Der TVB Stuttgart bangt um den Klassenverbleib. Im Fokus steht Jürgen Schweikardt: Der Trainer und Geschäftsführer ist überzeugt vom Potenzial des Teams.

Herr Schweikardt, wie prekär ist die Lage des TVB Stuttgart?

Sie ist angespannt. Wir haben die direkten Duelle zu Hause gegen den HC Erlangen und die SG BBM Bietigheim verloren – das hatten wir uns natürlich anders vorgestellt.

Sie wollten sich mit Ihrem Team Luft verschaffen.

Richtig, aber das ist uns nicht gelungen. Jetzt ist das Rennen um den Klassenverbleib völlig offen. Genau das wollten wir vermeiden.

Warum hat dies nicht geklappt?

Weil wir es nicht geschafft haben, in diesen beiden wichtigen Spielen an die guten Leistungen anzuknüpfen, die wir zuvor auch gegen Topteams gezeigt haben. Und wir haben es in beiden Spielen verpasst, das Momentum auf unsere Seite zu ziehen, was sicher möglich gewesen wäre.

Ihr Team wirkte gegen Erlangen und Bietigheim gehemmt.

Es wäre verwunderlich gewesen, wenn wir in der Lage, in der wir uns befinden, frei aufgespielt hätten. Natürlich ist der große Druck, unter dem wir stehen, spürbar. Wir haben es in beiden Partien in der Anfangsphase verpasst, uns abzusetzen, sind dann schlecht aus der Pause gekommen und mussten einem Rückstand hinterherlaufen. Das meinte ich, als ich sagte, wir hätten das Momentum nutzen müssen.

Kai Häfner (li.) und Jürgen Schweikardt. Foto: Baumann

Ihr Führungsspieler Kai Häfner hatte gegen die SG BBM Bietigheim nicht seinen besten Tag, wirkte allerdings auch angeschlagen.

Kai Häfner hatte Magenprobleme, musste sich in der Pause übergeben und ist seither krank. Etwas Blöderes hätte nicht passieren können. Ich hoffe, dass er am Mittwoch wieder trainieren und am Donnerstag im Spiel bei den Rhein-Neckar Löwen dabei sein kann, doch sicher ist das nicht. Dazu kam gegen Bietigheim ja auch noch, dass Torben Matzken nach einem Pferdekuss in der 40. Minute ausgefallen ist.

Sie haben viel versucht und oft umgestellt, worüber es unter den Fans geteilte Meinungen gab. Die einen meinten, der Trainer habe alles probiert, andere unterstellten Ihnen Ratlosigkeit.

Ich war sicher nicht ratlos. Aber natürlich ist es riskant gewesen, Dinge zu machen, die in unserem Spiel nicht etabliert sind. Doch wir mussten angesichts des Rückstands alles versuchen, sind dann ja auch noch mal auf ein Tor rangekommen. Die entscheidenden Szenen gingen dann aber an unseren Gegner.

Wie viele Punkte muss Ihr Team in den letzten vier Spielen holen, um in der Bundesliga zu bleiben?

Wir haben vor den Duellen gegen Erlangen und Bietigheim gerechnet, dass wir mit zwei Siegen durch wären. Es kam anders, daraus haben wir gelernt. Klar ist, dass wir noch Punkte brauchen, aber es gibt keine Rechnereien, gegen wen wir diese am ehesten holen könnten. Wir konzentrieren uns nun allein auf unsere Performance bei den Löwen.

Werden zwei Punkte aus vier Spielen reichen, oder müssen es mehr sein?

Ich werde mich an solchen Rechenspielen nicht beteiligen. Sie dürfen darüber gerne spekulieren.

Ihr Team hat im Jahr 2025 bisher nur zwei Spiele gewonnen. Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass es trotzdem reicht, um mindestens Drittletzter zu werden?

Wir haben zu wenige Punkte geholt, das ist offensichtlich. Andererseits hätte es von den Leistungen her oft zu mehr reichen können. Für mich ist klar: Unsere Mannschaft hat das Leistungsvermögen, um den Klassenverbleib schaffen zu können. Wenn wir unser Potenzial abrufen, haben wir in jedem Spiel die Chance zu punkten.

Auch im nächsten Heimspiel gegen Tabellenführer Füchse Berlin?

Auch gegen die Füchse – die Chance in diesem Spiel ist aber sicher am geringsten.

Sie sind Anfang November ins Risiko gegangen, als Sie neben Ihrem Job als Geschäftsführer auch noch das Traineramt übernommen haben. War dieses Risiko womöglich zu groß?

Ich werde jetzt sicher noch kein Saisonfazit ziehen. Mir fehlt die Kapazität, um mich damit zu beschäftigen. Eines aber steht fest: Es ging nie um mich und meine Person, sondern darum, den TVB Stuttgart möglichst gut aufzustellen. In den vergangenen Monaten haben wir gute und wichtige Schritte getan, in Misha Kaufmann einen Toptrainer und starke Neuzugänge verpflichtet, dazu in der WGV einen weiteren Hauptsponsor gewonnen. Mit diesen Entwicklungen sind wir sehr zufrieden – nach der Saison wird dann genügend Zeit für eine vollständige Analyse sein.

Gelten die Verträge der Neuen auch für die zweite Liga?

Ich werde nicht zu einzelnen Verträgen ins Detail gehen. Nur so viel: Die Verträge von Misha Kaufmann und von vielen Spielern, auch den Zugängen, gelten für beide Ligen.

Als Trainer müssen Sie stets positiv denken, als Geschäftsführer zweigleisig planen. Wie schwierig ist dieser Spagat?

Er ist anstrengend, doch zugleich kann ich sagen: Wir sind auf beide Szenarien schon lange vorbereitet. Personell und im Umfeld ist der TVB Stuttgart sehr gut aufgestellt – auch für die zweite Liga.

Wie einschneidend wäre ein Abstieg?

Er würde für unsere Entwicklung einen Knacks bedeuten, aber keinen langfristigen Schaden. Was nichts daran ändert, dass unser sportlicher Ehrgeiz, in der Bundesliga zu bleiben, riesig ist.

Würden Sie im Falle des Abstiegs Geschäftsführer bleiben?

Mein Vertrag läuft bis Sommer 2026, und ich habe keine anderen Pläne.

Der Etat des TVB Stuttgart soll bei rund 6,5 Millionen Euro liegen. Warum reicht das nicht, um sich in der Bundesliga im gesicherten Mittelfeld zu etablieren?

Erst einmal haben wir unsere Etatzahlen nie veröffentlicht. Und zweitens ist es immer schwierig, Gesamtetats von Vereinen zu vergleichen.

Warum?

Weil man darauf schauen muss, wie groß der Anteil ist, der in den Sport gesteckt werden kann. Wir in Stuttgart haben im Bereich Entertainment große Konkurrenz und müssen einen hohen Aufwand betreiben, um wahrgenommen zu werden. Bei uns fließt deshalb prozentual weniger Geld in den Sport als bei vielen anderen Vereinen. Wir sind, was die finanziellen Möglichkeiten angeht, etlichen unserer Konkurrenten sicherlich nicht um Längen voraus.

Was nichts daran ändert, dass auch Ihre eigenen Erwartungen höher sind.

Das stimmt. Wir haben den Anspruch und sicher auch die Möglichkeiten, um Platz zehn zu erreichen. An diesem Anspruch ändert unsere derzeitige Situation nichts.

Sie mussten Anfang November Ihren Bruder Michael als Trainer entlassen. Reden Sie mit ihm über die aktuell prekäre Lage?

Ich war damals in den Prozess involviert, die Entscheidung aber habe nicht ich getroffen, sondern die Gesellschafterversammlung. Über die aktuelle Situation sprechen Michael und ich nicht.

Am 8. Juni gastiert zum letzten Spiel der Saison das Team aus Leipzig in der Porsche-Arena. Was passiert danach?

Wir können hoffentlich den Klassenverbleib feiern und anschließend die Saison in Ruhe aufarbeiten.