Politik funktioniert für manche Leute irgendwie nach dem Muster: zwei Schritte vor, anderthalb zurück. Nur irgendwie nicht geradeaus, sodass für die Wählerinnen und Wähler wirklich sichtbar wird, wie es vorangeht. Das trifft auch auf die Verkehrspolitik zu. Seit die Verwaltung endlich begonnen hat, die Bedingungen für den Radverkehr spürbar zu verbessern, mehren sich im Stadtrat die Anträge, endlich was für die Autofahrer zu tun. Oder sie zu verschonen. Zeit für den nächsten Schaufensterantrag der AfD im Stadtrat.

Motto: Das Volk soll abstimmen, ob es eine Parkraumbewirtschaftung geben soll oder nicht. Bislang gibt es eine solche nur in wenigen Stadtgebieten wie seit 2021 im Waldstraßenviertel, wo die Parkplatzprobleme bekanntlich durch das Wildparken im Umfeld von Großveranstaltungen im Sportforum zu einem echten Problem geworden war. Mit einigen Anlaufschwierigkeiten wurde die Parkraumbewirtschaftung dort eingeführt. Und funktioniert ganz gut. Wer im Viertel wohnt, hat seinen Parkausweis und den Parkplatz vorm Haus sicher.

In anderen Vierteln kulminieren die Parkplatzprobleme immer wieder. Und die Stadt war durchaus offen dafür, die Probleme durch die Unterstützung von Parkhäusern zu lösen. Das hat nur nirgendwo in der Stadt geklappt. Autobesitzer bevorzugen liebes das gebührenfreie Parken auf der Straße.

Weshalb auch dieser Satz im Antrag der AfD-Fraktion, den AfD-Stadtrat Marius Beyer am 21. Mai vortrug, schon mal nichts als heiße Luft war: Man setze sich als Fraktion „auch für den Erhalt und bedarfsgerechten Ausbau von Parkmöglichkeiten für den motorisierten Individualverkehr ein. Dies kann in Form von Parkhäusern, Tiefgaragen oder einfachen öffentlichen Parkplätzen geschehen.“

Egal, ob Parkhäuser oder Tiefgaragen: Den Autohaltern ist das in Leipzig in der Regel zu teuer. Sie buchen dort keine Stellplätze.

Kühne Zahlen, falsche Zusammenhänge

Bleibt also das Mittel der Stadt, den begrenzten Parkraum in den Straßen zu bewirtschaften. Und natürlich für Parkausweise kostendeckende Gebühren zu verlangen. Was aus Sicht der AfD-Fraktion gleich mal nach Abzocke riecht: „Abzocke bei der Parkraumbewirtschaftung lehnen wir entschieden ab! Kostenpflichtiges Anwohnerparken sollte nur nach Einwohnerbefragung nach basisdemokratischen Prinzipien erfolgen. Die Einwohnerschaft der einzelnen Wohnviertel muss vollumfänglich mit einbezogen werden! Parkgebühren dürfen nicht erhöht werden, nur um Löcher im Stadthaushalt zu stopfen.“

Herr Falk Dossin (CDU) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan KaeferFalk Dossin (CDU) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Frag also das Volk, den großen Lümmel. Klingt nach Volkspartei, ist aber nur Klientelpolitik. Das wurde ein bisschen deutlicher, als dann CDU-Stadtrat Falk Dossin die Hälfte des AfD-Antrags durchaus zustimmungsfähig fand und wieder einmal recht kühn mit Zahlen jonglierte. Einerseits meinte er, zwei Drittel der Leipziger Haushalte seien nicht günstig an den ÖPNV angeschlossen. Eine Behauptung, der Grünen-Stadträtin Kristina Weyh widersprach.

Auch wenn natürlich stimmt, dass die ÖPNV-Verfügbarkeit in den Ortsteilen am Stadtrand (wo auch Falk Dossin wohnt) geringer ist als in der Stadtmitte. Aber die Stellplatzprobleme gibt es nun einmal zentral. Und Kristina Weyh hat wohl recht, wenn sie die Vermutung ausspricht, dass die dort Wohnenden bei einer Umfrage eher für eine ordentliche Parkraumbewirtschaftung wären, sich – wie sie sagt – „geordnete Verhältnisse“ wünschen würden.

Abzocke!?

Die Frage ist eher: Was kann das kosten, damit das überhaupt noch sozial verträglich ist? Denn für Gutverdiener sind 200 bis 300 Euro Jahresbeitrag wie in einigen westdeutschen Städten wohl eher kein Problem, auch wenn Beyer das für „Abzocke“ erklärte. Aber wie sieht das mit den vielen Normal- und Kleinverdienern aus, die auf das Auto angewiesen sind?

Das Problem ist – darauf wie das Mobilitäts- und Tiefbauamt (MTA) in seiner Stellungnahme hin – dass eine soziale Staffelung der Parkgebühren gesetzlich nicht möglich ist: „Von der Möglichkeit zur Anpassung der Bewohnerparkgebühren haben bereits diverse Kommunen Gebrauch gemacht. Im Anschluss daran gab es dazu auch Rechtsprechungen, die das Anwenden dieser neuen Möglichkeit schärfen und eingrenzen. So ist es bspw. derzeit nicht möglich, eine finanziell verträgliche Reduzierung der Gebühr für Bedürftige zu integrieren. Auch eine Staffelung nach Fahrzeuggröße würde der aktuellen Rechtsprechung entgegenstehen.“

Und von den von Beyer behaupteten Größenordnungen ist Leipzig äonenweit entfernt, wie das MTA betonte: „Eine Anpassung der gegenwärtig nur rd. 30,– €/a betragenden Gebühren ist auch in Leipzig grundsätzlich nötig. Zum einen, um die Kosten für den Erhalt der Parkmöglichkeiten und den Verwaltungsaufwand zu decken. Darüber hinaus trägt eine angemessene Gebühr für das Bewohnerparken auch dazu bei, Infrastrukturkosten zu decken.

Mit einer Anpassung wird auch ein Anreiz gegeben, ganz auf einen eigenen Pkw zu verzichten und damit den öffentlichen Raum von ruhendem Verkehr zu entlasten. Dadurch kann sich auch die Verfügbarkeit der im öffentlichen Raum nur begrenzt vorhandenen Stellplätze erhöhen und Parkplatzsuchverkehr verringern. Es werden mit einer Anpassung Anreize geschaffen, vom privaten Fahrzeug als Verkehrsmittel der Wahl auf die Verkehrsarten des Umweltverbunds umzusteigen.

Mit den aus der Anpassung resultierenden Mehreinnahmen können neben der Kostendeckung die Verkehrsarten des Umweltverbundes unterstützt und weiter als funktionierende Alternative zum (eigenen) Kfz ausgebaut werden.“

Ein aufgewärmter Antrag

Tatsächlich zögert die Stadt schon seit einigen Jahren, die Parkgebühr zu erhöhen. Aus gutem Grund. Denn was der AfD-Antrag behauptet, ist schlichtweg nicht städtisches Handeln: „Gleichwohl kann eine Anpassung der Bewohnerparkgebühren nach derzeitiger Rechtsprechung und gemeinwohlorientierter Stadtentwicklung aktuell noch nicht empfohlen werden. Es sollte zunächst sichergestellt werden, dass die Gebühr verträglich und für alle Anwohnenden bezahlbar ist.

Dies könnte zum Beispiel über eine Reduzierung der Gebühr für Besitzende des Leipzig Passes erfolgen, wenn dies rechtlich sicher möglich ist. Dafür setzt sich die Stadt Leipzig im Rahmen der Initiative des Deutsches Städtetages weiterhin ein. Mit Blick auf diese Bewegung sollte sich Leipzig die Möglichkeiten zur Anpassung der Bewohnerparkgebühren weiterhin offenhalten.“

Und so weit das in einer amtlichen Stellungnahme möglich ist, formulierte das MTA auch seinen Unmut darüber, dass die AfD-Fraktion immer wieder mit denselben Nonsense-Anträgen vorstellig wird: „Der Antrag wurde bereits im Oktober 2023 gestellt und nun erneut eingereicht.

Der Verwaltungsstandpunkt (VII-A-08983-VSP-01) hat sich zum Sachverhalt nicht geändert. In den letzten Jahren wurden zudem entlang zahlreichen Anträge und Vorlagen Fragen zum ruhenden Verkehr diskutiert und ein Konzept für den ruhenden Verkehr beauftragt. Mit der Vorlage des Langfristkonzepts ruhender Verkehr im laufenden Jahr 2025 kann auf Grundlage von Analysen die Diskussion fortgeführt werden.“

Die Argumente haben sich seit 2023 auch nicht geändert. Indem die AfD-Fraktion immer wieder dieselben Anträge stellt, frisst sie nur kostbare Zeit in den Ausschüssen und in der Ratsversammlung. Und tut so, als mache sie sinnvolle Politik. Dass CDU-Stadträte wie Falk Dossin jedes Mal aufspringen und dem Schaufensterantrag auch noch Gewicht verleihen, macht sie Sache nicht besser.

Ganz konkrete Probleme in ganz konkreten Vierteln

Und das verwischt – so wie Dossin argumentierte – auch die örtlichen Problemlagen. Denn das Parkraumproblem haben eben nicht die äußeren Ortsteile, sondern die im Zentrum der Stadt. Wo die Stadt bereits seit Jahren intensiv prüft, ob es sinnvoll ist, neue Parkraumbewirtschaftung einzuführen – aktuell im Zentrum Süd, im Zentrum West, in Seeburgviertel, im Bachviertel und im Grafischen Viertel. Alles mit ÖPNV gut erschlossene Stadtgebiete. Weshalb Dossins wilde Argumentation mit der ÖPNV-Verfügbarkeit völlig daneben ging.

Aber um durchdachte Regelungen zum Parken geht es bei solchen Anträgen ganz offensichtlich nicht. Auch nicht darum, dass die Stadt verpflichtet wäre – wie Dossin suggerierte – die „fehlenden“ 0,5 Stellplätze für jede Wohnung bereitzustellen, weil die Hausbesitzer nur für 0,7 Stellplätze pro Wohnung sorgen müssen. Aber der Schnitt von 1,2 Autos pro Haushalt kommt nur zustande, weil der Autobesitz in den äußeren Ortsteilen im Schnitt doppelt so hoch ist wie im Stadtinneren.

Nicht ganz grundlos monierte Linke-Stadträtin Franziska Riekewald, dass hier einfach falsche Behauptungen aufgestellt wurden.

Anwohner werden sowieso eingebunden

Dossin hatte noch beantragt, die beiden Antragspunkte des AfD-Antrags einzeln abzustimmen. Aber der AfD-Antragspunkt, die Stadt solle die Gebührensätze fürs Anwohnerparken für fünf Jahre einfrieren, fand mit 13:41 Stimmen genauso wenig eine Mehrheit wie der Wunsch nach eine Anwohnerbefragung, der mit 26:30 Stimmen abgelehnt wurde.

Und das eben nicht nur, weil eine Anwohnerbefragung in stark belasteten Ortsteilen möglicherweise ein sehr deutliches Ja für die Parkraumbewirtschaftung ergeben könnte, sondern auch, weil die Stadt bei jeder Prüfung einer möglichen Parkraumbewirtschaftung genau das tut, obwohl sie das gar nicht machen müsste: „Es sind jedoch Beteiligungsprozesse im Zuge der Erstellung des Langfristkonzeptes ruhender Verkehr vorgesehen. Im Zuge der Maßnahmenerarbeitung sollen Bürgerdialoge zu einzelnen Maßnahmenvorschlägen und deren konkreten Ausgestaltung stattfinden.

Zudem werden in einzelnen Gebieten mit besonders hoch erscheinendem Konfliktpotential zwischen ruhendem & fließendem Verkehr sowie öffentlichen Räumen mit Aufenthaltsqualität und Grün mit Beteiligung der Bevölkerung an konkreten Lösungen gearbeitet. Eine Parkraumanalyse als Grundlage für das Anordnen eines Bewohnerparkgebietes kann dabei eine solche Lösung sein, die mit der Bevölkerung erarbeitet wird.“

Letztlich war der ganze Antrag einmal mehr ein Zeichen dafür, dass der AfD-Fraktion auch zur Leipziger Verkehrspolitik eigentlich nichts (mehr) einfällt.