Berlin – Es ist eine erleichternde Nachricht: Der am Freitagabend mit einem Messer zunächst lebensgefährlich verletzte Polizist konnte am Sonntag die Klinik verlassen. Er wurde in die Obhut seiner Familie und seiner Kollegen übergeben.

Rückblick: Gegen 21.50 Uhr hatte ein 28-Jähriger am Polizeiabschnitt 55 in Berlin-Neukölln am Freitag eine Anzeige erstatten wollen und sich über die langen Wartezeiten geärgert. Offenbar aus Wut darüber wollte er vor der Tür ein Polizeifahrzeug mit einem Messer beschädigen. Als zufällig anwesende Beamte der 12. Hundertschaft ihn davon abhalten wollten, kam es zu einem Gerangel, in dessen Verlauf der Polizist schwer am Hals verletzt wurde. Einen gezielten Stich habe es aber nicht gegeben, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft.

Der Bereich um die Wache ist abgesperrt, Hütchen markieren mögliche Beweise

Der Bereich um die Wache ist abgesperrt, Hütchen markieren mögliche Beweise

Foto: Olaf Wagner

Klinge verfehlte Arterie um einen Millimeter!

Zwei Kollegen drückten die stark blutende Wunde bis zum Eintreffen des Notarztes ab. Nach BILD-Informationen attestierten die Ärzte in der Klinik später, dass die Klinge die Arterie um nur einen Millimeter verfehlt hatte. Der Beamte wurde stabilisiert und schwebte am Sonnabendmorgen nicht mehr in Lebensgefahr.

Wie BILD erfuhr, kamen die Mediziner am Sonntag zu dem Schluss, dass eine stationäre Behandlung nicht mehr nötig sei und der Polizeikommissar entlassen werden kann.

Lesen Sie auch

Noch in der Nacht zum Sonnabend war der 28-jährige Angreifer auf freien Fuß gesetzt worden – die Ermittler erkennen nach aktuellem Stand keine gezielte Tötungsabsicht, ermittelt wird wegen Körperverletzung. Der Beschuldigte hat einen festen Wohnsitz in Berlin, Fluchtgefahr besteht laut Staatsanwaltschaft nicht.

Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin mitteilte, werten die Ermittler jetzt Beweismaterial aus, zu dem auch ein Video einer Überwachungskamera gehört. Zudem werden Zeugen befragt. Mit ersten Ergebnissen wird Anfang der Woche gerechnet.

Zu der Auseinandersetzung kam es vor dem Eingang des Abschnitts 55

Zu der Auseinandersetzung kam es vor dem Eingang des Abschnitts 55

Foto: Olaf Wagner

Polizist: „Das wundert uns auch“

Am Sonntagvormittag liegt am Tatort noch weißer Sand, der das Blut des Beamten aufsaugen sollte. Erzieherin Dietlinde (64) kommt vorbei, hat wie alle hier von dem Fall gelesen und sagt: „Ich dachte, der bekommt eine richtig harte Strafe. Seine Kollegen müssen doch sauer sein! Wieso wurde der nicht eingesperrt?

Dietlinde (64) am Tatort versteht nicht, dass der Messerstecher auf freiem Fuß ist

Dietlinde (64) am Tatort versteht nicht, dass der Messerstecher auf freiem Fuß ist

Foto: Ralf Günther/BILD

Zwei Polizeibeamte gehen in dem Moment, als sie das sagt, in die Wache. Kollegen des verletzten Beamten. Einer von ihnen kommentiert: „Das wundert uns auch!“

Eine Anwohnerin geht unweit des Abschnitts vorbei, sagt: „Am Freitag war hier überall Blaulicht. Man hat gesehen, dass die Kollegen des Beamten sehr betroffen waren.“

Nur etwa 100 Meter vom Tatort entfernt: Die Uwe-Lieschied-Straße

Nur etwa 100 Meter vom Tatort entfernt: die Uwe-Lieschied-Straße

Foto: Ralf Günther/BILD

Auch Gebäudereinigerin Jenny (34), die mit ihrem Hund Whisky (12) Gassi geht, schüttelt den Kopf. „Man muss beim Aufgeben einer Anzeige ein bisschen Geduld haben, die Polizei kann nicht überall sein. Ich hätte den weggesperrt, die Polizei ist unser Freund und Helfer“, sagt sie.

Gebäudereinigerin Jenny (34) mit Hund Whisky (12)

Gebäudereinigerin Jenny (34) mit Hund Whisky (12)

Foto: Ralf Günther/BILD

Abschnitt 55 – eines der härtesten Einsatzgebiete der Berliner Polizei

Der Abschnitt 55 gilt als eines der härtesten Einsatzgebiete der Berliner Polizei. Traurige Berühmtheit erlangte er im März 2006, als der Zivilfahnder Uwe Lieschied bei der Verfolgung eines Räubers in den Kopf geschossen wurde und Tage später starb. Der Schütze wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt.