Offenbar für verdiente Nazis gebaut: die Ostmarkstraße in Stade

Stade im Wandel der Zeiten: Von der unsicheren Demokratie über das NS-Regime bis zum Neuanfang in der Bundesrepublik. In kaum mehr als zwei Jahrzehnten erlebte die Hansestadt tiefgreifende politische Umbrüche – und mittendrin: die Stadtverwaltung. Dr. Anne Lena Meyer geht diesem bewegten Kapitel erstmals umfassend auf den Grund. Ihre Dissertation ist jetzt als Buch erschienen: „Demokratie und Diktatur vor Ort: „Die Stadtverwaltung Stade und ihr Personal von der Weimarer Republik zur Bundesrepublik (1926–1952)“. Die Monografie wirft einen tiefgründigen Blick auf ein bislang wenig erforschtes Kapitel der Stader Vergangenheit.

Quer durch wechselnde politische Systeme
Wie reagierte eine Stadtverwaltung auf politische Umbrüche wie den Übergang von der Weimarer Republik zum NS-Regime und schließlich zur jungen Bundesrepublik? Welche Spuren hinterließ die Ideologie der Nationalsozialisten im alltäglichen Verwaltungshandeln? Und: Wurden diese Spuren nach dem Krieg konsequent aufgearbeitet – oder eher verwischt? Diesen Fragen geht Meyer in ihrer Dissertation nach – faktenreich, kritisch und mit viel Gespür für die lokalen Auswirkungen großer Geschichte.

Stades braune Vergangenheit wird erforscht

Zwischen Anpassung und Aufarbeitung
Ein Beispiel, das Meyer nennt, ist der Umgang mit dem jüdischen Friedhof in Stade. Doch auch strukturelle Veränderungen in der Behörde und die politische Steuerbarkeit der Verwaltung stehen im Fokus. Es geht nicht nur um Schuld und Verantwortung, sondern auch um Kontinuität und Wandel – um das Spannungsfeld zwischen Anpassung, Mitgestaltung und späterer demokratischer Erneuerung.

Anerkennung für eine „Pionierstudie“
Bürgermeister Sönke Hartlef betonte bei der Buchpräsentation, die kürzlich im Stader Rathaus stattfand: „Ich persönlich finde interessant, dass Frau Dr. Meyer in ihrer Forschung 26 Jahre beleuchtet – also nicht nur die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus.“ Die Leser würden erfahren, wie die Stadtverwaltung auf politische Verhältnisse reagierte, die sich zwischen 1926 und 1952 mehrfach grundlegend geändert haben. Die Leiterin des Stadtarchivs, Dr. Christina Deggim, hob hervor, dass hier eine „Pionierstudie“ vorgelegt worden sei, die „die Stader Geschichte in der Stadtgeschichtsforschung etablieren wird“. 

Ein Buch zur richtigen Zeit
Erschienen ist das Werk exakt 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Stade – ein symbolischer Moment, der deutlich macht: Aufarbeitung hört nicht an historischen Jahrestagen auf. Gerade der lokale Blick auf Verwaltung und Machtstrukturen hilft, Geschichte begreifbar zu machen.

Das Buch umfasst 424 Seiten, enthält 39 Abbildungen und ist für 38 Euro im Buchhandel und beim Stader Stadtarchiv erhältlich (ISBN: 978-3-938528-19-8).