Krefeld. Reinhard Strüven hat in Altenheimen schon so einiges erlebt. Nun hat der Krefelder seine Erfahrungen in einen Roman einfließen lassen.
Einen Termin mit Reinhard Strüven zu vereinbaren, ist nicht gerade einfach. Immerhin arbeitet der 59-Jährige in Vollzeit als Jobcoach, im Nebenjob als Pressereferent und zuhause gibt‘s für den alleinerziehenden Vater auch immer genug zu tun! Aber in der Mittagspause hat er etwas Zeit, um über sein neues Buch „Haus Elbblick“ zu sprechen. Moment mal, da stellt sich doch gleich die erste Frage…
Wie schaffen Sie es denn, trotz Ihres vollgepackten Alltags einen ganzen Roman zu schreiben?
Meine Familie lebt nicht mehr zusammen, darum ging es ja schon in meinem letzten Buch (Anm. d. Red.: „Jul – Geschichte einer Suche“). Aber wir machen immer zusammen Urlaub, meist auf Usedom, damit sich die Geschwister wiedersehen und mein Sohn auch Zeit mit seiner Mutter verbringt. Und zu meinem Glück sind alle Langschläfer, sodass ich vormittags immer zwei, drei Stunden am Schreibtisch sitzen und arbeiten kann.
In dem Buch geht‘s um den Altenpfleger Clemens, der aus der niederrheinischen Mittelstadt raus möchte und in den hohen Norden zieht. Von Krefeld nach Hamburg. Haben Sie selbst auch schon solche Gedanken gehabt?
Ja, das Buch ist teilweise wieder autobiografisch. Hamburg war immer meine Traumstadt und ich war schon oft dort. Tatsächlich habe ich auch versucht, dort Fuß zu fassen, aber stattdessen ist es dann Düsseldorf geworden. Seit 2017 lebe ich wieder in Krefeld, wofür die Mittelstadt ja verklausuliert steht. Als alleinerziehender Vater sucht man nicht mehr die Abenteuer der Großstadt, man will, dass die Kinder beschützt aufwachsen. Und dafür eignet sich Krefeld, weil es hier viel ruhiger ist.

Reinhard Strüvens Roman „Haus Elbblick“ spielt in Hamburg.
© Engelsdorfer Verlag
Clemens geht nach Hamburg, um dort ein Altenheim zu übernehmen. Wie kamen Sie auf das Thema?
Ich habe meinen Zivildienst im Altenheim gemacht und danach gesagt, dass ich in dem Bereich bleiben möchte. So habe ich dann, fast auf den Tag genau, 30 Jahre als Sozialarbeiter in zwei Altenheimen gearbeitet.
In die Pflege wollten Sie damals nicht?
Die körperliche und psychische Belastung in der Pflege ist enorm. Das Geld ist zwar mittlerweile nicht mal mehr so schlecht, aber der Druck ist sehr hoch und das schlechte Gewissen spielt immer eine Rolle. Wenn man selbst krank wird, müssen die Kollegen einspringen, was bedeutet, dass man sich halb gesund schon wieder zur Arbeit schleppt. Das hat wiederum zur Folge, dass viele das reguläre Rentenalter von 67 Jahren nicht erreichen – weil sie schon vorher den Beruf wechseln oder aus gesundheitlichen Gründen in Frührente gehen.
Das Altenheim, das Sie im Buch beschreiben, ist heruntergekommen… Kennen Sie solche Zustände?
In 30 Jahren habe ich jede Menge Altenheime gesehen. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, wieso ich irgendwann gesagt habe, dass ich nochmal etwas anderes sehen möchte… bevor ich alt bin und vielleicht selbst in ein Altenheim komme. Früher gab es auf jeden Fall solche heruntergekommenen Einrichtungen, aber heute ist das sicher weniger geworden. Alles läuft professionalisierter ab. Der Wirtschaftsdruck ist enorm und die großen Verbände wie Caritas oder Diakonie können sich besser im Markt behaupten. Die haben wiederum eigene Qualitätszirkel und Strategieentwicklungen, die ein kleines Heim gar nicht mehr stemmen könnte.
Im Buch taucht plötzlich ein korrupter Investor auf, der auf dem Grundstück des Altenheims eine Seniorenresidenz errichten will. Wäre das in der Realität so schlimm?
Seniorenresidenzen richten sich auf vermögende Senioren aus. Dazu habe ich eine zwiespältige Meinung. Auf der einen Seite sieht in Hochglanzprospekten alles toll aus, auf der anderen Seite fehlt es manchmal auch an Menschlichkeit. Es wird viel versprochen, aber nichts gehalten. Der Schurke aus dem Buch ist allerdings rein erfunden. Das ist aber nur ein Handlungsstrang. Es geht auch um Familienbeziehungen und um die Selbstbestimmung älterer Leute – was mir selbst in meinem Beruf immer am Herzen lag.
Lesung von Reinhard Strüven
Der Roman „Haus Elbblick“ ist im Engelsdorfer Verlag erschienen, hat 152 Seiten und kostet 11,80 Euro.
Reinhard Strüven liest am Samstag, 24. Mai, um 15.30 Uhr im Thalia, Hochstraße 96-100 in Krefeld, aus seinem Buch.
Hat sich durch Ihre Arbeit – oder auch durch das Schreiben des Buchs – Ihr eigenes Verhältnis zum Altwerden und Altenheim verändert?
Hmm… (überlegt kurz) Ich merke, das Thema rückt langsam näher. In den letzten Jahren meiner Zeit im Altenheim habe ich schon einige Bewohner getroffen, die aus meiner Generation sind. In Großstädten ist das anders, aber in ländlicheren Gebieten gibt‘s keine Pflegeheime für Jüngere. Ich selbst schaue auf das Thema mit gemischten Gefühlen. Ich bin überrascht, welche Fortschritte die Altenheime gemacht haben und wie vielen Menschen es dort heutzutage gut geht. Dinge wie palliative Versorgung, Biografiearbeit, aktivierende Pflege, Quartiersarbeit gab es früher nicht. Aber ob das alles so bleibt, ist die Frage… gerade, wenn man sich die Bevölkerungsentwicklung anschaut. Das ist ein bislang ungelöstes Problem der Zukunft.