damit war der Zweite Weltkrieg endgültig beendet.
Wie wurde in der Bundesrepublik an das Kriegsende erinnert?
Niederlage oder Befreiung? Dieser Gegensatz prägt bis heute die deutsche Erinnerung an den 8. Mai. Einerseits besiegelte der Tag das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, was für Millionen von Überlebenden aus Konzentrationslagern, Gefängnissen, Zwangsarbeitslagern und besetzten Ländern Befreiung bedeutete. So wird der Opfer des Nationalsozialismus seit fast 30 Jahren am 27. Januar gedacht – dem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee.
Andererseits war der 8. Mai für die Mehrheit der Deutschen eine persönliche Katastrophe. Was von vielen „als nationale Not empfunden“ worden sei, „war für andere Völker die Befreiung von Fremdherrschaft, von Terror und Angst“, fasste Willy Brandt diese Ambivalenz 1970 zusammen.
Vor allem der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker prägte die Deutung, dass auch die deutsche Bevölkerung befreit worden sei: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“, sagte er 1985 bei einer Gedenkveranstaltung im Bundestag. Seine Rede gilt heute als Zäsur der deutschen Erinnerungskultur.
Weizsäcker verband die Notwendigkeit der Erinnerung mit der Hoffnung auf Versöhnung. Von konservativer Seite stieß er damit auf Unverständnis: Man solle die Vergangenheit besser in der Versenkung verschwinden lassen, entgegnete etwa der bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß (CSU). Zugleich wird Weizsäckers Rede heute auch kritisch betrachtet, weil sie viel Raum zur Entlastung bot: Bemängelt wird etwa, dass die historische Verantwortung Adolf Hitler und einer kleinen Elite zugeschrieben werde, die die Deutschen verführt hätten.
Und wie war es in der DDR?
In der DDR war die Befreiung vom Faschismus Teil des staatlichen Gründungsmythos. Entsprechend war der 8. Mai offizieller Gedenktag, bis 1967 – und zum 40. Jahrestag 1985 – sogar gesetzlicher Feiertag. In großen Paraden ehrte man kommunistische Widerstandskämpfer und sowjetische Soldaten, die im Kampf gegen den Faschismus getötet wurden. Allein in der Sowjetunion waren im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Menschen getötet worden, etwa die Hälfte von ihnen als Soldaten.
Seit 1965 gedachte die Sowjetunion dem Ende des sogenannten Großen Vaterländischen Krieges am 9. Mai. Von 1975 an folgte die DDR-Führung diesem Beispiel: Aus dem seit 1967 einfachen Gedenktag wurde wieder ein arbeitsfreier Feiertag, aus dem Tag der Befreiung der Tag des Sieges – und aus dem 8. der 9. Mai.
Heute ist der 8. Mai in einigen Bundesländern offizieller Gedenktag – aber kein gesetzlicher Feiertag. Zahlreiche Initiativen fordern das seit Jahren. Die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano schrieb 2021 an Bundespräsident Steinmeier, es sei „überfällig“, den 8. Mai zum bundesweiten Feiertag zu erheben.
Warum dürfen Vertreter Russlands nicht teilnehmen?
In vielen ehemaligen Sowjetrepubliken ist der 9. Mai noch immer nationaler Feiertag. Unter Russlands Präsident Wladimir Putin wird das Gedenken jedoch seit Jahren instrumentalisiert: Während die Rote Armee gegen den Hitlerfaschismus gekämpft habe, führe das russische Militär diesen Kampf heute in der Ukraine fort, lautet das Narrativ der russischen Propaganda.
Der Bundestag hat daher entschieden, die Vertreter von Russland und Belarus nicht zur zentralen Gedenkfeier am 8. Mai einzuladen. Das Auswärtige Amt riet zudem Ländern, Kommunen und Gedenkstätten, von Einladungen abzusehen.
Dennoch wird damit gerechnet, dass der russische Botschafter Sergej Netschajew wie in den Jahren zuvor am 9. Mai einen Kranz am Ehrenmal im Treptower Park niederlegen wird. Die Berliner Polizei hat bereits angekündigt, alle Veranstaltungen mit einem verstärkten Aufgebot zu schützen.
Die Ukraine verlegte ihr offizielles Gedenken bereits vor zwei Jahren bewusst auf den 8. Mai: „Wir geben unserem Staat eine ehrliche
Geschichte ohne ideologische Einflüsse zurück“, sagte der ukrainische
Präsident Wolodymyr Selenskyj damals. Ursprünglich war
der Schritt bereits 2015 geplant gewesen, aus Sorge vor einer Spaltung
des Landes jedoch nicht offiziell bestätigt worden.
Auch andere
ehemalige sowjetisch geprägte Länder haben das Gedenken an das
Kriegsende vom 9. auf den 8. Mai verlegt, um sich von sowjetischen
Traditionen abzugrenzen. Bulgarien, Polen, Rumänien und Moldawien feiern
heute offiziell am 8. Mai, während der 9. Mai meist nur noch von
russischen Minderheiten oder inoffiziellen Gruppen begangen wird. Ein
Tag der „Befreiung“ wird dort auch deshalb nicht gefeiert, weil für
viele Staaten im östlichen Teil Europas nach dem Sieg über Nazi-Deutschland nicht Freiheit, sondern Jahrzehnte der
sowjetischen Besatzung und Unterdrückung folgten.
Wie gedenken andere Staaten dem Kriegsende?
Weil die Niederlage von Nazi-Deutschland und Japan zeitlich auseinanderfiel, gab es für die Alliierten zwei Tage zu feiern: Den V-E Day (Victory in Europe Day) sowie den V-J Day (Victory over Japan Day). Letzterer war in den USA bis 1975 staatlicher Feiertag. Bedeutender ist dort heute jedoch der Veterans Day am 11. November, der ursprünglich (als Armistice Day) an das Ende des Ersten Weltkriegs erinnerte, inzwischen aber allen US-Veteranen gewidmet ist.
Weil der Name aus Sicht von US-Präsident Donald Trump die Rolle der USA nicht angemessen würdigte, kündigte er kürzlich an, ihn in Victory Day for World War I umzubenennen. Analog dazu soll der 8. Mai in den USA künftig Victory Day for World War II heißen – obwohl der Zweite Weltkrieg erst Monate später endete. „Wir haben beide Kriege gewonnen, niemand kam uns in Bezug auf Stärke, Tapferkeit oder militärisches Genie auch nur annähernd gleich, aber wir feiern nie etwas“, schrieb Trump in einem Post auf seiner Plattform Truth Social. Ein entsprechendes Dekret wurde von Trump allerdings bislang nicht unterzeichnet.
In Frankreich, Tschechien und der Slowakei ist der 8. Mai nationaler Feiertag. Die Niederlande feiern bereits am 5. Mai, dem sogenannten Bevrijdingsdag, das Ende der deutschen Besatzung. Auch hier zeigt sich: Das Erinnern an das Kriegsende ist bis heute geprägt von nationalen Perspektiven – und sehr unterschiedlichen historischen Erfahrungen.