Der Berliner Verfassungsschutz soll mehr Kompetenzen bekommen, um die Öffentlichkeit über Extremismusverdacht zu informieren – das dürfte in Zukunft auch die AfD treffen. Der schwarz-rote Senat will nach Tagesspiegel-Informationen am Dienstag den Entwurf einer Novelle des Berliner Verfassungsschutzgesetzes beschließen und ins Abgeordnetenhaus einbringen. Zudem wird Innensenatorin Iris Spranger (SPD) den Jahresbericht des Verfassungsschutzes für 2024 vorstellen.

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Kernstück der Novelle: Wer im Verdacht steht, Extremist zu sein, soll in Berlin vom Verfassungsschutz als solcher benannt werden dürfen. So hatten es CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart.

Bislang durfte der Berliner Dienst im Gegensatz zum Bund und anderen Bundesländern nicht darüber informieren, wann eine Gruppe oder Partei als Verdachtsfall eingestuft wird. Berlins Verfassungsschutz darf nur mitteilen, ob eine Gruppe Beobachtungsobjekt ist, wenn diese als gesichert extremistisch eingestuft ist.

AfD-Parteibuch hat nicht automatisch Folgen für Beamte

Die aktuelle Gesetzeslage führt zu kuriosen Situationen. Während das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die AfD zunächst – und inzwischen gerichtlich bestätigt – als rechtsextremistischen Verdachtsfall, zuletzt sogar als gesichert rechtsextremistisch einstufte und darüber informierte, muss die Berliner Behörde stets schweigen. Das soll sich nun ändern.

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Innensenatorin Iris Spranger (SPD) verwies im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag jedoch darauf, dass die Hochstufung der AfD im Bund zunächst ausgesetzt wurde, weil die Partei dagegen klagt. Dem Verwaltungsgericht Köln gab das BfV eine Stillhaltezusage. Der Berliner Verfassungsschutz prüfe das Gutachten der Bundesbehörde darauf, „welche Konsequenzen es für Berlin hat“. In den meisten ostdeutschen Bundesländern ist die AfD bereits gesichert rechtsextremistisch.

Spranger bremste Erwartungen der Opposition, dass nun verstärkt in den Sicherheitsbehörden gegen Beamte mit AfD-Parteibuch vorgegangen wird. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue könne disziplinarische Konsequenzen bis hin zur Entlassung aus dem Dienst haben, sagte die Senatorin. Entscheidend sei aber, ob durch konkretes Verhalten Dienstpflichten verletzt werden – und ob sich die politische Haltung „in Handlungen niederschlägt“.

Vom Prüffall zur gesichert extremistischen Bestrebung

Die Verfahren beim Verfassungsschutz haben drei Stufen: Prüffall aufgrund öffentlich zugänglicher Quellen, Verdachtsfall und gesicherte Einstufung als Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Ab dem Verdachtsfall darf der Verfassungsschutz begrenzt nachrichtendienstliche Mittel für die Beobachtung einsetzen – bis hin zur Observation und Überwachung von Telefonen und E-Mails.

Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) hält die Hochstufung der AfD zwar für konsequent und nötig. Sie riet kürzlich aber „dringend davon ab“, allein wegen der Hochstufung dienstrechtliche Konsequenzen für Landesbedienstete zu prüfen. Dies könne erst gemacht werden, wenn die neue Einstufung gerichtlich bestätigt sei.

2021 war bekannt geworden, dass Berlins Verfassungsschutz die Berliner AfD als Verdachtsfall einstuft hat. Die Innenverwaltung äußerte sich nie dazu – wegen der Gesetzeslage.

CDU sieht Gesetz nicht als „Lex AfD“ an

Die AfD klagte damals, scheiterte aber am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). Denn die Partei konnte sich allein auf Presseberichte berufen und zudem nicht beweisen, dass sie tatsächlich ein Verdachtsfall ist. Die Richter fanden nicht, dass die Innenverwaltung für die Berichte verantwortlich und zu einem Dementi verpflichtet ist.

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Die CDU-Fraktion will die Novelle nicht als Lex AfD verstanden wissen. Tatsächlich muss der Verfassungsschutz auch über andere Gruppen schweigen. Regelmäßig kann er die Mitglieder des Fachausschusses im Abgeordnetenhaus nur im Geheimschutzraum über Islamisten oder rechte Burschenschaften informieren.

Das Gesetz musste aus Sicht der Koalition ohnehin angepackt werden. So müssen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eingearbeitet werden, etwa zu gerichtsähnlichen Vorabkontrollen für den Einsatz einiger nachrichtendienstlicher Mittel. Es geht um die Kontrolle des Verfassungsschutzes bei konkreten Maßnahmen.