Die Belagerung von Numantia in Spanien gilt als einer der schmählichsten Kriege der römischen Geschichte. Inkompetenz und Neid führten zu vielen Niederlagen. Als die Stadt 133 v. Chr. fiel, war es nur noch ein kurzer Schritt zum Bürgerkrieg.

Der Aufstieg der Römischen Republik zur Weltherrschaft wird gern als eine ziemlich gerade Linie von siegreichen Feldzügen dargestellt. Sie beginnt mit dem Niederringen aller Rivalen im 4. Jahrhundert v. Chr. in Italien und endet zwei Jahrhunderte später mit den Triumphen über die hellenistischen Königreiche Makedonien und Syrien im Osten.

Selbst die Niederlagen gegen den Karthager Hannibal reihen sich in diese Erfolgsgeschichte ein, gelten sie doch als Beweise für die Standhaftigkeit Roms. Zum Schlusspunkt wird das Jahr 146 v. Chr., indem mit Karthago sowohl die alte Konkurrentin im Westen als auch mit Korinth, der Metropole des Achäischen Bundes, das freie Griechenland buchstäblich von der Landkarte getilgt wurden.

Man fühlt sich an die Vereinigten Staaten erinnert, auf deren militärischer Karriere allerdings ein schwarzer Fleck prangt: Vietnam. Einen schmutzigen, demoralisierenden, scheinbar endlosen Konflikt führte auch Rom, auf der Iberischen Halbinsel. Der spanisch-deutsche Althistoriker Pedro Barceló, Emeritus an der Universität Potsdam, hat diesen vergessenen Schauplatz, der im Lateinunterricht mangels literarisch wertvoller Quellen in der Regel ausgespart wird, in seinem neuen Buch „Geschichte Spaniens in der Antike. Von den Phönikern bis zum Kalifat von Cordoba“ (Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung bei C. H. Beck, 492 S., 38 Euro) ausführlich dargestellt. Denn obwohl der Krieg, anders als jener Amerikas in Vietnam, nach 21 Jahren schließlich mit dem Sieg der Großmacht endete, wurden damals Fallstricke gelegt, die hundert Jahre später zum Untergang der Republik führen sollten.

Die Iberische Halbinsel, kurz: Spanien, waren ein Gewinn aus dem Zweiten Punischen Krieg, den Scipio Africanus Major 201 mit seinem Sieg über Hannibal erfolgreich beendet hatte. Die Römer übernahmen weitgehend die kolonialen Formen, mit denen Karthago seit den 230er-Jahren die südlichen Regionen von Carthago Nova aus ausgebeutet hatten. Allerdings trennten sie das Land in zwei Provinzen, Hispania Ulterior umfasste den Raum des südlichen Andalusien, Hispania Citerior das Gebiet von dort bis zu den Pyrenäen.

Als Gewinn lockten die schier unermesslichen Rohstoffe – Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei, Eisen, Quecksilber –, die schon die Familie Hannibals nach Spanien gelockt hatten und mit denen sie die Verluste Karthagos im Ersten Punischen Krieg (264–241) ausgleichen konnten. Ehrgeiz und Beutegier trieben die Statthalter Roms – in der Regel nur im Rang eines Prätors – während ihrer einjährigen Amtszeit ein Maximum aus ihren Provinzen herauszupressen. „Eine systematische Planung der militärischen Vorstöße zur Schaffung eines geschlossenen, stabilen Herrschaftsgebietes sucht man vergeblich“, konstatiert Barceló. „Dies lag aber auch an der Beschaffenheit jener unzugänglichen Territorien im Landesinnern, die sich vehement zur Wehr setzten, was großangelegte Operationen zusätzlich erschwerte.“

Da römische Truppen dabei wiederholt schwere Rückschläge erlitten, wurden schließlich mit Konsuln – darunter der berühmte ältere Cato – höchste Beamte an der Spitze großer Heere nach Spanien gesandt, um das Land zu befrieden. Das gelang nicht nur mit Waffen, sondern auch durch die Einführung einer einigermaßen geordneten Verwaltung. Welchen Respekt die Kampfkraft der keltiberische und lusitanischen Stämme den Legionären einflößten, zeigt die Übernahme des spanischen Kurzschwerts. „Seine starke und feste Klinge macht es nicht nur zur ausgezeichneten Stoßwaffe, sondern auch vorzüglich geeignet zum schweren Hieb mit beiden Seiten“, berichtete der griechische Historiker und Zeitgenosse Polybios.

Während die Verstümmelungen, die dieses „gladius Hispaniensis“ schlug, bei den Herrschern des Orients für Entsetzen sorgten und den Legionen im Osten Sieg auf Sieg bescherten, bahnten sich auf der Iberischen Halbinsel Umwälzungen an, die, so Barceló, „einerseits durch einen unbändigen Drang der Einheimischen nach politischer Autonomie und andererseits durch die zunehmende Gewalt und Verrohung des römischen Auftretens geprägt“ waren.

Ursache dafür war ein verschärfter Wettbewerb innerhalb der römischen Aristokratie, die sich in der Regierungspraxis niederschlug. Um ihre Karrieren zu beschleunigen, gingen ehrgeizige Adlige dazu über, ihre Provinzen rücksichtslos auszubeuten. „Unaufhörliche Beutezüge, Plünderungen und absichtlich vom Zaun gebrochene Kriege als Mittel der Bereicherung des Prestigeerwerbs beförderten die Karrieren einiger Statthalter, hinterließen bei den davon betroffenen Völker jedoch eine grausige Blutspur.“

Ein Beutezug, den lusitanische Krieger 154 v. Chr. in der Ulterior bis ans Mittelmeer unternahmen, wurde zum willkommenen Vorwand. Nur unter großen Verlusten konnten die Römer die Plünderer zurückschlagen. Zur gleichen Zeit wurde in der Citerior eine Strafexpedition gegen den Ort Segeda in Marsch gesetzt, weil sie eigenmächtig Neusiedler aufgenommen hatte.

Dahinter steckte das Ziel, das Tor zum Siedlungsgebiet der Keltiberer zu öffnen. 153 wurde ein Consul mit 30.000 Mann nach Spanien geschickt. Um dem Kommandeur eine möglichst frühe Offensive zu ermöglichen, wurde der römische Kalender auf Anfang Januar vorverlegt. Auf diesen Tag fielen seitdem die Amtseinführungen der römischen Magistrate. An diesem Jahresanfang ist es bis heute geblieben.

Die Einwohner von Segeda erkannten ihre Chancenlosigkeit und baten daher die Leute von Numantia, dem Hauptort der Arevaker, um Aufnahme. Nachdem sie in einem Gefecht gegen die Römer eine Niederlage erlitten hatte, baten sie den Consul um Frieden, was dieser aber ablehnte. Seine Forderung nach vollständiger Unterwerfung stärkte den Widerstandswillen der Keltiberer. Sie fügten den Römern, die sogar Afrikanische Elefanten ins Feld führten, eine schwere Niederlage bei, auf die bald weitere folgten.

Nubiliors Nachfolger Marcellus wählte eine andere Strategie. Mit einer Mischung aus Einschüchterung und Nachgiebigkeit schloss er mit den Stämmen, darunter auch mit den Bewohnern von Numantia, Verträge, die für Ruhe sorgten. Das aber wollte die Bellizisten im Senat im Rom nicht hinnehmen. Sie forderten den Widerruf der Abkommen, und Marcellus‘ Nachfolger in beiden Provinzen sahen ihre Chance, sich in diesem Sinne zu bereichern. Willkürlich wurden Verträge und Versprechungen gebrochen und Massaker in großem Stil verübt, die die Feindschaft zahlloser hispanischer Völker hervorriefen, wie der griechische Historiker Appian bemerkte, zumal der Senat die offensichtlichen Kriegsverbrechen deckte.

Unter der Führung eines gewissen Viriatus erhoben sich 147 die Lusitaner. Seine Erfolge gegen die Römer provozierten auch keltiberische Stämme zum Aufstand. „Zum ersten Mal erreichte die Rebellion der Lusitaner und Keltiberer eine überregionale Dimension“, urteilt Barceló. Die Römer mussten schwere Niederlagen einstecken, die erst 139 mit der Ermordung des Viriatus durch gedungene Attentäter dem Aufstand Herr werden konnten.

Doch schon bald weitete sich das römische Engagement in Spanien zu einer Skandalgeschichte aus, in deren Zentrum Numantia stand. Dort wiederholte sich seit 142 Jahr für Jahr ein Teufelskreis. Um Prestige und Beute einzufahren, strebte ein neuer römischer Kommandeur nach schnellen Erfolgen, die in der Regel in krachenden Niederlagen endeten. Zehntausende Legionäre verloren ihr Leben, sodass es schwierig wurde, Offiziere und Mannschaften für den Krieg zu gewinnen.

Dessen Realität hat Polybios als „Krieg des Feuers“ beschrieben: „Sein Charakter war außergewöhnlich, da die Kämpfe ohne Unterbrechungen stattfanden. Kriege in Griechenland oder Asien wurden durch eine Schlacht entschieden, selten durch zwei … Nur der Winter konnte den Krieg (in Spanien) und seine endlosen Kämpfe aufhalten. Wer sich einen Krieg des Feuers vorstellen will, sollte an keinen anderen Krieg denken als an diesen.“ Die Legionen waren derart demoralisiert, dass „der Kampf innerhalb des Lagers heftiger als auf dem Schlachtfeld war“, höhnte der Historiker Florus in seinen „Epitomae“ des Titus Livius.

Höhepunkt wurde der Fall des Consuls Mancinus, der 137 vor Numantia die Hälfte seines Heeres verlor und nur mit einem Friedensschluss der Vernichtung entkam. Der Senat widerrief den Vertrag und lieferte den General den Rebellen aus. Nackt und gefesselt musste er vor den Toren ausharren, weil deren Bewohner die Aufnahme verweigerten.

Weil solche Aktionen zunehmend das Ansehen der römischen Nobilität erodierten, sah sich der Senat schließlich zähneknirschend bereit, Publius Cornelius Scipio Aemilianus, dem Adoptivenkel des Siegers über Hannibal, 134 mit einem außerordentlichen Kommando zu betrauen. Der hatte aus der Sicht seiner Konkurrenten mit der Zerstörung Karthagos 146 im Dritten Punischen Krieg bereits ein Übermaß an Prestige und Beute gewonnen, sodass ihm nun kaum das Nötigste für die Kriegführung zugestanden wurde.

Sein Name reichte indes aus, dass sich genügend Freunde, Klienten und Veteranen meldeten, um daraus eine schlagkräftige Garde zu bilden. Mit dieser brachte er der Spanien-Armee wieder auf Vordermann, indem er ihr „Dirnen, Trossknechte und das nicht zum unmittelbaren Gebrauch erforderliche Gepäck“ (Florus) wegnahm und sie mit überschaubaren Vorstößen wieder ans Kämpfen gewöhnte.

Wie in Karthago schloss er Numantia durch ein dichtes Belagerungssystem ein, das so konstruiert war, dass es auch gegen Entsatzangriffe von außen Sicherheit bot (was Caesar 52 v. Chr. vor Alesia in Gallien kopieren sollte). Nach 15 Monaten sorgten Hunger und Seuchen für die Kapitulation. Als die Römer in die Stadt einzogen, fanden sie vor allem Leichenberge vor. Denn die meisten Einwohner hatten „sich selbst, ihre Angehörigen und ihre Heimat durchs Schwert, durch Gift und durch ringsum angestecktes Feuer“ (Florus) getötet. 50 Überlebende wurden für den Triumphzug in Rom ausgewählt, die übrigen in die Sklaverei verkauft. Für Ernüchterung sorgte auch die Beute. Ganze sieben Denare soll Scipio jedem seiner Legionäre ausgezahlt haben.

So endete „einer der schmählichsten Feldzüge der römischen Geschichte“, schreibt Barceló. Das hatte einiges für sich. Denn von nun an nahmen sich ehrgeizige Aristokraten Scipio zum Vorbild und strebten wiederholte oder längerfristige Kommandos an, um ihre Standeskollegen an Prestige, Vermögen und Anhängerschaft zu übertreffen. Die Iberische Halbinsel mit ihren reichen Schätzen bot sich dafür an, denn nach wie vor harrten weite Teile der Eroberung. Caesar sanierte 61 seine Finanzen durch eine Statthalterschaft als Prätor. Pompeius machte Spanien 52 bis 49 zu seiner Machtbasis. Nicht von ungefähr wurde die letzte Schlacht zwischen Caesar und den Pompeianern 45 v. Chr. bei Munda in Südspanien geschlagen. Erst Caesars Erbe Augustus gelang es, die Iberische Halbinsel vollständig zu erobern.

Je mehr Ressourcen aus Spanien und den übrigen Eroberungen nach Rom flossen, desto mehr veränderte sich dessen Gesellschaft. Besitzer riesiger Latifunden standen verarmten Bauern gegenüber, die als Legionäre gekämpft und darüber ihre Höfe verschuldet und verloren hatten. Der Streit um eine Landreform wurde zur Zündschnur, der die Nobilität spaltete und das Jahrhundert der Bürgerkriege eröffnete.

Die Niederlagen vieler Kommandeure auf dem spanischen Kriegsschauplatz hatte auch gezeigt, dass es vielen Nobiles an militärischer Kompetenz mangelte. Sie hielten lieber große Reden in Rom, statt als Offiziere im Heeresdienst militärische Erfahrung zu erwerben. Wer es, wie der Heeresreformer Marius (der unter Scipio vor Numantia gekämpft hatte) dennoch tat, gewann ein Profil, das die Zivilisten im Senat in den Schatten stellte. Der Historiker Livius, der unter dem ersten Kaiser Augustus schrieb, hatte wohl recht, als er (nach Florus) resümierte, der „Numantinische Krieg“ habe das römische Volk „ungestümer und schändlicher“ werden lassen. Gut hundert Jahre nach dem Fall Numantias war die Republik, die ein Weltreich erobert hatte, Geschichte.

Schon in seiner Geschichts-Promotion beschäftigte sich Berthold Seewald mit Brückenschlägen zwischen antiker Welt und Neuzeit. Als WELT-Redakteur gehörte die Archäologie zu seinem Arbeitsgebiet.