Das Wirrwarr um Zurückweisungen von Flüchtlingen an deutschen Grenzen wird immer größer. Jetzt widersprechen Bundespolizisten Kanzler Friedrich Merz (69, CDU).

Antrittsbesuch bei der EU in Brüssel: Merz räumte „einige Irritationen“ ein und versicherte: „Wir kontrollieren in etwa so wie während der Fußball-Europameisterschaft im vergangenen Jahr.“

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Wirklich?

Bei der EM wiesen Polizisten nur Migranten zurück, die nicht Asyl sagten. Doch diese Grenz-Praxis hat sich seit Mittwoch erheblich verschärft!

► Andreas Roßkopf, Chef der Polizeigewerkschaft GdP für den Bereich Bundespolizei, zu BILD: „Unsere Kollegen werden jeden Asyl- und Schutzersuchenden zurückweisen, außer Schwangere, Kranke, unbegleitete Minderjährige. Die Weisung des Bundesinnenministers ist für die Beamten an der Grenze bindend.“

Dobrindt hatte am Mittwoch angeordnet, an der Grenze wieder Paragraf 18 des deutschen Asylgesetzes anzuwenden und so Flüchtlingen die Einreise zu verweigern. Die Bundespolizei setzte den Dobrindt-Befehl noch „am selben Tag um“, so ein Behördensprecher.

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► Auch Heiko Teggatz von der deutschen Polizeigewerkschaft bestätigte gegenüber BILD, dass die Beamten ab jetzt alle Flüchtlinge – mit Ausnahme von besonders verwundbaren Personen – ins Nachbarland zurückschicken. Die Weisung „schreibt Zurückweisungen zwingend vor“.

Doch warum erweckt Merz den Eindruck, dass es an deutschen Grenzen gar nicht so hart zugeht?

Offenbar, um die SPD zu beruhigen. Laut EU-Recht müssen Asylbewerber erst mal ins Land gelassen und ihr Anspruch geprüft werden. Diese europäische Regelung kann die Bundesregierung mit Artikel 72 der EU-Verträge aushebeln und stattdessen nationale Gesetze anwenden. Doch dafür muss sie zuvor eine Notlage feststellen.

9. Mai 2025: Die deutsche Bundespolizei kontrolliert an der Grenzkontrollstelle Kiefersfelden, Süddeutschland, Fahrzeuge, die aus Österreich nach Deutschland kommen

9. Mai 2025: Die deutsche Bundespolizei kontrolliert an der Grenzkontrollstelle Kiefersfelden, Süddeutschland, Fahrzeuge, die aus Österreich nach Deutschland kommen

Foto: MICHAELA STACHE/AFP

In der Koalition brodelt es:

► Die SPD lehnt die Feststellung der Notlage kategorisch ab.

► Doch das Innenministerium argumentierte laut „Welt“ vor Nachbar-Botschaftern sehr wohl mit Artikel 72. Und Minister Alexander Dobrindt (54, CSU) erklärte im ZDF, Artikel 72 für Zurückweisungen nutzen zu wollen.

► Vizekanzler Lars Klingbeil (47, SPD) machte am Telefon Druck bei CDU-Kanzler Merz. Der betonte in Brüssel: „Niemand in der Bundesregierung, auch ich persönlich nicht, hat eine Notlage ausgerufen.“

Die Polizei-Gewerkschaft GdP hat sich abgesichert. Roßkopf: „Wir haben dem Innenministerium klar mitgeteilt: Wenn Gerichte im Nachgang feststellen, dass das Aussetzen der europäischen Regelungen und das Anwenden nationaler Gesetze rechtswidrig ist, dürfen die Bundespolizisten keinesfalls belangt werden. Die Verantwortung für die Maßnahmen liegt allein beim Bundesinnenministerium.“

Auch Gewerkschafter Teggatz sieht die Haftung für „das polizeiliche Handeln ganz klar im Ministerium“.

Asyl-Experten schätzen: Von den etwa 200 Flüchtlingen, die täglich die deutsche Grenze überqueren wollen, werden seit Mittwoch 190 zurückgewiesen. Davor waren es nur 120 pro Tag.