Stand: 23.05.2025 11:02 Uhr

TikTok-Star Tahsim Durgun startet als Buchautor durch. Im Interview spricht er über seinen Umgang mit dem neuen Ruhm, über das deutsche Schulsystem, Rassismus und darüber, was Bücher damit zu tun haben.

Tahsim Durgun ist ein Internet-Star, seine TikToks sind Kult, wobei der heimliche Star seiner Videos viel mehr seine Mutter ist. In seinem jüngst erschienen Buch „Mama, bitte lern Deutsch!“ erzählt Tahsim, wie es ist, als Kind kurdischer Einwanderer in Deutschland aufzuwachsen. Mit all den Hürden, die es gibt – vor allem als Minderheit in der Minderheit. Schon als Kind ist Tahsim rassistischen Vorurteilen ausgesetzt gewesen, er bekommt trotz guter Noten nur eine Empfehlung für die Hauptschule, und Menschen aus den reicheren Vierteln in der Umgebung machen ihm in aller Selbstverständlichkeit klar, dass er ja gar nicht von hier sei. Ohne seine Mutter und einige engagierte Lehrerinnen hätte er es vielleicht nie zum TikTok-Star oder Buchautor geschafft. Doch genau das ist er heute.

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Cover: Tahsim Durgun, "Mama, bitte lern Deutsch" © Knaur HC

Das Buch des 29-jährigen Oldenburger Autors erzählt von Alliterationen – und von allem, was Worte bewirken.
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Was war der Anlass für dich, TikTok-Videos zu produzieren und ein Buch zu schreiben?

Tahsim: Ich habe unter anderem Germanistik studiert, aber die Lust zu schreiben habe ich schon ganz am Anfang verspürt, als ich lesen und schreiben gelernt habe. Ich war bei meiner ehemaligen Deutschlehrerin in der „Schreibwerkstatt“ und habe früh angefangen, Geschichten aufzuschreiben. Irgendwann war ich dann in der dankbaren Situation, dass Verlagshäuser auf mich zugekommen sind. Das Angebot, ein Buch zu veröffentlichen, habe ich natürlich angenommen. Aber ich habe mir auch sehr genau überlegt: Worüber möchte ich dringend schreiben, worin besteht mein Mitteilungsbedürfnis? Und so ist dann mein Buch „Mama, bitte lern Deutsch!“ entstanden.

Beim internationalen Literaturfestival Lit.Cologne gab es eine schier endlose Schlange an deinem Signiertisch. Dazu kommen Fernsehauftritte und du wurdest im Bundestag zitiert. Wie geht es dir in diesem Sturm der Reaktionen?

Tahsim: Ich bin natürlich sehr dankbar dafür und will wertschätzend damit umgehen. Aber ich muss auch gestehen, dass es krass ist. Es macht was mit mir. Ich versuche daher, den Wirbel gekonnt auszublenden. Das tut mir nämlich gar nicht so gut, was der Trubel mit mir so machen kann. Dabei will ich doch den Spaß an meiner Arbeit behalten und noch weitere Bücher schreiben. Ich freue mich, wenn ich Menschen begegne, gucke aber nicht auf die Menschenmengen, denn die sind tatsächlich Angst einflößend.

Wirst du denn auch auf der Straße erkannt, und ist es dahingehend jetzt ein anderes Leben?

Tahsim: Ja, das kommt auch vor. Es ist ein anderes Leben für mich. Das schöne daran ist aber, dass diese Arbeit, die ich jetzt machen darf, ganz viele Menschen erreicht, die ich schon immer erreichen wollte, mit einer Botschaft, die ich schon immer mitteilen wollte. Und das ist ein riesiges Privileg, für das ich sehr dankbar bin. Ich gehe sehr vorsichtig mit Stolz um, aber von allem, was ich bisher gemacht habe, bin ich auf mein Buch schon sehr, sehr stolz. Es ist mein Herzensprojekt.

Du beschreibst in deinem Buch auch deinen Bildungsweg. Als Kind wurdest du in einen Deutsch-Förderkurs gesteckt und hattest zunächst nur eine Empfehlung für die Hauptschule. Dann hast du dennoch studiert. Wie erklärst du dir das?

Tahsim: Ich hatte in der Grundschule auch tolle, fördernde Lehrkräfte. Abgesehen davon, dass man die Lehrpläne des Kultusministeriums einhalten muss, ist es meines Erachtens ganz wichtig, dass eine Lehrkraft, nicht nur unterrichten, sondern auch erziehen und inspirieren kann. Wenn ich doch noch irgendwann Lehrer werde, immerhin habe ich Lehramt studiert, würde ich es mir zum primären Ziel machen, Kinder und Jugendliche zu inspirieren, zu motivieren und ihnen mitzugeben, dass die Schule der Türöffner für so viel mehr sein kann als das Berufsleben – nämlich auch für große Träume.

Welches Buch sollte in deinem Lehrplan nicht fehlen?

Tahsim: Ich habe gerade „Vierundsiebzig“ von Ronya Othmann gelesen. Darin wird eine Gruppe abgebildet, die auch in Deutschland stark vertreten ist, über die aber nur wenige Menschen Bescheid wissen. Es geht um die jesidische Glaubensgemeinschaft, gegenüber der noch heute viele Vorurteile bestehen. Das Buch dröselt auf emotionale und brutale Weise auf, wer diese Menschen sind und was sie durchgemacht haben. Ich finde Geschichten, die mit einer derartigen Schonungslosigkeit neue Menschengruppen repräsentieren, sollten in Schulen auch platziert werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es auch Spaß bereiten würde, solche Bücher zu lesen.

Was können Bücher in Hinblick auf Rassismus leisten?

Ich mache viel Aufklärungsarbeit zum Thema Rassismus und ich will, dass Menschen offener werden. Aber ich habe mein Buch nicht geschrieben, um den Rassismus in der Welt zu lindern. Wenn das dennoch der Effekt ist, ist das natürlich schön. Kürzlich hat sich eine Lehrerin bei mir bedankt, weil sie mein Buch an eine Kollegin weiterempfohlen hat, und das hat ganz offensichtlich bei der anderen Lehrerin einen Perspektivwechsel bewirkt. Wenn ich so etwas höre, bin ich sehr dankbar, weil Bücher anscheinend doch etwas auslösen, verändern und Empathie hervorrufen können.

Das Gespräch wurde geführt von Jan Ehlert und Daniel Kaiser in der 138. Folge eat.READ.sleep. Das komplette Interview können Sie in der ARD Audiothek hören und überall, wo es Podcasts gibt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur |
eat.READ.sleep. Bücher für dich |
24.05.2025 | 17:00 Uhr

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