Inhalt
Auf einer Seite lesen
Inhalt
Seite 1Hört auf zu bauen
-
Seite 2Aber die Wohnungskrise!
Noch weiter gehen zwei nordische Pavillons. Der dänische stellt mit herausgenommenen Bodenplatten und Fenstern die eigene Renovierung aus. Die Finnen wiederum dokumentieren filmisch die Sanierung ihres Pavillons: Denkmalschutz als neue Avantgarde. Das alles weist in Richtung eines Moratoriums für neues Bauen.
Aber die Wohnungskrise! Muss nicht schon deshalb ganz dringend weiter gebaut werden? Der Theoretiker und Designer Friedrich von Borries erinnert in seinem Buch Architektur im Anthropozän daran, dass heute pro Kopf im Durchschnitt 48 Quadratmeter Wohnfläche beansprucht werden, während es 1990 in Westdeutschland nur 35 waren. Er folgert daraus, dass es bereits ausreichend Wohnfläche für alle gibt und es bloß darauf ankommt, sie besser zu verteilen. Dafür bräuchte es andere Wohnformen, solche, bei denen etwa Flure und Waschküchen gemeinschaftlich genutzt werden. Solche Ansätze weiterzudenken und zu entwickeln, wäre weit radikaler, als von Robotik und KI als Lösung zu träumen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es nach wie vor ein notwendiges Bauen gibt. Überall dort, wo Menschen ein festes Dach über dem Kopf fehlt, wo Armut und Krieg herrschen, in der Ukraine, in Gaza oder in Ländern des Globalen Südens, wo die Bevölkerung wächst. Hier wird gerade nach einem Bautyp geforscht, der modal und massenhaft produziert werden kann, günstig und nachhaltig zugleich. In Venedig sucht man solche Ideen allerdings vergebens. Stattdessen blickt die Ausstellung in den Arsenale lieber weit in die Zukunft und entdeckt, um den planetaren Wachstumsgrenzen unseres Planeten ein Schnippchen zu schlagen, den Weltraum als künftiges Rohstofflager.
Z+
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Donald Trump und Wladimir Putin:
Trump lässt Putin gewähren
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Jena:
Jensationell!
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Finanzlage der Krankenkassen:
Droht ein Ausgabenstopp im Gesundheitssystem?
Diese Biennale bleibt in sich zerrissen: Das alte Technikdenken, der gewohnte Fortschrittsglaube führen in die Irre, das ist vielerorts zu spüren. Doch noch immer wird die kluge Skepsis an den Rand gedrängt, noch immer will man sich für neue Spektakelprojekte begeistern. Nicht zufällig ging der Goldene Löwe für den besten Pavillon an den Petrostaat Bahrain, der munter neue Ölfelder erschließt, Beton-, Glas- und Stahlfassaden im Globalstil hochzieht und dennoch in seinem Pavillon Schatten spendende lokale Bauweisen vorstellt.
Nein, die Biennale spielt nur hier und da mit der Idee des Baustopps, sie nimmt ihn nicht ernst. Sonst müsste sie ja als Allererstes ihre eigene Expansion beenden: den Bau eines neuen Pavillons, der gerade für den Öl-und-Gas-Dealer Katar genehmigt wurde und nun in den Giardini errichtet werden soll.
Das Gegenprogramm wäre eine Biennale des Zusammenrückens. Auf dem Dach des deutschen Pavillons weisen bereits lauter rot-weiße Windsäcke in diese Richtung – internationale Verkehrszeichen für Gefahr, die der Künstler Christoph Brech dort aufgepflanzt hat. Die Klimakrise erfordert Zusammenarbeit, über das Nationale hinaus. Warum dann aber für neue Pavillons die Böden der Giardini versiegeln, wenn man sich die bestehenden Bauten länderübergreifend teilen könnte? Ein Baustopp, der auf der Biennale beginnt, in einer Stadt, die vom ansteigenden Meer verschluckt zu werden droht, wäre nicht nur sinnvoll. Er wäre ein Zeichen der Rettung.