Cathleen Reimer (47) hat in diesem Jahr die schlimmsten Wochen ihres Lebens erlebt, wie sie selbst erzählt. Ab Mitte Januar war klar, dass es für die traditionsreiche „Reimer Holz und Platten GmbH“ ums Überleben geht. Am 1. April war mit dem Insolvenzantrag dann der Kampf verloren und zehn Arbeitsplätze vernichtet. Nicht, weil etwa die Kunden abgesprungen waren oder gar Aufträge fehlten. Am Ende brachen die Folgen der Russland-Sanktionen den Holzverarbeitern in Tewswoos das Genick. Denn durch die Russland-Sanktionen kamen die Reimers nicht mehr an ihr wichtigstes Material, die sibirische Lärche, heran. Gut die Hälfte aller Produkte wurden aus diesem Holz gefertigt.
„Wir wurden behandelt wie Schwerverbrecher“
Das Urteil der Unternehmerin: „Die kleinen Unternehmen gehen drauf, den Großen hilft man. Wir wurden teilweise behandelt wie Schwerverbrecher. Hilfe kam so gut wie keine. Am Ende lag es an 50.000 Euro Überbrückung, die uns das Überleben gesichert hätten. Doch die gab es schlicht nicht.“
Bis zu den Sanktionen lief es gut in Tewswoos
Die Firma Reimer war ein klassischer Lohnfertiger, der vor allem Holz für Terrassen herstellte und viele Auftraggeber hatte. Daneben war das 1902 gegründete Unternehmen auf den Bau von hölzernen Kabeltrommeln spezialisiert. Und auch die bekannten Holzkisten des Vielanker Brauhauses wurden in dem kleinen Dorf in traditionsreichen Hallen gefertigt, immerhin 1200 Stück in der Woche. „Ich kann sagen, es lief richtig gut, jeden Tag kam ein Lkw auf den Hof und wir überlegten schon, ob wir nicht eine zweite Anlage kaufen sollten.“
Holz aus Kanada kam zu spät
Mit den Sanktionen war es dann ab Mitte 2023 mit den sibirischen Hölzern vorbei. Die sind eigentlich wegen ihrer Qualität nicht zu ersetzen, dennoch setzte Cathleen Reimer mit ihrem Mann Mario alles auf die neue Hoffnung, die kanadische Douglasie. Doch der Kampf um die neuen Importe zog sich, war kompliziert, zumal jetzt ja viele in der Welt auf das kanadische Holz setzten. „Ich will gar nicht sagen, dass wir alles richtig gemacht hätten. Aber in der Übergangsphase fehlten dann doch die Hilfen. Für kleine Unternehmen, wie wir es waren, gibt es da nichts. Nur die Rechnungen liefen weiter.“ Das kanadische Holz kam dann irgendwann, doch es war zu spät. Die laufenden Kosten fraßen das Unternehmen auf, zumal auch die Kunden vorsichtiger mit ihren Bestellungen wurden.
Niemand sollte wegen der Sanktionen pleitegehen
Dabei hatte es der frühere Wirtschaftsminister des Landes der jungen Frau in die Hand versprochen, dass niemand im Land wegen der Sanktionen pleitegehen werde. So erinnert es Cathleen Reimer. Das passierte dann aber doch, obwohl kein Kunde abgesprungen war. Da half der Unternehmerfamilie die private Zurückhaltung beim Geld nicht. Der Fall sorgte für Aufsehen, denn Cathleen Reimer war auch Vizepräsidentin des Unternehmerverbandes Norddeutschland.
Beim Unternehmerverband sorgte der Fall Reimer nur für Kopfschütteln, mit Tom Henning ist ein weiteres Vorstandsmitglied von einer vorläufigen Insolvenz betroffen. Verbandsgeschäftsführerin Pamela Buggenhaggen: „Wir haben natürlich versucht zu helfen, Fakt ist aber, dass es die kleinen Unternehmen in den Krisen deutlich schwerer haben, als die Großen.“
Familie versucht einen bescheidenen Neuanfang
Für die 47-jährige Frau hat sich das Leben deutlich gewandelt. Sie arbeitet jetzt als Angestellte für eine Physiotherapie. Ihr Mann Mario, der auch zweiter stellvertretender Bürgermeister in Tewswoos ist, hat eine neue Firma mit ähnlichem Namen gegründet und versucht einen bescheidenen Neuanfang. Bisher mit Erfolg. „Mein Mann muss jetzt zum Teil unsere alten Maschinen aus der Insolvenzmasse neu kaufen. Das stößt einem schon bitter auf, zumal es wirklich nicht nötig gewesen wäre.“