Mit zehn Jahren hatte er das erste Mal eine Gitarre in der Hand. In der Clara-Schumann-Musikschule in Düsseldorf brachte dem heute 55-jährigen Jazz-Musiker Philipp van Endert sein Lehrer während der eigentlich klassisch angelegten Ausbildung den Jazz nahe. 1991 ging der gebürtige Düsseldorfer in die USA, am weltweit renommierten Berklee College of Music in Boston verbrachte er vier Jahre. „Das war wirklich ein Traum für mich. Und eine sehr wichtige Zeit. Jeden Tag von morgens bis abends nur üben zu können, zu spielen, zu proben.“ In guter Gesellschaft war van Endert dort: „Allein das Umfeld war unglaublich inspirierend. Auch die Musikerinnen und Musiker, die vor mir und uns dort waren. Pat Metheny, John Scofield, Brandford, Keith Jarret.“ Die Liebe zur Musik und zum Jazz im Speziellen festigte sich in diesen Jahren, genau wie die Rolle, die beides in Philipp van Enderts Leben spielen sollte.

1995, wieder zurück in seiner Heimatstadt, begann van Endert, mit Gitarrist Alex Gunia zusammenzuarbeiten, „ein guter Freund, der damals das AtM-Studio in Köln hatte. Da haben wir dann die ersten Platten zusammen gemacht.“ Auch die Idee, ein eigenes Laben zu gründen, entstand in dieser Zeit. „Der ausschlaggebende Punkt war eine Produktion, die nicht rund gelaufen ist. Wir haben beschlossen, dass wir selber die Kontrolle darüber haben wollen, was passiert, und wenn es Fehler sind, dann wenigstens unsere eigenen.“ 2001 wurde JazzSick-Records geboren, das van Endert heute gemeinsam mit André Nendza führt. „André war von Anfang an involviert. Als Alex Gunia nach Norwegen gezogen ist, um sich in der dortigen Musikszene zu etablieren, und aus zeitlichen Gründen leider nicht mehr mitwirken konnte, ist André dann komplett eingestiegen.“ Mit Nendza, einem ebenfalls bekannten Jazz-Musiker, verbindet ihn auch eine lange, nicht nur musikalische Freundschaft. „Wir spielen zusammen, seit wir 18 sind, da ist eine totale Vertrautheit zwischen uns.“ Diese familiäre Gewachsenheit, der Austausch und die Verbindung, auch zwischen den verschiedenen Musikerinnen und Musikern, sei für ihn eine der treibenden Kräfte, so van Endert.

Und mit JazzSick vielen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform geben zu können, eine Möglichkeit, Musik zu veröffentlichen. „Wir sind so in den letzten Jahren stetig gewachsen – fast 200 Produktionen haben wir im Katalog.“ Vor der Veröffentlichung einer Platten-Produktion passiert – neben dem Komponieren, Aufnehmen, Mischen und Mastern der Musik – eine ganze Menge.
JazzSick bietet Musikerinnen und Musikern ein breit aufgestelltes Netzwerk aus Freelancern, von der Albumpressung bis hin zur Promo. Und Unabhängigkeit.

„Das klassische Label, vor allem früher, finanziert den ganzen Prozess. Die Produktion, Fotos, das Artwork, die Herstellung.“ Dafür müsse dann aber von den Musikerinnen und Musikern auch oft erstmal eine gewisse Summe wieder eingespielt werden. „Das gibt es aber kaum noch, gerade im Jazz übernehmen die Künstlerinnen und Künstler das, liefern quasi am Ende ein fertiges Album.“ Die etwas größeren Jazz-Labels in Deutschland, wie „ECM“ oder „ACT“, hätten dieses Netzwerk unter einem Dach.

„Wir bieten den Künstlerinnen und Künstlern die Optionen, stehen mit unserer Erfahrung im Rücken beratend zu Seite und kümmern uns um das Administrative – zum Beispiel den Vertrieb.“

Der ist dafür verantwortlich, dass die fertigen Produkte in den Läden und Onlineshops landen, und heute zudem auch bei den Streaming-Plattformen. „Natürlich kann man das alles auch im Alleingang versuchen – ein Label zu gründen ist nicht so kompliziert – aber wenn du willst, dass deine Platten auch international erhältlich und bestellbar sind, ist die Zusammenarbeit mit einem Vertrieb unabdingbar.“

Eine Linie und auch Erfolgskurve im sich immer wieder verändernden Musikbusiness zu fahren und zu halten, könne eine Herausforderung bedeuten. Es gebe Jahre, da kämen acht bis zehn Alben heraus, manchmal auch weniger. „Wir müssen da immer ein bisschen schauen, was sich gerade anbietet und wie die Lage ist.“ Am Ende sei es wichtig, „dass die Musik in die Welt kommt.“ Um mit der Label-Arbeit das Leben komplett finanzieren zu können, „müsste man das Ganze wahrscheinlich ein bisschen anders aufziehen. Wir sind alle sehr flexibel, das liebe ich an dem Job. Und die Musik ist ein unheimlich ehrliches Medium, du weißt nach acht Takten, wo der Hammer hängt – und das ist es, worauf es für mich ankommt. Es geht immer um die Musik.“

Düsseldorf ist, trotz des mittlerweile international aufgestellten Netzwerks, nach wie vor die Basis für das Label und seine Arbeit. In van Enderts Studio in der Innenstadt, in dem regelmäßig Konzerte stattfinden, befindet sich auch das Büro – genau wie das Archiv, in dem die meisten Produktionen lagern. „Düsseldorf ist eine auch im Jazz gut aufgestellte Stadt, mit einer langen Geschichte in dieser Beziehung. Wir haben mit der Jazzschmiede beispielsweise einen der besten Clubs des Landes hier, viele tolle Musikerinnen und Musiker, schon etablierte und im Nachwuchs. Und sicher tragen wir auch unseren Teil dazu bei, mit unserem Label, unseren Veröffentlichungen, unserer Musik.“