Die Wissenschaftsgemeinschaft auf der ganzen Welt ist in Aufruhr, weil Donald Trump in den USA vormacht, was passieren kann, wenn eine Regierung nicht mehr hinter der Wissenschaftsfreiheit steht. Auch Hamburgs Uni-Präsident Hauke Heekeren verfolgt die Debatten in den USA – und hat dazu eine klare Meinung.

Seit Monaten schwelt ein intensiver Streit zwischen US-Präsident Donald Trump und zahlreichen Universitäten in den Vereinigten Staaten, der auf der ganzen Welt die Sorge um die Wissenschaftsfreiheit nährt. Trump geht die akademischen Institutionen im Land scharf an. So hat der 78-Jährige wiederholt kritisiert, dass gerade die Elite-Universitäten wie Harvard eine einseitige politische Agenda verfolgen, die konservative Stimmen unterdrücken. Er fordert eine Reform der Hochschulbildung und droht mit der Kürzung von Fördermitteln für Universitäten, die ihm – vereinfacht gesagt – politisch zu weit links stehen. Im Fokus stehen zudem Forschungsvorhaben, die sich mit aus Trumps Sicht unwichtigen Fragen aus den Bereichen Gesellschaft, Klimawandel oder Gesundheit beschäftigen.

Schon zu Beginn des Streits schrieben 1900 US-Wissenschaftler einen Brandbrief. Immer wieder werden Fälle von Forschenden öffentlich, die ihre Universitäten verlassen und an Einrichtungen in anderen Ländern wechseln. In dieser Woche wurde bekannt, dass Forscher in den USA durch die angedrohten Kürzungen in ihren Etats um gesammelte Daten fürchten. Die Universität Bremen rettet daher nun Sammlungen mit Klimadaten. Das Gebaren Trumps sorgt auf der ganzen Welt für Sorge.

WELT AM SONNTAG: Die Wissenschafts-Community schaut derzeit täglich gespannt und mit Sorge in die USA, wo Präsident Donald Trump etlichen Universitäten Fördergelder entzieht, und die Wissenschaftsfreiheit einzuschränken versucht. Wie ordnen Sie die Geschehnisse ein?

Hauke Heekeren: Als Universität Hamburg verfolgen wir die Entwicklungen in den USA mit großer Besorgnis. Die Maßnahmen, die auf eine Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit zielen, sind alarmierend – für die USA und für die internationale Wissenschafts-Community. Wissenschaftliche Freiheit ist ein Grundpfeiler für Forschung und Bildung. Sie fördert den offenen Austausch von Ideen, die kritische Auseinandersetzung mit bestehenden Theorien und die Entstehung neuer Erkenntnisse. An der Universität Hamburg setzen wir uns dafür ein, diese Werte zu bewahren und arbeiten eng mit unseren internationalen Partnern zusammen, insbesondere mit unseren strategischen Partneruniversitäten der Northwestern University in Chicago und der Indiana University in den USA, um Wissenschaft und Forschung zu fördern. Wissenschaft lebt von internationaler Zusammenarbeit.

WAMS: Betroffen von der Gängelung sind insbesondere Fächer aus den Geisteswissenschaften. Auch in Deutschland gibt es regelmäßig Diskussionen über den Wert dieses Wissenschaftsbereichs – mit Ausnahme der Lehrerbildung vielleicht. Wird die Debatte durch Trump neu entfacht?

Heekeren: An der Universität Hamburg widmen wir uns den Geisteswissenschaften mit großem Engagement und sie sind ein wesentlicher Bestandteil unser Voll- und Exzellenzuniversität. Wir heben die Bedeutung der Geisteswissenschaften für vielfältige gesellschaftliche Bereiche, einschließlich der Lehrkräftebildung, hervor und setzen uns dafür ein, dass unsere Studierenden die kritischen Denkfähigkeiten und interdisziplinären Kompetenzen erwerben, die in zahlreichen Berufsfeldern gefragt sind. Es ist unser Ziel, die wertvollen Beiträge der Geisteswissenschaften für Gesellschaft und Wirtschaft zu fördern, sichtbar zu machen und ihre Rolle weiter zu stärken. Unser Exzellenzcluster in der Manuskriptforschung verdeutlicht eindrucksvoll, welchen wertvollen Beitrag die Geisteswissenschaften zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten können.

WAMS: Hat das auch mit ihrer eigenen Biografie zu tun?

Heekeren: Als jemand, der selbst an den Schnittstellen zwischen Geistes- und Naturwissenschaften geforscht hat, sehe ich tagtäglich, wie relevant interdisziplinäre Bildung und kritisches Denken für gesellschaftliche Lösungen sind.

WAMS: Es gibt Hochschulleitungen, die in der Krise eine Chance sehen, führende Wissenschaftler aus den USA abzuwerben und nach Deutschland zu holen. Auch die EU hat in dieser Woche eine Initiative vorgestellt, mit der Wissenschaftler aus den USA nach Europa gelockt werden sollen. Sie sehen das kritisch, warum?

Heekeren: Katharina Fegebank, in ihrer früheren Funktion als Wissenschaftssenatorin, hat kürzlich betont, dass Hamburg aufmerksam prüft, wo wir Perspektiven für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schaffen können. Hamburg ist ein sicherer Hafen für Forschende und bietet exzellente Bedingungen für Forschung und Innovation. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Science City Hamburg Bahrenfeld, die bereits international gut vernetzt ist. Gleichzeitig möchten wir die aktuelle Situation verantwortungsvoll handhaben und den Kolleginnen und Kollegen sowie unseren Partnern in den USA bestmöglich zur Seite stehen. Natürlich prüfen wir sehr aufmerksam, wie wir Spitzenforscherinnen und -Forschern attraktive Perspektiven bieten können. Dennoch wäre es aus meiner Sicht das falsche Signal, die schwierige Situation in den USA aktiv für Abwerbungen auszunutzen.

WAMS: Was machen Sie stattdessen?

Heekeren: Unsere Strategie setzt vielmehr auf langfristige Kooperationen, Partnerschaften und den verantwortungsvollen Aufbau exzellenter Forschungsstrukturen, die Talente nachhaltig anziehen – unabhängig von Krisensituationen anderswo. Ein massiver „Brain-Drain“ aus den USA nach Deutschland ist derzeit unwahrscheinlich. Stattdessen beobachten wir, dass führende Spitzenforschende in Länder wie Kanada oder das Vereinigte Königreich abwandern. In Bezug auf die Gewinnung von Forschenden könnte es möglicherweise sinnvoller sein, als Zielgruppe Talente aus Drittländern oder dem Globalen Süden zu betrachten, die nach Europa oder Deutschland streben, anstatt in die USA zu gehen oder dort zu verbleiben.

WAMS: Sie haben vor einigen Wochen gesagt, es gebe vereinzelt Forschende, die konkret nach Möglichkeiten suchen, die USA zu verlassen und dass Sie – die Uni – mit einer Wissenschaftlerin in Kontakt stünden. Kann man da schon Details nennen?

Heekeren: Hierbei handelt es sich um einen Einzelfall. Wir stehen in losem Kontakt mit einer Professorin aus Kalifornien und prüfen derzeit gemeinsam mit einer Forschungseinrichtung in Berlin die Möglichkeit, sie als gemeinsame Professorin für Deutschland zu gewinnen. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen können in Kooperation mit Universitäten Sonderprofessuren für spezifische Schwerpunkte einzurichten.

WAMS: Viele Hochschulen auf der ganzen Welt haben Kooperationen mit US-Unis. Aktuell sollen diese Briefe aus Washington erhalten, in denen abgefragt wird, welche Forschung konkret mit US-Subventionen stattfindet. Hat die Uni Hamburg einen solchen Brief erhalten?

Heekeren: Nein, einen derartigen Brief haben wir nicht erhalten, und mir ist auch bundesweit kein Fall bekannt, in dem eine deutsche Universität ein solches Schreiben erhalten hätte.

WAMS: Falls noch ein Brief kommen sollte – was würden Sie tun?

Heekeren: Wir würden uns erst einmal anschauen, was in dem Brief geschrieben steht.

Hauke Heekeren ist seit März 2022 Präsident der Universität Hamburg. Der 54-Jährige ist promovierter Neurowissenschaftler und Arzt, arbeitete unter anderem an der Charité in Berlin. Vor seinem Wechsel nach Hamburg war er Professor für Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft an der Freien Universität Berlin sowie seit 2018 Vizepräsident der FU mit dem Schwerpunkt Studium und Lehre. Von 2001 bis 2003 war Heekeren, der aus Herford in Nordrhein-Westfalen stammt, als Postdoktorand in den USA. Er arbeitete und forschte am National Institute of Mental Health in Bethesda (Maryland). Das N.I.H. ist eins der Institute, die im Fokus der Trump-Regierung stehen. In der vergangenen Woche wurde ein Schreiben publik, in dem das N.I.H. als „zu groß“ und dessen Forschung als „zu unfokussiert“ kritisiert wird.