«Unberechenbarkeit» der USA: Warum Bundesrat Pfister nach Europa schaut

Der neue Verteidigungsminister sagt nach 50 Tagen, wo er die Armee hinführen will: Martin Pfister setzt auf Aufrüstung, Zusammenarbeit mit Europa. Und er erlaubt sich einen Seitenhieb gegen Donald Trump.

Keine Berührungsängste mit der Truppe: Bundesrat Martin Pfister (blauer Anzug) steigt vom Panzer, auf dem er mit zwei Soldaten diskutiert hat. Keine Berührungsängste mit der Truppe: Bundesrat Martin Pfister (blauer Anzug) steigt vom Panzer, auf dem er mit zwei Soldaten diskutiert hat.

Peter Klaunzer / KEYSTONE (Bure, 26. Mai 2025)

Gerade war er noch als Sportminister in Stockholm und erlebte die Niederlage der Schweizer Nati im Final der Eishockey-WM gegen die USA. Das war am Sonntagabend, kurz vor Mitternacht. Nun, am Montagmorgen, steht Verteidigungsminister Martin Pfister auf dem Waffenplatz Bure im Kantone Jura, umgeben von Panzern und Medienschaffenden, um darzulegen, wo er als Bundesrat seine Schwerpunkte setzen will.

Um vier Uhr sei er aufgestanden, mit dem Bundesratsjet nach Mulhouse geflogen und mit dem Auto über die Landesgrenze nach Bure gefahren, berichtet der Magistrat. Er wirkt völlig erholt.

«Ich hätte ihnen gerne eine Goldmedaille mitgebracht heute Morgen», sagt er zu Beginn seines Referats in der Aula der Kaserne, «doch leider ist es die silberne geworden.» Aber vielleicht sei es ein gutes Zeichen, dass er als Sportminister nicht jetzt schon Gold bejubeln konnte – «es zeigt, dass ich noch einiges zu tun habe in den nächsten Jahren».

So ruhig der 1, 90 Meter grosse Pfister wirkt, an Tempo mangelt es ihm nicht. Dass er bereits nach 50 Tagen vor die Medien trete und nicht erst nach 100, wie sonst üblich, habe gute Gründe, erklärt er: «In der aktuellen Sicherheitslage haben wir keine Zeit für langes Schweigen.» Er spüre die Erwartung aus Politik und Öffentlichkeit, «dass ich mich rasch positioniere».

Das tut der Mitte-Bundesrat in der Folge ohne Umschweife. Drei Handlungsfelder stünden im Vordergrund: «Erstens will ich die Sicherheitspolitik der Schweiz weiterentwickeln und begrüsse eine politische Diskussion dazu ausdrücklich.» Zweitens wolle er die Armee so aufstellen, dass sie den absehbaren Bedrohungen wirksam begegnen kann: «Dafür müssen wir kompromisslos und konsequent die Verteidigungsfähigkeit stärken.» Mit guter Ausrüstung und Ausbildung aber auch, «mit intensiver Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern, der Nato und der EU. Dies stets in Vereinbarkeit mit der Neutralität».

Und drittens wolle er das politische und öffentliche Vertrauen in sein Verteidigungsdepartement stärken: «Ich will festigen, was gut aufgestellt ist, und dort Veränderungen vornehmen, wo es erforderlich ist.»

Alleingang führt zu höheren Rüstungskosten

Europa wolle seine Sicherheit stärker selbst in die Hand nehmen, das gelte auch für die Schweiz: «Es ist unsere Verantwortung und unser verfassungsmässiger Auftrag für den eigenen Schutz zu sorgen.» Dabei müsse der Bund «alle verfügbaren Mittel nutzen – inklusive der internationalen Kooperation».

Immer wieder ist da Pfisters Blick über die Landesgrenzen hinaus, so auch bei der Rüstungspolitik. «Aufgrund der Exportrestriktionen für Kriegsmaterial werden wir zunehmend von wichtigen Beschaffungen, internationalen Kooperationen und Lieferketten ausgeschlossen», sagt Pfister. Als Land ausserhalb eines Verteidigungsbündnisses und als Käuferin kleiner Stückzahlen habe die Schweiz bei den Anbietern keine Priorität. «All dies führt zu längeren Lieferfristen und höheren Kosten.»

Auch wenn er es nicht ausdrücklich sagt: Für den neuen VBS-Chef sind Rüstungskooperationen mit dem Ausland unumgänglich – dazu dürfte auch ein Abkommen mit der EU gehören, das die Teilnahme an grossen Einkaufsgemeinschaften der EU-Staaten ermöglicht.

Wie stark sich Pfister auf Europa ausrichtet, zeigt sich später in der Diskussion. Zwar bekräftigt er, es gebe keine Zweifel am Kauf des US-amerikanischen Kampfjets F-35, der Entscheid gelte. Doch dann wird der Bundesrat undiplomatisch deutlich: «Es ist so, dass die Unberechenbarkeit des Verhältnisses zu den USA ein Problem ist für die europäische Sicherheitspolitik und damit auch für die Schweiz.» Pfister präzisiert, es handle sich um eine «politische Unberechenbarkeit» – womit er nur Donald Trump meinen kann. Auf fachlicher Ebene sei die sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit den USA gut, fügt er an.

Beim anschliessenden Truppenbesuch zeigt sich, dass sich Pfister (militärischer Rang: Oberst) nach wie vor gerne auf einem Waffenplatz bewegt. Er erklimmt einen Leopard-Panzer, lässt sich ein topmodernes Aufklärungsfahrzeug erklären und dankt den Soldaten für «ihre Motivation und den Zusammenhalt». Er nimmt sich Zeit für die Truppe.

Der VBS-Chef ist nach 50 Tagen im Amt angekommen. Nun kann der politische Mehrfronten-Kampf um Aufrüstung, internationale Kooperation und Neutralität beginnen. Es gibt viel zu tun in den nächsten Jahren.