Inhalt

Auf einer Seite lesen

Inhalt

  1. Seite 1Zwei Missbrauchsfälle sorgen für Streit


  2. Seite 2Innerkirchliche Konkurrenten nutzen Missbrauchsvorwürfe immer wieder

Der neue Papst ist gewählt, mit Robert Francis Prevost übernimmt der erste US-Amerikaner das Amt, Leo XIV. wird er heißen. Nach dem vierten Wahlgang im Konklave hatten sich die 133 Kardinäle mehrheitlich für ihn entschieden. Und damit auch dafür, dass sie Vorwürfe gegen Prevost nicht für ein Hindernis halten: Er soll in früheren Ämtern zwei Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester in Peru und den Vereinigten Staaten angeblich falsch, zu lasch oder gar nicht bearbeitet haben. 

Die internationale Betroffenenorganisation SNAP – kurz für Survivors Network of Those Abused by Priests (deutsch: Netzwerk der Überlebenden von durch Priester begangenem Missbrauch) kritisiert, dass bis heute mehrere Beschwerden gegen Prevost unbearbeitet geblieben seien. SNAP unterstützt bereits seit 1989 Menschen, die von Missbrauch durch kirchliche oder staatliche Institutionen betroffen sind. „Als Bischof in der betroffenen Diözese in Peru war er für den Priester verantwortlich, der beschuldigt wird, schreckliche Verbrechen an Kindern begangen zu haben“, sagt Sarah Pearson, Sprecherin des Netzwerks, zu ZEIT ONLINE. Sie hält sich aktuell in Rom auf. „Der heutige Papst hat den Verantwortlichkeiten, die er bezüglich der Fälle gehabt hat, nicht entsprochen.“ 

In der Kontroverse um den neu gewählten Papst Leo XIV. geht es um insgesamt zwei beschuldigte Priester in Chiclayo in Peru und einen weiteren Fall in der US-Metropole Chicago. Die mutmaßlichen Taten in Peru liegen mehr als 15 Jahre zurück, die in den USA noch länger, und lassen sich deshalb nur schwer nachvollziehen. Auf der anderen Seite der Vorwürfe, die vor allem im vergangenen Jahr lauter geworden sind, stehen weitere Parteien, die Prevosts Verhalten in beiden Fällen verteidigen. Und der Fakt, dass Prevost trotz der bekannten Vorwürfe eine Papstwahl für sich entscheiden konnte. Im Licht der jüngsten Kirchengeschichte und des Versprechens, sexuellem Missbrauch entschlossener zu begegnen, ist das zumindest erwähnenswert. Schließlich wissen die Kardinäle, dass ein Papst, dem Vertuschung oder in anderer Weise fehlerhafter Umgang mit Missbrauch durch Priester vorgeworfen wird, ein Problem für die Kirche ist.   

© Lea Dohle

Newsletter

Was jetzt? – Der tägliche Morgenüberblick

Vielen Dank! Wir haben Ihnen eine E-Mail geschickt.

Prüfen Sie Ihr Postfach und bestätigen Sie das Newsletter-Abonnement.

Einer der Fürsprecher von Papst Leo ist etwa Matthias Katsch, deutscher Aktivist des Vereins Eckiger Tisch, der Betroffene sexualisierter Gewalt durch Priester und andere Kirchenangestellte vertritt. „Papst Leo eilt der Ruf voraus, dass er die Opfer in den Mittelpunkt gestellt, ja sich in ihre Schuhe gestellt hat“, sagt er ZEIT ONLINE. Und betont, dass das neue Kirchenoberhaupt gute Voraussetzungen mitbringe, sich der Herausforderung zu stellen, die Kirche weltweit zu einem sicheren Ort für Kinder und Jugendliche zu machen. „Als Kardinal hat sich Prevost in seiner zweiten Heimat Peru für die Opfer von Gewalt und Missbrauch durch eine katholische Sekte eingesetzt.“

Ein mutmaßlicher Täter im Kloster neben der katholischen Schule

Der erste Fall betrifft Prevosts Arbeit als Leiter des Augustinerordens in Chicago. SNAP wie auch die Generalstaatsanwaltschaft des US-Bundesstaats Illinois haben den Umgang Prevosts mit dem Fall eines des Kindesmissbrauchs beschuldigten Priesters in Chicago kritisiert. In den frühen 2000er-Jahren habe der heutige Papst als Leiter der dortigen Augustinerprovinz dem Priester trotz der glaubwürdigen und zahlreichen Vorwürfe erlaubt, in einem Augustinerkloster in unmittelbarer Nähe einer katholischen Grundschule zu wohnen. Die Schulleitung sei über die Vorgeschichte nicht informiert worden. Dieser Vorgang aus den USA hat weniger Aufmerksamkeit erregt als der in Peru.  

Mehr Beachtung auch in US-Medien fand zuletzt ein Fall, der Prevosts Zeit als Bischof in Peru von 2015 bis 2023 betrifft. In der aktuellen Beschwerde von SNAP, die die Organisation nur sechs Wochen vor der Papstwahl erhob, geht es vor allem um die mutmaßlichen Missbrauchsfälle von drei damals minderjährigen Mädchen im Bistum Chiclayo im Norden Perus. Als verantwortlicher Bischof, so lautet die Kritik der Opferorganisation und der heute erwachsenen Frauen, soll er weder eine staatliche noch eine angemessene kirchliche Untersuchung der Vorwürfe eingeleitet haben. Das aber sei seine Pflicht, sagt Sprecherin Pearson. Das Bistum hingegen sah es als ausreichend an, dass Bischof Prevost es den Frauen bei einem Treffen im April 2022 freigestellt habe, selbst Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Dazu kommt: Zu diesem Zeitpunkt waren die Vorwürfe der Frauen ohnehin verjährt – im kirchlichen Recht wäre jedoch eine Aufarbeitung weiterhin möglich.