(gw) Vor 30 Jahren ist in Deutschland der Onlinehandel mit einem Umsatz von 1,25 Milliarden Euro gestartet. In diesem Jahr wird er nach Einschätzung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) mehr als 92 Milliarden Euro erreichen. Das sind über 7000 Prozent mehr als in der Zeit der Online-Pioniere. Die erwartete Steigerung gegenüber 2024 fällt mit etwa vier Prozent natürlich bescheidener aus. Aber sie wäre um etwa einen Prozentpunkt stärker, als es die HDE-Experten erwartet haben. Der am schnellsten wachsende Bereich sind die sogenannten Fast Moving Consumer Goods (plus 7,3 Prozent). Hinter dem englischen Begriff verbergen sich Produkte des täglichen Bedarfs, die häufig gekauft werden – Lebensmittel, Körperpflege, Putzmittel .

Was Händlern Sorgen macht, ist der gewaltige Einfluss, den die viel kritisierten chinesischen Onlinehändler Temu und Shein haben. Ihr Anteil am gesamten Online-Kuchen betrug im vergangenen Jahr etwa drei Prozent und machte immerhin ein Drittel aller Bestellungen bei ausländischen Onlinehändlern aus. Jetzt droht der Zollstreit zwischen den USA und China diesen aus deutscher Sicht unliebsamen Trend noch zu verstärken. Denn beide haben seit April ihre Aufwendungen für Werbung um mehr als 40 Prozent gesteigert, wie der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp am Montag sagte. Und diese Werbung findet laut Tromp mittlerweile weniger in den USA und mehr in Europa statt. Temu und Shein orientierten sich mehr in Richtung Europa, weil der amerikanische Markt deutlich weniger von Interesse sei. Die klare Forderung des Handels: die Zollfreiheit bis zu einem Warenwert von 150 Euro soll abgeschafft werden. Es sei „höchste Zeit, dass die Politik für faire Wettbewerbsbedingungen mit den Anbietern aus Fernost sorgt“, so Tromp. Seit Februar sind Pläne der EU-Kommission bekannt, eine Bearbeitungsgebühr auf die Päckchen aus Asien zu erheben.

Dabei merken manche nicht mal, dass sie im Ausland bestellt haben, Jedenfalls gilt das für 42 Prozent all jener, die das Institut für Handelsforschung befragt hat. Denen ist es erst bei der Bestellbestätigung odef der Lieferung aufgefallen, dass die Ware aus anderen Ländern bekommt. Fast ein Viertel bestellt sogar bewusst im Ausland, nur jed fünfte befragte Person schließt das für sich aus. Etwa 44 Prozent, die im vergangenen Jahr im Ausland bestellten, haben das bei Temu getan, wie die IFH-Umfrage ergeben hat.

Sorgen machen sollte im deutschen Handel aber auch die Tatsache, dass laut Online-Statistik des HDE immer noch drei von fünf deutschen Einzelhändlern das Internet gar nicht als Vertriebsweg nutzen. Das mag in einzelnen Fällen nicht notwendig sein – weil sich zum Beispiel wertvoller Schmuck eher im stationären handel verkauft – aber so mancher in anderen Sparten scheint sich auch noch zu sperren. Der Anteil derer, die über einen eigenen Auftritt im Netz unterwegs sind, ist noch geringer als 40 Prozent. Eher machen manche einen Teil ihres Geschäfts über die Plattformen von Amazon und Co., die inzwischen laut HDE rund 57 Prozent des gesamten Online-Handels in Deutschland ausmachen. Davon wiederum entfällt der weit überwiegende Anteil auf den Marketplace von Amazon. Der Konzern von Jeff Bezos setzt einschließlich seines Eigenhandels bei uns mehr als 55 Milliarden Euro um.