In Großbritannien haben rund 30 ranghohe Religionsvertreter Regierungschef Keir Starmer zu einer „mitfühlenderen Rhetorik“ gegenüber Migranten aufgerufen. „Als religiöse Oberhäupter schreiben wir Ihnen, um Sie zu bitten, die von der Regierung verwendete Sprache beim Thema Einwanderung zu überdenken“, schrieben rund 15 anglikanische Bischöfe sowie weitere christliche, muslimische und jüdische Religionsführer in einem am Freitag veröffentlichten Brief an Starmer.

Sie fürchteten, dass „der gegenwärtige Diskurs (…) nur die Sorgen der Öffentlichkeit verstärkt und die Polarisierung vergrößert“, schreiben die Geistlichen, darunter der Imam Qari Asim, der Rabbiner Jonathan Wittenberg und die Londoner Bischöfin Sarah Mullally. Die Religionsvertreter fordern in dem Brief eine „Änderung des Tons“.

Politik der offenen Grenzen gilt als gescheitert

Starmer hatte am Montag eine Kehrtwende in der britischen Migrationspolitik angekündigt. In einer Rede in London versprach er, seine Labourpartei werde die Grenzen Großbritanniens „endlich wieder unter Kontrolle“ bringen und radikale Schritte ergreifen, um die Einwanderung deutlich zu reduzieren. Großbritanniens Experiment mit offenen Grenzen sei gescheitert, teilte die Regierung mit. 

Der britische Premier reagiert damit auch auf ein neues Umfragehoch der rechtspopulistischen Partei Reform UK von Nigel Farage, die bei Lokalwahlen Anfang Mai so viele neue Sitze holte, dass sie – wären morgen Parlamentswahlen – die stärkste Partei Großbritanniens werden würde.

Vergangene Woche hatte die britische Regierung angekündigt, ausländische Straftäter verstärkt abzuschieben und die Voraussetzungen für Arbeitsvisa zu verschärfen. Bei einem Besuch in Albanien gab Starmer am Donnerstag bekannt, Großbritannien werde für abgelehnte Asylbewerber „Rückführungszentren“ in Drittländern einrichten.

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Seit dem Brexit-Votum 2016 zum Austritt aus der EU hat die Zuwanderung
nach Großbritannien nicht etwa abgenommen. Sie hat vielmehr neue
Rekordhöhen erreicht. Im Jahr von Juni 2022 bis Juni 2023 wanderten
netto 906.000 Menschen nach Großbritannien ein, also nach Abzug der
Auswanderer im selben Zeitraum. Im Folgejahr waren es 728.000 Menschen.
Diese Zahlen betreffen nur die legale Zuwanderung, also Menschen, die
ein Arbeits- oder Studienvisum erhalten haben.