Warum muss Russland keine US-Strafzölle zahlen, im Unterschied zu 185 anderen Handelspartnern, darunter die Ukraine und eine nur von Pinguinen, Seevögeln und Robben bewohnte Inselgruppe? Trumps Sprecherin Karoline Leavitt begründete die auffällige Ausnahme Moskaus Ende vergangener Woche mit den US-Sanktionen, die nach dem Überfall auf die Ukraine verhängt wurden. Diese würden ohnehin „jeden bedeutenden Handel ausschließen“.

Bereits diese Erklärung durfte mit Blick auf die Fakten angezweifelt werden, weil der Wert der importierten russischen Waren – trotz der Sanktionen – im Jahr 2024 immer noch höher war als der Wert der ukrainischen Güter. Nun hat es das Weiße Haus mit einer neuen Erklärung versucht.

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Sie kommt von Kevin Hassett, dem Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates der USA. Hassett stellte sich am Sonntag in der US-TV-Sendung „ABC News“ den Fragen von Moderator George Stephanopoulos. Es ging um Donald Trumps desaströse Zollpolitik, die zu einem massiven Absturz der Börsen geführt hat.

Trumps angebliche Erwägung

In dem Gespräch wird Hassett auch danach gefragt, warum Russland auf der Zoll-Liste fehlt. Er antwortet: „Die Verhandlungen mit Russland und der Ukraine sind offensichtlich noch nicht abgeschlossen, und ich denke, der Präsident hat die Entscheidung getroffen, diese beiden Themen nicht miteinander zu vermischen.“ Dies bedeute nicht, dass Russland völlig anders behandelt werde als andere Länder, betonte Hassett.

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Doch was heißt es eigentlich, beide Themen nicht zu vermischen? Es könnte bedeuten, die bislang weitestgehend erfolglosen Bemühungen der USA um einen Waffenstillstand im Ukrainekrieg einerseits und Trumps Zollpolitik andererseits getrennt voneinander zu behandeln. Aber wie Hassett im weiteren Gespräch ausführt, bringt Trump beide Komplexe eben doch zusammen.

Das geht aus einer Gegenfrage von Hassett an den Moderator hervor, sie lautet: „Würden Sie buchstäblich dazu raten, mitten in einer Verhandlung, die das Leben so vieler Amerikaner [sic], Ukrainer und Russen betrifft, ein ganzes Bündel neuer Dinge auf den Tisch zu legen?“ Anschließend wiederholt Hassett seine Aussage noch zweimal in etwas anderen Worten.

Es hört sich also danach an, als habe Trump Russland im Hinblick auf die Verhandlungen bewusst von den neuen Zöllen ausgenommen, vielleicht um Moskau nicht zu verärgern. Diese Erwägung spielt andererseits bei der Ukraine aber offensichtlich keine Rolle. Kiew muss nämlich zehn Prozent Strafzölle zahlen.

Mit seiner Strafzoll-Ausnahme führt Trump faktisch eine Politik fort, die gegenüber Moskau auf Entgegenkommen setzt, anstatt auf Druck. Er tut das, obwohl dieses Vorgehen bisher nicht zu einem allgemeinen Waffenstillstand geführt hat und dieser auch nicht in Reichweite zu sein scheint. Er tut es gegen den Rat vieler Militärexperten und Nato-Politiker, die eine härtere Gangart gegenüber Russlands Machthaber Wladimir Putin fordern.

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Der wahre Grund für Trumps Milde bei den Zöllen hat wahrscheinlich tatsächlich wenig mit Waffenstillstandsverhandlungen zu tun. Die Vermutung liegt nahe, dass Trump – so wie er es in der Vergangenheit bereits gesagt hat – auf gute Wirtschaftsbeziehungen mit Russland hofft. Das jedoch dürfen oder wollen seine Sprecher und Berater so deutlich nicht sagen. Stattdessen verstricken sie sich in immer absurdere Erklärungsversuche. (mit dpa)