Mit zahlreichen Gedenkveranstaltungen und einem umfangreichen Polizeieinsatz wird in Berlin am Donnerstag und Freitag der 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa und der Befreiung von der Nazi-Herrschaft begangen.
Besondere Brisanz hat das Thema wie in den vergangenen Jahren wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Auch deswegen gelten besondere Sicherheitsmaßnahmen der Polizei.
Großes Polizeiaufgebot und Flaggenverbot
Die Polizei ist am Donnerstag mit rund 1900 Kräften bei den zahlreichen Gedenkveranstaltungen und Versammlungen in der Stadt im Einsatz.
Für das Gedenken an den drei sowjetischen Ehrenmalen wurden von der Behörde bestimmte Verbote für Donnerstag und Freitag erlassen. Nicht erlaubt sind wie im Vorjahr Flaggen und Fahnen mit russischem Bezug– dazu zählen auch sowjetische Flaggen –, militärische Uniformen, Uniformteile und Abzeichen, Marsch- und Militärlieder, Symbole und Kennzeichen zur Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine wie die Buchstaben V oder Z.
Mehr als 60 Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen sind insgesamt angemeldet – darunter auch zahlreiche Kranzniederlegungen von staatlichen Institutionen, Parteien und Initiativen an den drei sowjetischen Ehrenmalen im Treptower Park, am Brandenburger Tor und in der Schönholzer Heide. Dazu kommt auch ein stilles Gedenken mit dem ukrainischen Botschafter Oleksii Makeiev und Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) an der Neuen Wache.
Die BSW-Delegation beim Sowjetmahnmal im Tiergarten.
© Dominik Lenze
Solidarität mit der Ukraine, Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs und das Zelebrieren alter Feindbilder: Beim Sowjet-Mahnmal im Tiergarten trafen am Donnerstagmorgen Ukraine-Aktivisten und eine Delegation des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ aufeinander.
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Als die BSW-Vorsitzende Amira Mohamed Ali zur Kranzniederlegung auf das Tiergarten-Mahnmal zuging, lief sie zunächst an mehreren Ukraine-Flaggen vorbei und dann direkt auf zwei Aktivisten mit Nato-Flagge zu, die sich am Sowjet-Monument positioniert hatten.
Ein Teilnehmer der BSW-Gruppe rief die Polizei und beschwerte sich lautstark: „Die stören das Gedenken“. Die Polizei griff rasch ein, die BSW-Vorsitzende und ihre Begleitung posierten für ein Foto. Die Ukraine-Flaggen würden sie nicht stören, sagte die Ali dem Tagesspiegel. „Die Ukraine war ja auch Teil der Sowjet-Union“, so die BSW-Vorsitzende. Das Zeigen der Nato-Flagge empfinde sie hingegen als „Provokation“.
Aktivisten wollen auf die russischen Kriegsverbrechen aufmerksam machen.
© Dominik Lenze
Für andere Besucher des Mahnmals sind Ukraine- und Nato-Flaggen eine Mahnung, nicht den aktuellen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu vergessen. „Die prorussischen Kräfte, ob Russen oder Deutsche, versuchen solche Gedenken für ihre Propaganda zu nutzen – da wollen wir ein Zeichen dagegen setzen“, sagte die Berlinerin Silke, die sich an einem pro-ukrainischen Protest beteiligte.
Was Gedenken und was Störung von Gedenken ist, das war an diesem Donnerstagmorgen umstritten: Auf der linken Seite des Platzes vor dem Mahnmal las eine kleine Gruppe die Namen gefallener ukrainischer Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg vor. Auf zwei Schildern wurde eine Verbindung zwischen dem Krieg damals und dem russischen Angriffskrieg heute gezogen.
Eine kleine Gruppe liest die Namen gefallener ukrainischer Soldaten aus dem zweiten Weltkrieg vor.
© Dominik Lenze
Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine Gruppe Berliner BSW-Anhänger, darunter auch Landeschef Alexander King. Die Aktion auf der anderen Seite des Platzes sei für ihn eine „Instrumentalisierung des Gedenkens“, sagte er dem Tagesspiegel.
An der Russischen Botschaft unter den Linden versammelte sich ein Grüppchen älterer Männer und Frauen. Eine Frau brachte Rosen mit, Nelken habe sie nicht mehr bekommen. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Wachpersonal bekam die Gruppe die Erlaubnis, die Blumen vor der Kreml-Außenstelle abzulegen.
Warum Sie hierhin gekommen sind? „Am Tiergarten ist ja nicht einmal die sowjetische Flagge erlaubt, erst recht nicht die russische“, sagte eine der Frauen dem Tagesspiegel. „Das ist uns besonders wichtig aufgrund der aktuellen Lage“, sagte eine weitere Frau. Gemeint ist nicht Russlands Angriff auf die Ukraine: „Was in der Westukraine abläuft, ist purer Faschismus“, sagte sie, ohne dies näher zu erläutern.
Frauen legen Rosen an der russischen Botschaft ab.
© Dominik Lenze
Auch auf den autoritären Kreml-Chef Wladimir Putin lässt die Frau nichts kommen: „Nur weil Russland nicht woke ist, sind die doch nicht gleich autoritär“, meint sie. Aus ihrer Sicht sei die wahre Diktatur Deutschland: „Bei uns ist die Demokratie doch endgültig abgeschafft“, sagte die Frau. Auf den Einwand, dass in Russland Oppositionelle ihr Ende im russischen Gefängnissystem finden, entgegnete eine der Frauen: „Der Ballweg war hier doch auch in U-Haft“. Gemeint ist Michael Ballweg, der Gründer der verschwörungsgläubigen Querdenken-Bewegung.
Mit einem ökumenischen Gottesdienst begann derweil in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche das offizielle Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung von der NS-Diktatur am 8. Mai 1945. „Trauer bleibt, Fassungslosigkeit und Entsetzen bleiben, auch nach 80 Jahren“, sagte die EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs.
An dem Gottesdienst nahmen die Spitzen aller fünf Verfassungsorgane teil: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sowie die Präsidentinnen und Präsidenten von Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht – Julia Klöckner (CDU), Anke Rehlinger (SPD) und Stephan Harbarth. Sie wollten anschließend an der Neuen Wache in Berlin Kränze niederlegen. Im Mittelpunkt des Erinnerns steht später eine Gedenkstunde im Bundestag. Dabei wird Steinmeier die zentrale Rede halten.
Im gesamten Regierungsviertel bis zum Sowjetmahnmal sind am Donnerstag zahlreiche Polizeikräfte im Einsatz. Allein gegenüber des Tiergarten-Mahnmals parken über 20 Einsatzfahrzeuge, auch auf dem Areal vor dem Mahnmal sind mehrere Polizeikräfte im Einsatz.
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Von Besuchern werden Taschen kontrolliert. Die Versammlungsauflagen, zum Beispiel das Verbot von Uniformen oder des kriegsverherrlichenden russischen „Z“-Zeichens, hängen auf Deutsch, Russisch und Englisch aus.