Ein Sonntagnachmittag im Tanzhaus NRW. In allen Sälen finden Kurse statt. Im Studio mit der Nummer 7 auch und doch ist es ein besonderes Angebot, das Teilnehmende sogar regelmäßig aus anderen Städten anreisen lässt: Das Tango Café für Menschen mit Parkinson.

Fünf Paare sind gekommen und Renate, die allein teilnimmt, aber nicht allein bleiben wird. Denn das Außergewöhnliche an diesem Kursangebot ist, dass auch Menschen ohne Begleitung willkommen sind. „Wenn nicht meine Assistentin Ulrike den Part des Tanzpartners übernimmt, dann springe ich ein“, verspricht Andrea Stegmaier del Prado. Seit 2024 leitet sie das Tango Café für Menschen mit Parkinson. Kaffee gibt es übrigens tatsächlich, ebenso wie Gebäck. Doch erst in der Pause. Vorher steht das Warm-up auf dem Programm.

Alle haben auf einem Stuhl Platz genommen. „Gerader Rücken, das rechte Bein vorstrecken und den Fuß langsam kreisen lassen“, erklärt Andrea die erste Übung und mahnt an: „Das ruhige Atmen nicht vergessen.“ Dann ist das linke Bein dran. Es folgt noch eine Dehnübung für die Oberschenkel und dann heißt es Stühle beiseitestellen und eine leichte Schrittfolge im Takt zur Musik lernen.

Aus den Lautsprechern klingt argentinischer Tango. Instrumental und im langsamen Rhythmus, den alle im Raum mit ihrer Schrittfolge aufnehmen und sich dabei im Kreis bewegen. Noch ist jeder für sich. Die Schritte werden länger, das Tempo nimmt zu.

„Die nächste Übung machen wir mit Partner. Dabei nimmt jeder einmal die Rolle der Führung und die Rolle des Geführten ein“, sagt die Kursleiterin und erklärt: „Der Rollentausch wird normalerweise nicht unterrichtet. Am Anfang entscheidet man sich, ob man führt oder geführt werden möchte und dann bleibt es dabei.“ Sie macht es anders, weil das Einlassen auf eine wechselnde Perspektive bei allen Teilnehmenden die Konzentration fördert, ganz gleich ob mit oder ohne Parkinson. Denn wer geführt wird, muss sich ganz auf den Partner einlassen. Gar nicht so einfach, wie sich im Selbstversuch zeigt. Vor allem nicht ständig auf die Füße zu schauen, um zu checken ob die Schriftfolge stimmt, lenkt ordentlich ab. Da sind die Paare im Studio 7 schon weiter. Sie halten Blickkontakt und erspüren jede Bewegung des Gegenübers, nehmen sie auf und passen die eigenen Bewegungsabläufe an.

Ein Lächeln huscht über Andreas Gesicht. Die Gruppe ist mit ganzem Herzen dabei und selbst diejenigen, die an diesem Tag zum ersten Mal ins Tanzhaus NRW gekommen sind, lernen die Abläufe erstaunlich schnell. „Es gibt mir sehr viel zu sehen, wie gut ihnen das Tanzen tut“, gibt Stegmaier del Prado zu.

Die gebürtige Chilenin ist ausgebildete Bühnentänzerin und Tanzpädagogin. Seit 20 Jahren ist sie am Tanzhaus NRW. „Ich habe hier selbst in einem Tangokurs angefangen. Zuhause ist der Tango überall präsent. Alle tanzen ihn“, erzählt Andrea. Bald schon wird sie gebeten, eigene Kurse zu geben. Inzwischen sind sie ein Team aus vier Trainern. Doch Andrea ist die Einzige, die das Tango Café für Menschen mit Parkinson anbietet. Die Leiterin der Akademie Sabine Sörgel hatte gefragt, ob sie sich das vorstellen könnte und die Tänzerin sagte ja. „Ich habe ein wenig recherchiert und war überrascht, wie weit man in anderen Ländern – beispielsweise in den USA – mit Tanzangeboten für Menschen mit Parkinson oder Demenz ist. Hier steckt das noch in den Kinderschuhen“, bedauert sie. Das Tanzhaus NRW nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein und hat bereits Kurse für Menschen mit Demenz und Parkinson im Programm.

Damit ist es allerdings ziemlich allein in der Region. „Zu uns kommen drei Paare, die extra jedes Mal aus Aachen anreisen“, sagt Andrea. Wolfgang und Alexandra sind schon seit der ersten Stunde dabei. Die beiden fahren dafür alle drei Wochen von Willich nach Düsseldorf. Spürt Alexandra eine Veränderung, seit sie regelmäßig Tango tanzt? „Dafür sind die Intervalle zwischen den Stunden leider zu lang“, bedauert Alexandra. „Aber es tut mir einfach gut, mich zu bewegen“, räumt sie ein. Brigitte und Bruno sind zum ersten Mal dabei. Die beiden Erkrather bringen schon zwölf Jahre Tanzerfahrung mit. Tango allerdings gehörte bis dato nicht zu ihrem Repertoire. „Es ist anstrengend, aber es macht Spaß“, resümiert der an Parkinson erkrankte Bruno.